Schlagwort 'riskante Arbeitswelt'

Psychosoziale Auswirkungen spätmoderner Erwerbsarbeit

Mittwoch, 11. November 2015 - 07:47

http://www.v-r.de/de/title-1-1/riskante_arbeitswelt_im_spiegel_der_supervision-1007515/print/ (PDF)

Rolf Haubl, G. Günter Voß (Hg.)
Riskante Arbeitswelt im Spiegel der Supervision
Eine Studie zu den psychosozialen Auswirkungen spätmoderner Erwerbsarbeit

»Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit und die Arbeitsbedingungen organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein.« (Ottawa-Charta der WHO 1986)

Supervisoren haben einen spezifischen Zugang zur Wirklichkeit von Beschäftigten und deren beruflichem Handeln in Organisationen. Das in diesem Band vorgestellte Projekt »Arbeit und Leben in Organisationen 2008« hat die psychosoziale Situation von Arbeitnehmern empirisch untersucht. In Anbetracht des Strukturwandels der Arbeitswelt, den die Transformation der modernen Gesellschaft betreibt, erscheint es als ein dringliches Anliegen, Belastungen festzustellen und Belastungsgrenzen auszuloten.

Kölner Reihe – Materialien zu Supervision und Beratung,
Band 001
1. Auflage 2012. 103 Seiten,
€ 14,95 D / € 15,40 A / SFr 20,90
ISBN 978-3-647-40333-5, ISBN E-Book: 978-3-647-40333-5
Mit Beiträgen von: Nora Alsdorf, Frankfurt am Main / Ullrich Beumer, Frankfurt am Main; Köln / Bettina Daser, Frankfurt am Main / Julian Simon Fritsch, Gießen / Saskia Maria Fuchs, Hagen / Christoph Handrich, Chemnitz / Rolf Haubl, Frankfurt am Main / Anke Kerschgens, Frankfurt am Main / G. Günter Voß, Chemnitz.

Inhalt und Leseprobe

Soziale Anerkennung wirkt gegen Burnout

Mittwoch, 28. März 2012 - 18:09

Pressemeldung der Goethe-Universität in Frankfurt, http://www.muk.uni-frankfurt.de/39804841/069:

Soziale Anerkennung am Arbeitsplatz reduziert Risiko eines Burnouts
Befragung von 900 Supervisoren belegt: Gesundheitsfürsorge tut Not

Veröffentlicht am: Dienstag, 27. März 2012, 10:30 Uhr

FRANKFURT. Wenn Arbeitnehmer sich leistungsgerecht belohnt fühlen, ist das Risiko einer arbeitsbedingten Erschöpfung deutlich geringer. „Das bedeutet allerdings mehr als nur angemessene Bezahlung, wichtig ist vor allem die soziale Anerkennung, die Menschen für ihren Arbeitseinsatz erhalten“, konstatiert der Frankfurter Sozialpsychologe Prof. Dr. Dr. Rolf Haubl. Dies ist ein wichtiges Ergebnis einer jetzt veröffentlichten Studie, an der Wissenschaftler der Goethe-Universität, des Sigmund-Freud-Instituts und der Technischen Universität Chemnitz beteiligt waren.

Im Rahmen der gerade abgeschlossenen Untersuchung wurden 2011 fast 900 Supervisoren der Deutschen Gesellschaft für Supervision e. V. (DGSv), die seit Jahren überwiegend Profit- und Non-Profit-Organisationen im sozialen Bereich wie Krankenhäuser, Schulen, Kinder- und Jugendhilfe beraten, nach ihrer Einschätzung zur Arbeitsbelastung befragt. Diese Expertinnen und Experten, von denen knapp die Hälfte bereits 2008 an einer ähnlichen umfangreichen Befragung teilgenommen hatten, bestätigten: Über alle Branchen hinweg sind die Arbeitsbedingungen so, dass viele Beschäftigte ihre psychische Gesundheit riskieren. Von Entwarnung kann keine Rede sein. Dazu das signifikante Zitat einer Supervisorin aus einem von 30 Intensivinterviews: „… als ich da hinkam, hatte die Leitungskraft 600 Überstunden. Und alles, was unter 100 war, bedeutet irgendwie, die arbeiten nicht richtig.“

Wie lassen sich Arbeitsbedingungen so gestalten, dass das Risiko eines Burnouts sinkt? Arbeitgeber sollten in die Organisationskultur investieren, ist das Fazit der Studie. Dazu Haubl, der an der Goethe-Universität lehrt und forscht und gleichzeitig auch das Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt leitet: „Neben der leistungsgerechten Belohnung als einflussreichster Faktor kommt es besonders auf das Verhalten und die Einstellung der Vorgesetzten und der Kollegen an: Chefs, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktoren betrachten, sondern als eine Belegschaft mit produktiven Fähigkeiten, die sie nachhaltig zu entwickeln suchen, schützen ebenso vor überfordernden Arbeitsbedingungen, wie Kollegen, die sich halbwegs solidarisch verhalten.“

Die Untersuchung bestätigt übrigens nicht die immer wieder geäußerte Meinung, das Mitarbeiter mit wachsender Indifferenz gegenüber ihrer Arbeit reagieren, wenn sie sich überfordert fühlen. Im Gegenteil: „Die Befragten trafen in den Organisationen in der überwiegenden Mehrzahl auf Beschäftigte, für die Arbeit – noch – eine Sinn stiftende Funktion hat und die deshalb darunter leiden, wenn sie aufgrund eines herrschenden ökonomischen Effizienzdrucks gezwungen sind, Qualitätsstandards zu verletzen“, erläutert Prof. Dr. Günter G. Voss aus Chemnitz, der eine Professur für Industrie- und Techniksoziologie an der Technischen Universität Chemnitz innehat und gemeinsam mit Haubl das Forschungsteam leitet. In den meisten Organisationen hat in den vergangenen Jahren die Arbeitsintensität eindeutig zugenommen: Arbeitsprozesse werden verdichtet und beschleunigt, Nischen beseitigt; die Zahl der prekären und befristeten Arbeitsverhältnisse nimmt zu.

Die Supervisoren, die für diese Studie befragt wurden, sind mit den turbulenten Veränderungen in der Arbeitswelt bestens vertraut. Ihre Einschätzungen sind besonders aussagekräftig, weil sie einerseits als kritische Zeitzeugen derartige Prozesse beobachten und ungeschönte Einblicke in das Innenleben von Organisationen haben, andererseits aber auch gemeinsam mit Einzelpersonen und Teams nach konstruktiven Handlungsalternativen suchen. Immer häufiger, so stellen die Befragten fest, wird Arbeitnehmern zugemutet, einander widersprechende Anforderungen – wie die zwischen Professionalität und Kosteneinsparung – ohne betriebliche Unterstützung auszuhalten und abzufedern. „Und das führt entweder dazu, sehenden Auges die eigene Gesundheit zu riskieren, um Karrierevorteile zu erlangen, oder es demoralisiert“, so Haubl. „Sollen Arbeitsplätze keine Gesundheitsrisiken sein, wie es die Weltgesundheitsorganisation in der Charta von Ottawa verlangt, bedarf es eines Einstellungswandels, der heute vielerorts noch in weiter Ferne liegt.“

Informationen: Prof. Dr. Dr. Rolf Haubl, Professur für psychoanalytische Sozialpsychologie, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Campus Bockenheim, Tel. (069) 798 23644, haubl@soz.uni-frankfurt.de; Prof. Dr. Günter G. Voss, Professur für Industrie- und Techniksoziologie, Fachbereich Soziologie, Tel (0371) 531 32480, guenter.voss@phil.tu-chemnitz.de

Download eines ersten Ergebnisberichtes: www.sfi-frankfurt.de/aktuelles.html; PDF unter: www.sfi-frankfurt.de/fileadmin/redakteure/pdf/03_Mitarbeiter_PDFs/03_Haubl_Manuskripte/Vorabdarstellung_Grenzen_professioneller_arbeit_2012.pdf

(Die Links zu “ähnlichen umfangreichen Befragung” und “Charta von Ottawa” wurde nachträglich eingefügt.)

Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen

Freitag, 12. März 2010 - 20:14


erschöpfende Belastung

Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen
(2008)
Quelle der folgenden Einführung: Tom Levold, systemmagazin.de, 2009-05-20

Eine Arbeitsgruppe um Rolf Haubl vom Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt und Günter Voß von der TU Chemnitz hat im Auftrag der DGSv ausgewählte SupervisorInnen nach ihren Einschätzungen gegenwärtigen Veränderungen von Arbeitsbedingungen in Organisation befragt. SupervisorInnen werden als “kritische Zeitzeugen” angesehen, die einen berufsspezifischen privilegierten Zugang zu den “Hinterbühnen” von Organisationen haben und daher besser als viele Außenstehende organisationale Wirklichkeiten beurteilen können. Die 8-seitige Dokumentation dieser Befragung ist für 5,- € bei der kassel university press erhältlich, kann aber auch im Internet kostenlos als PDF geladen werden.

Das Fazit der Befragung: »Die befragten Supervisor/innen sind sich darin einig, dass sich zunehmend mehr Beschäftigte einer beschleunigten Dynamisierung und Ausdünnung von Orientierung gebenden Strukturen ausgesetzt erleben. Was den Beschäftigten als “Freiheit” versprochen wird, erweist sich bei genauerem Hinsehen als höchst ambivalente Selbstverantwortlichkeit.

Bei allen Unterschieden im Einzelnen entwerfen die Supervisor/innen doch ein bemerkenswert ähnliches Bild einer tief greifenden Krise: Sie stellen vor allem heraus, dass der Druck sachlich, vor allem aber ökonomisch ununterbrochen hoch effizient sein zu müssen, weithin erheblich zunimmt und die psychophysischen Kräfte vieler Beschäftigter verschleißt. Insbesondere ist es die Anforderung, kontinuierlich innovativ sein zu müssen, die schnell überfordert.

Unter diesen Bedingungen entstehen nur selten nachhaltige Problemlösungen. Oft sind im Gegenteil die Qualität und Professionalität der Arbeit gefährdet, was sich nicht wenige Beschäftigte als eigenes Versagen zuschreiben. Auffällig ist, dass angesichts des ständigen Wandels ein drängender Bedarf nach verantwortlicher und unterstützender Führung besteht, betriebliche Vorgesetzte sich dem aber oft nicht gewachsen zeigen. Sie verstehen sich primär als hart drängende Change-Agents, die den auf sie einwirkenden ökonomischen Druck nach unten weitergeben und ihre Mitarbeiter/innen mit den Folgen weitgehend allein lassen.

Dass unter all dem Kollegialität leidet und die Einzelnen in ganz neuer Quantität und Qualität ihre Arbeit als erschöpfende Belastung erleben, wundert daher nicht. Die Beschäftigten stehen vor der Aufgabe, aktiv Selbstfürsorge zu betreiben, womit aber nicht wenige von ihnen überfordert zu sein scheinen. Nicht zuletzt ist es das Verhältnis von Berufstätigkeit und Privatsphäre, das in Mitleidenschaft gezogen wird. Die modische Rede von der Work-Life-Balance zeigt das Problem zwar an, trägt aber kaum etwas zu seiner Lösung bei.

Inhalt:

Ziel und Hintergrund der Befragung
Methodische Anmerkungen
Ergebnisse
  Effizienz
  Innovation und Veränderung
  Qualität
  Professionalität
  Führung
  Kollegialität
  Belastung
  Selbstfürsorge
Fazit
Ausblick

 
Siehe auch: