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Hysterische Hysterie-Kritik

Dienstag, 25. Oktober 2011 - 07:44

Der Journalist Christian Weber benutzt in seinem etwas hysterisch geratenen Artikel “Die Burn-out-Hysterie” (SZ 2011-10-22, S. 24, Untertitel: “Die anhaltende Debatte um das scheinbar zunehmende Leiden zeugt von einem falschen Verständnis psychischer Krankheiten”) einen alten Trick: Die Kritik von Absichten, die der Kritiker dem Kritisierten unterstellt:

Wer mit Hilfe der Psychiatrie die Arbeitsbedingungen und Zwänge des modernen Lebens kritisieren will, tut den Ausgebrannten nichts Gutes. Er nährt die Illusion, dass ein bisschen Umbau in Betrieb und Gesellschaft psychische Krankheiten beseitigen könnte; und dass nur die Anderen schuld seien am eigenen Zustand.

Wo ist denn jemand mit signifikantem Einfluss, der mit Hilfe der Psychiatrie die Arbeitsbedingungen und Zwänge das modernen Lebens kritisieren will? Das Instrument der Kritik ist nicht die Psychiatrie, sondern die Organisations- und Arbeitspsychologie. Wenn die Psychiatrie einschreiten muss, ist es nämlich schon zu spät. Christian Webers Kritik, es gäbe die Illusion, “dass ein bisschen Umbau in Betrieb und Gesellschaft psychische Krankheiten beseitigen könnte; und dass nur die Anderen schuld seien am eigenen Zustand” ist unredlich. Eine solche Illusion gibt es zumindest nicht bei denen, die den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz vorantreiben. Es ist also wohl Christian Weber, der hier Probleme mit der Realität hat und das dann auch noch in der SZ-Rubrik “Wissen” in die Welt setzt.

Psychosomatische Störungen durch psychische Fehlbelastung gibt es. Insbesondere Sozialstress in der Herde beobachtet beispielsweise mein Vetter in seinem (auch in schwierigen Zeiten erfolgreichen) großen Milchproduktionsbetrieb. Gibt es zuviel davon, dann wird die Milch zwar nicht sauer, aber weniger. Das bedeutet niedrigere Produktivität. Darum reduziert mein Vetter schädlichen Stress, wo das möglich ist. Gelegentlich bietet er seinen Viechern auch Stress, der anregend ist. Wichtig dabei: Trittbrettfahrer und Simulanten, die sich ihre Krankheiten anlesen, gibt es unter den Kühen eher weniger.

Nun von der Natur von Kühen mit Leseschwäche zu uns Menschen. Christian Weber meint:

Viel wahrscheinlicher ist, dass Angst und Depression, Zwang und Psychose zur Natur des Menschen gehören wie körperliche Krankheiten. Das Hirn ist die wahrscheinlich komplexeste Struktur des Universums; wie sollte es ein Leben lang fehlerfrei arbeiten?

Schon wieder kämpft Weber gegen eine Behauptung, die er sich einbildet. Die Menschen nehmen das Gegenteil dessen an, was Weber glaubt: Sie glauben nicht an Fehlerfreiheit des Gehirns und konstruierten sich deswegen einige ganz erfolgreiche Fehlerkorrekturverfahren (z.B. die Demokratie, in der dann wiederum Schutzgesetze beschlossen wurden). Es hilft uns nicht viel weiter, mit der “Natur” der Menschen zu argumentieren in einer Umwelt (nicht nur Arbeitsumwelt), die sich durch das Wirken der Menschen viel intensiver verändert hat, als die evolutionäre Entwicklung unserer Gehirne. Das ist nicht schlecht, aber wir müssen mit dieser “unnatürlichen” Entwicklung auch “unnatürlich” umgehen. Teilweise gelingt uns ja schon: Wir wenden uns mit Verstand der Arbeits- und Organisationspsychologie zu, aber nicht, um alle psychischen Krankheiten abzuschaffen, sondern um besser zu arbeiten und zu leben. Christian Webers Gehirn (die wahrscheinlich komplexeste Struktur des Universums?) kennt den Anspruch des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nicht.

Es gibt Leute, die sich mit dem Thema, dem Christian Webers Kollegen gerne den Titel  “Burn-out” geben, gut auskennen:

Meine eigene Kritik benutzt nicht die Psychiatrie als Instrument der Kritik an der neuen Arbeitswelt, sondern konzentriert sich auf die schlichte Tatsache, das in den meisten Betrieben überhaupt gar nicht erst in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise hingesehen wird, wie die Belastungen aussehen und ob sie Fehlbelastungen sein könnten. Diese Missachtung von Schutzvorschriften kann nämlich nachgewiesen werden. Das scheint der Süddeutschen Zeitung zu kompliziert zu sein. Aber die Bouleverd-Presse in München griff das Thema Anfang dieser Woche und mit Christa Haderthauers staatsministerieller Nachhilfe auf, natürlich wieder unter dem “Burn-out”-Titel: Die Abendzeitung München bemühte zwar “Burnout-Detektive” und “Burnout-Aufpasser”, aber sie kommt damit dem Problem unzureichender Aufsicht im Arbeitsschutzpraxis immer noch näher, als die Süddeutsche Zeitung das bisher vermochte. Der Boulevard braucht wohl den Burnout-Begriff. Endlich wurde eines der Hauptprobleme dort einfach erklärt auf den Punkt gebracht: Die Unternehmen halten sich nicht an die Regeln. Darum ist nun Aufsicht nötig.

Ein anderer Minister Bayerns, Markus Söder, kündigte in dieser Woche dann auch noch einen Burnout- und Psychiatrie-Beauftragten an. Diese Kombination finde ich problematisch. Politiker neigen halt zur Vereinfachung. Daraus kann man aber nicht ableiten, dass es eine generelle Burnout-Hysterie gebe. Dass zu viel und zu platt von “Burnout” geschrieben wird, ist doch auch eine Folge der Forderung nach Vereinfachung komplexer Themen. Die unsaubere Verwendung des Begriffes verdient Kritik, aber Christian Weber setzt sie falsch an und forkussiert auf die Diagnose von Erkrankungen. Die Burnout-Thematisierungen von Christa Haderthauer und Markus Söder zielen aber (endlich den Regeln des Arbeitsschutzes entsprechend) auf die Prävention ab. Da geht es um die Diagnose des Zustandes von Arbeitsplätzen.

Michaela Mosers Kritik in (in Perspektive Mittelstand) ist auch nicht zimperlich: “Burnout-Geschwafel löst nicht das Problem” (http://www.perspektive-mittelstand.de/Erschoepfungsinflation-Burnout-Geschwafel-loest-nicht-das-Problem/management-wissen/4331.html). Aber ihr Schluss ist wichtig:

… Noch problematischer ist indes, dass den meisten, das Thema Burnout mittlerweile zum Halse raushängt. Denn ist das Erschöpfungssyndrom mal endgültig durch das mediale Dorf getrieben, wird die Berichterstattung, ebenso wie nach dem Depressions-Hype um den Tod von Robert Enke, wieder abflauen. Und damit letztlich auch der Handlungsdruck zur Burnout-Prophylaxe – sowohl bei Arbeitgebern als auch jenen die Burnout-gefährdet sind. Genau dies aber wäre fatal – nicht für die Betroffenen, sondern auch die Arbeitswelt von morgen und nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft insgesamt!

Vorzeitiger unfreiwilliger Ruhestand

Montag, 17. Oktober 2011 - 08:31

http://www.sueddeutsche.de/karriere/
vorzeitiger-unfreiwilliger-ruhestand-aufhoeren-weil-die-seele-leidet-1.1165601

Aufhören, weil die Seele leidet

16.10.2011, 17:23
Von Thomas Öchsner

Psychische Erkrankungen sind mittlerweile der Hauptgrund für den unfreiwilligen Vorruhestand – und der kommt immer früher: Wer vor 30 Jahren vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden musste, war im Durchschnitt 56 Jahre alt. Heute sind vor allem diejenigen, die wegen seelischer Leiden aufhören, wesentlich jünger. Das hat mehrere Gründe. …

Auf Seite 4 (SZ 2011-10-17) gab es dann von “tö” den Kommentar “Wenn Arbeit krank macht”. Der Kommentarschreiber liest anscheinend seine eigene Zeitung nicht. Und er suchte auch nicht in ihrem Archiv: “Wenn Arbeit krank macht” war an gleicher Stelle schon einmal der Titel eines Kommentars, und zwar in der SZ 2010-08-13.

“tö” fragt: “Was zu tun ist?”. Seine Antworten: “Arbeitnehmer müssen lernen, an sich selbst keine überzogenen Ansprüche zu stellen, und die Arbeitgeber dürfen ihre Untergebenen nicht als moderne Arbeitssklaven behandeln …”

Davon, dass diese beiden (die Situation nicht ganz nicht falsch, aber auch nicht ausreichend beschreibenden) Klischees wiedergekäut werden, werden sie auch nicht hilfreicher. Sie lenken von einem ganz anderen Problem ab: Wieso kommt der Kommentator nicht auf die Idee, zu fragen, ob überhaupt ehrlich und diszipliniert gefragt wird, “was zu tun ist”? Einiges, was zu tun ist, ist nämlich seit vielen Jahren vorgeschrieben, wird aber nicht getan. Je nach Quelle kann man erfahren, dass seit Jahren 16% bis (sehr optimistisch geschätzt) 50% der Unternehmer psychisch wirksame Belastungen nicht in die vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen mit einbeziehen. Seit spätestens 2004 verstößt die Mehrheit der Unternehmen gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes und die dazu gehörnden Urteile. Was wäre dagegen zu tun? Aufsicht! Und dass es an Aufsicht fehlt, sollte bei der SZ inzwischen auch bekannt sein.

Wenn die Leute locker bei Rot über die Ampel fahren dürften, würde sich sich doch auch niemand wundern, wenn mehr Verkehrsunfälle passieren. Es kann da doch keine allzu große geistige Herausforderung sein, zu fragen, wie sich der gewohnheitsmäßige Verstoß gegen die Pflicht der Arbeitgeber zum Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz (schon ganz am Anfang, also beim Fragen nach Gefährdungen) auf psychische Erkrankungen auswirkt.

SZ 2010-08-13, S. 4:

… Die Vorbehalte [der Firmen] gegenüber guter Prävention zeigen auch wieder, dass die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler [(damals war er das noch)] falsch sind, den Arbeitgeberanteil am Krankenkassenbeitrag einzufrieren. Damit würden künftig die Arbeitnehmer alleine dafür zahlen, dass Firmen durch schlechte Vorsorge die Gesundheit ihrer Belegschaft gefährden.

 



http://www.tagesschau.de/inland/fruehrente100.html

Zahlen im vergangenen Jahr laut Zeitung angestiegen
Psychische Erkrankungen häufiger Grund für Frührente

Die Zahl der Arbeitnehmer, die wegen einer psychischen Erkrankung vorzeitig in Rente, ist im vergangenen Jahr gestiegen. Das berichtet die “Süddeutsche Zeitung” unter Berufung auf neue Zahlen der Deutschen Rentenversicherung.

Demnach mussten sich im Jahr 2010 bundesweit fast 71.000 Frauen und Männer wegen seelischer Störungen vor Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren in den Ruhestand verabschieden. 2009 waren es noch knapp 64.500 gewesen. …

 


Abendzeitung München / dpa:
http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.rente-mit-depression-still-und-heimlich-in-die-fruehverrentung.c4d6a420-17fd-4ca7-878e-15e61e25d746.html
Mit Depression still und heimlich in die Frühverrentung

… Burnout ist kein neues Phänomen, aber es breitet sich aus wie ein Ölfleck auf dem Wasser. Die internationalen Konzern-Verflechtungen bei zunehmendem Konkurrenzdruck führen zu höheren Anforderungen an die Arbeitnehmer. Dabei spielen individuelle Fähigkeiten auch eine wichtige Rolle: Manche sind stress-resistenter als andere, die dann auch früher ans Limit kommen.

Um die fatale Entwicklung zu bremsen, muss nach Überzeugung aller Experten in den Betrieben vorbeugend gegengesteuert werden: Das Bundesgesundheitsministerium will dazu in Zusammenarbeit mit Firmen demnächst ein Stressabbauprogramm für Beschäftigte auflegen. …

Nicht falsch, aber nur die halbe Wahrheit. Warum weist die DPA auf die Bedeutung der individuellen Resilienz hin ohne auch die einfach nachprüfbare Missachtung der Arbeitsschutzregeln durch die Mehrheit der Unternehmen zu erwähnen? Warum will das Bundesgesundheitsministerium ein Stressabbauprogramm auflegen anstatt die Unternehmen endlich durch gründliche Gewerbeaufsicht zur Einhaltung bereits bestehender Vorschriften bewegen?

Die gute Nachricht: Wie man es richtig macht, zeigte jüngstens (entgegen meinen eigenen Vorurteilen) ausgerechnet eine CSU-Landesministerin. Und bereits im Jahr 2009 bohrte (entgegen meinen weiteren Vorurteilen) die FDP in Berlin an den richtigen Stellen nach. Hier sind ein paar Politiker der Presse voraus.

Karriere bedeutet Aufgabe der Zeitsouveränität

Dienstag, 12. Juli 2011 - 04:52

… Gül: Zeitliche Verfügbarkeit wird zum Selektionskriterium. Das heißt: Wer dazugehören will, muss lange arbeiten. In allen Unternehmen, die wir untersucht haben, waren hohe Arbeitszeiten die Regel – im unteren Management mehr als 45 Stunden in der Woche, im mittleren und oberen Management mehr als 50 Stunden.

Vom Abteilungsleiter aufwärts wird ständige Verfügbarkeit per Smartphone erwartet. Karriere bedeutet also die Aufgabe der eigenen Zeitsouveränität.

SZ: Warum wehrt sich niemand?

Gül: Das liegt an den Bedingungen in den Unternehmen. Wir nennen es ein System der permanenten Bewährung, das es schwer macht, Grenzen zu ziehen. …

Siehe auch (ebenfalls SZ 2011-07-09):

 

Betriebliche Klimakatastrophe

Mittwoch, 6. Juli 2011 - 15:34

http://www.google.de/search?q=betriebliche-klimakatastrophe+süddeutsche+dagmar-deckstein, Artikel bzw. Kommentar in den “Führungsspitzen” der Süddeutschen Zeitung, Dagmar Deckstein, 2009-06-15

Über die 8-seitige Dokumentation der DGSv Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen gibt es diesen hübscher Artikel, den ich heute beim Aufräumen gefunden habe.

Die drei Selektionen von Wissenschaft

Sonntag, 3. Juli 2011 - 00:50

Es geht um die interessengesteuerte Selektion von Resultaten wissenschaftlicher Forschung:

  • Vorselektion
  • Nachselektion
  • Wegselektion

 

Vorselektion

Zwar fand ich beim Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (kurz ZAAR) in München keine Veröffentlichungen zum Thema der psychischen Belastungen, aber das Institut zeigt, wie die Wirtschaft Wissenschaft beeinflusst. Der Stand der Wissenschaft ist bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes (ausfüllungsbedürftiges Rahmengesetz) ein wichtiges Kriterium. Achten Sie beim Hinzuziehen wissenschaftlicher Sachverständiger darauf, von wem und unter welchen Bedingungen deren Forschung finanziert wird.

Dabei ist es nicht so, dass sich die Arbeitgeber Forschungsergebnisse kaufen. Das ZAAR ist tatsächlich unabhängig. Aber die Glaubensrichtung der Wissenschaftler muss stimmen:
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2011%2F07%2F02%2Fa0034&cHash=bcc251bf29


Der Vertrag [mit einer Siftung der Arbeitgeber] sieht ein “koordiniertes Berufungsverfahren” vor, bei dem zunächst die Hochschule nach ihren Regeln Arbeitsrechtsprofessoren beruft. Die Professoren werden dann sofort beurlaubt und gewissermaßen als Leiharbeiter an die Stiftung weitergereicht, die sie wieder anstellt. Zu welchen Konditionen, darüber verhandelt der Kandidat allerdings ausschließlich mit dem Stiftungsrat. Weitergedacht heißt das: Selbst wenn die Universität der abwegigen Idee verfallen sollte, einen arbeitnehmerfreundlichen Professor zu berufen, könnten die Stifter ihm die Stelle mit einem unattraktiven Vertrag madig machen. “Es wurden natürlich von vornherein nur Leute berufen, die der Arbeitgeberseite nahestehen”, sagt der Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Däubler von der Universität Bremen.

Das Ergebnis ist also ähnlich wie bei den theologischen Fakultäten – auch dort darf als Professor nur arbeiten, wer sich eindeutig zum entsprechenden Glaubenssystem bekennt. …

(Bernd Kramer, Abhängig Beschäftigt – LOBBYISMUS: Arbeitgeberverbände leisten sich für 55 Millionen Euro deri Lehrstühle an der Universität München, die tageszeitung, 2011-07-02, S. 30)

Wie unabhängig und überparteilich das ZAAR ist, bestimmt, wer es finanziert.

Volker Rieble ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in  München. Er wird gerne von der Süddeutschen Zeitung zitiert. Sein An-Institut wird direkt von den Arbeitgeberverbänden der bayerischen und baden-württembergischen Metallindustrie sowie der Bundesarbeitgeberverband Chemie finanziert. Mit einem Stiftungsvermögen von 55 Millionen Euro ausgestattet, entstand im Jahr 2004 das ZAAR an der LMU. Zwei weitere Professuren beim ZAAR haben Andrea Angleitner und Abbo Junker.

 

Nachselektion

Neben der Vorselektion der “richtigen” Wissenschaftler gibt es noch die Nachselektion der “richtigen” Forschungsergebnisse:

… Wie stark die Wissenschaft dabei geknebelt werden kann, zeigt das Beispiel zweier Berliner Universitäten, die sich in einem Vertrag mit der Deutschen Bank sogar verpflichteten, Forschungsveröffentlichungen vorab abzustimmen. …

(TAZ, ebd.)

 

Wegselektion

Der Dritte Weg ist der brutalste: Unerwünschter Wissenschaft wird der Geldhahn zugedreht. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass ausgerechnet in einer Zeit steigender Aufmerksamkeit für organisationspsychologische Fragestellen die Forschung dazu an der Universität Oldenburg einfach dichtgemacht wurde. Da dort bei Friedhelm Nachreiner anscheinend weder Vor- noch Nachselektion funktionierte, blieb wohl nur noch die Wegselektion: Die Uni Oldenburg entfernte seinen Lehrstuhl. Daneben wurde in Lüneburg eine den Niedersachsen genehmere Forschung aufgebaut.

Wenn Arbeit krank macht

Mittwoch, 11. Mai 2011 - 07:13

Wenn Arbeit krank macht
Süddeutsche Zeitung, 2010-08-13, Seite 4

Gut beobachtet: Arbeitgeber vernachlässigen einerseits den Gesundheitsschutz im Bereich der psychischen Belastungen, versuchen aber andererseits, sich von den steigenden Krankenversicherungskosten abzukoppeln:

… Die Vorbehalte [der Firmen] gegenüber guter Prävention zeigen auch wieder, dass die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler falsch sind, den Arbeitgeberanteil am Krankenkassenbeitrag einzufrieren. Damit würden künftig die Arbeitnehmer alleine dafür zahlen, dass Firmen durch schlechte Vorsorge die Gesundheit ihrer Belegschaft gefährden.

TAZ, 2011-05-11:

… Nun wird der Mann, der abseits von Polittalkshows und Parlamentsdebatten wenig bekannt ist, auch offiziell einer der mächtigsten Politiker des Landes: Er soll Rösler im Amt des Bundesgesundheitsministers folgen.

[Daniel] Bahr gilt ohnehin als Mann hinter den Reformen des Ministers. Als Experte für die zähen Debatten mit Pharmafirmen und Krankenkassen, als Mann für die entscheidenden Details.

Siehe auch: Vorzeitiger unfreiwilliger Ruhestand, 2011-10-17

Privatisierung der Folgen von zu hohem Arbeitsdruck

Sonntag, 10. April 2011 - 01:38

Ein Interview und ein Artikel von Nicola Holzapfel in der Süddeutschen Zeitung

 
http://www.sueddeutsche.de/karriere/kampf-dem-stress-arbeitgeber-denken-nicht-langfristig-1.571022, 2007-07-17, Interview mit Nick Kratzer:

… Natürlich gibt es Arbeitgeber, die Vitamin-Bars einrichten oder Nordic-Walking-Kurse anbieten. Aber das ist eine Privatisierung der Folgen von zu hohem Arbeitsdruck. Da wird dem Beschäftigten die Verantwortung für den Umgang mit Stress wieder zurückgespielt. …

 
http://www.sueddeutsche.de/karriere/arbeitszeit-wenn-der-job-am-leben-frisst-1.499239, 2005-02-27:

Früher anfangen, später gehen: Über den unausgesprochenen Zwang, freiwillig mehr zu arbeiten.

 
Eine wirkliche Verringerung von Kompexität ist oft nur möglich, wenn man einen Teil von ihr irgendwoandershin verschieben kann. Beispielsweise verlagern Banken ihren Schalterdienst in die Computer ihrer Kunden. Und Unternehmen können Verwaltungsaufgeben zu ihren Mitarbeitern verschieben, weil sich das nicht so gut messen lässt, wie Mehrarbeit oder eine Gehaltsminderung. Gefährdungsbeurteilungen mit Einbezug psychischer Belastungen verbessern diese Messbarkeit ein wenig. Könnte das ein Grund sein, dass sich Arbeitgeber gegen sie wehren?

Politik der unterbesetzten Aufsichtsbehörden

Freitag, 4. März 2011 - 22:07

Aus der Südeutschen Zeitung von heute:

Laxe Steuerprüfung —Millionäre bevorzugt

Was für ein Leben: viel Geld verdienen, eine Villa am See besitzen – und die Gewissheit haben, dass das Finanzamt nur selten vorbeikommt. Nach Ansicht der Grünen reduzieren viele Bundesländer absichtlich die Zahl der Steuerprüfungen. Von C. Hulverscheidt

- Finanzamt – Wenn der Steuerprüfer gar nicht klingelt
- Steuererklärung – Steuerschummeln? Darauf achten Finanzbeamte

Bei der Gewerbeaufsicht sieht es nicht besser aus, als bei der Steuerprüfung. Dass seit 15 Jahren mehr als 80% der Unternehmen immer noch Gefährdungsbeurteilungen ohne Einbezug psychisch wirksamer Belastungen anfertigen dürfen, kann kein Zufall mehr sein. Auf einer Tagung meinte einmal eine Psychologin (die für eine Organisation im Bereich der Arbeitssicherheit Unternehmen beobachtet) zu mir, dass sie erst tätig werden dürfe, “wenn in einem Unternehmen Zustände herrschen wie bei France Télécom“. Fachkräfte, die direkt Aufdicht ausüben, möchten ihre Arbeit durchaus tun. Aber ist ihnen das auch politisch erlaubt?

Siehe auch: http://blog.psybel.de/2010/11/22/mentale-belastung-am-arbeitsplatz/

Kranke Bankberater

Donnerstag, 13. Januar 2011 - 19:37

Auf der Couch
Seit der Finanzkrise stehen Bankberater unter noch größerem Verkaufsdruck. Immer mehr landen bei Psychotherapeuten

Von Alina Fichter und Harald Freiberger München/Frankfurt – Wenn sie von dem Moment erzählt, der ihr Leben für immer verändert hat, kehrt die Angst zurück, obwohl sie ihr altes Leben hinter sich gelassen hat und weit weg von allem in einem Café sitzt. Linda Brick hat ein hübsches Gesicht, der blonde Pony fällt ihr in die Stirn. Blaue Augen, getuschte Wimpern. Sie legt ihre Hand aufs Dekolleté. “Die Angst …

13.01.2011 Süddeutsche Zeitung | München, Bayern, Deutschland | Geld
1578 Wörter | 2.00 EUR

Die im Artikel gut beschriebene psychische Fehlbelastung dürfte es aus Sicht der Gewerbeaufsicht gar nicht geben. Aber dank unterbesetzter und ausgebremster Gewerbeaufsichtsbehörden fehlen in den Banken die im Arbeitsschutz vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung mit Einbezug psychisch wirksamer Belastungen. Vermutlich wissen die meisten Bankangestellten nicht, welche Rechte ihnen hier von den Arbeitgeber verwehrt werden. Erforderlich sind diese Beurteilungen jedoch schon seit 1996! Aber immer noch können Unternehmen in Deutschland diese “neuen” Vorschriften des Arbeitsschutzes straflos ignorieren.

Im ganzheitlichen Arbeitsschutz kommen nicht die Mitarbeiter auf die Couch, sondern die Arbeitsbedingungen. Vorangetrieben wird der ganzheitliche Arbeitsschutz in der seltenen Praxis vor Allem durch Betriebsräte. Zum Beispiel können sie anonyme Mitarbeiterbefragungen erzwingen. Das geht einfach, man muss nur wissen, wie das durchgesetzt werden kann. Leider fehlen in den Banken durchsetzungsfähige Betriebsräte. Daran sind die Mitarbeitern in den Banken allerdings ein bisschen mitschuldig.

Multitasking mindert Leistung

Sonntag, 12. Dezember 2010 - 21:46

Multitasking Alles auf einmal – und zwar sofort

2010-12-12

Von Petra Meyer

Telefonieren und nebenher eine E-Mail schreiben? Das bringt weniger, als wir uns erhoffen. Eine Studie zeigt: Multitasking wirkt sich bei vielen Beschäftigten negativ auf ihre Leistung aus.

Siehe auch: http://www.arbeitstattstress.de/2011/05/das-maerchen-vom-multitasking/