Schlagwort 'psychischer Arbeitsunfall'

“Unfall” und “Vorfall” in OHSAS 18001

Dienstag, 16. Juli 2013 - 07:41

Die Änderung von OHSAS 18001:1999 zu OHSAS 18001:2007 scheint von mehreren Unternehmen, die im Internet mit Zertifikaten zu OHSAS 18001:2007 werben, in der Praxis nicht vollzogen zu sein. Wenn damit geworben wird, alle Unfälle und Beinahe-Unfälle zu erfassen, dann sieht das auf den ersten Blick zwar gut aus, ist aber spätestens seit 2009-07-01 nicht mehr auf dem aktuellen Stand.

In OHSAS 18001:1999 gab es für “Unfall” noch eine eigene Definition im Kapitel 3. In OHSAS 18001:2007 gibt es den “Unfall” nicht mehr als eigene Begriffsdefinition. Spätestens seit 2009-07-01 haben zertifizierte Unternehmen alle “Vorfälle” auditierbar zu erfassen und zu bewerten. Die Begriffe “Unfall” und “Beinahe-Unfall”und decken nur eine Teilmenge der Vorfälle ab und werden deswegen in OHSAS 18001:2007 nur noch in den Anmerkungen zu dem Begriff “Vorfall” (Definition 3.9) erläutert.

Die Begriffsbestimmung für “Vorfall” gibt auch den geeigneten Raum für Ereignisse, die arbeitsbedingte psychische Erkrankungen verursachen könnten. Es gibt auch Ansätze, diese Erkrankungen als “Unfall” darzustellen, aber OHSAS 18001 geht hier meiner Ansicht nach den besseren Weg.

Psychischer Arbeitsunfall nach SGB VII

Dienstag, 25. Juni 2013 - 23:55

http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/gesundheitsvorsorge/beanspruchungen_erkrankungen/psychischer_arbeitsunfall.htm (2012-09-29, Copyright 2006 BC GmbH, Wiesbaden)

[...] Definition Arbeitsunfall mit psychischen Gesundheitsstörungen

Arbeitsunfall als begrenztes Ereignis:
„Der Unfallbegriff erfasst körperliche und psychische Gesundheitsstörungen als Reaktion auf ein unfreiwilliges zeitlich begrenztes äußeres Ereignis.“

Als äußeres Ereignis zählt, sowohl beim Opfer als auch beim Beobachter, die unmittelbare Wahrnehmung eines Unglücks, die Bedrohung bzw. die Konfrontation mit einer Gewalttat, wenn dies von außergewöhnlichem Ausmaß war und von dem Rahmen der alltäglichen Belastung abweicht.“ So definiert es die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – DGUV – 2008 in ihren „Empfehlungen der Gesetzlichen Unfallversicherung zur Prävention und Rehabilitation von psychischen Störungen nach Arbeitsunfällen“. Die dort beschriebenen Ursachen sind: Gewalteinwirkungen durch schwere Unfälle, Gewaltereignisse wie Überfälle oder Übergriffe.

Es heißt dann weiter:
Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit können im Zusammenhang mit körperlichen Verletzungen oder als eigenständige Unfallfolge auftreten. Psychische Traumen können durch Bedrohung von Leib und Leben der eigenen oder fremder Personen ausgelöst werden. Sie sind i.d.R. verbunden mit Reaktionen intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen.“ [...]

Siehe auch: http://blog.psybel.de/sozialgesetzbuch-vii-praevention/

Dekra: Burnout – der moderne Arbeitsunfall

Freitag, 7. Oktober 2011 - 06:13

Diese beiden Pressemeldungen zum “Arbeitssicherheitsbarometer 2011” der DEKRA thematisieren auch den Bereich der psychische Belastungen, die dann aber in dem 28seitigen Text selbst leider kaum eine Rolle spielen. Es geht also eher um den klassischen Arbeitsschutz. Auch der wird jedoch von der großen Mehrheit der Unternehmen vor allem als Pflichtübung betrachtet. Beachten Sie: Auch dort, wo Unternehmer Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz vorzeigen können, ist der Einbezug psychisch wirksamer Belastungen eher selten.
 

http://www.dekra.de/de/pressemitteilung?p_p_lifecycle=0&p_p_id=ArticleDisplay_WAR_ArticleDisplay&_ArticleDisplay_WAR_ArticleDisplay_articleID=6729055

DEKRA stellt Arbeitssicherheitsbarometer 2011 vor
Burnout – der moderne Arbeitsunfall

Stuttgart – In den Unternehmen gehen von der Technik immer weniger Gefahren aus; an die Stelle des klassischen Unfalls bei der Arbeit treten innere Kündigung und Burnout. Bei der heutigen Vorstellung des DEKRA Arbeitssicherheitsbarometers 2011 forderten DEKRA Experten die Unternehmen auf, dem Arbeits- und Gesundheitsschutz mehr Beachtung zu schenken und ihn als Investition in die Zukunft zu begreifen. Durch  Ausfallzeiten entsteht der deutschen Wirtschaft nach offiziellen Zahlen ein Schaden von jährlich 43 Mrd. Euro.

Für das DEKRA Arbeitssicherheitsbarometer hat die Expertenorganisation  DEKRA bundesweit über 600 Unternehmen per Online-Fragebogen  zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in ihren Betrieben befragt: nach dem Status, den Zielen und den Zukunftsaufgaben.

Mark Thomä, Mitglied des Vorstands der DEKRA SE und Leiter der Business Unit DEKRA Industrial: „Die positive Entwicklung bei den Unfallzahlen ändert  nichts an der Tatsache, dass die Anzahl der Unfälle und Krankheiten immer noch viel zu hoch ist. Die immer noch häufig als Kostenfaktor wahrgenommene Risikoprävention muss zunehmend als lohnende Investition für das Unternehmen betrachtet werden. Unter dem Strich rechnet sich Arbeits- und Gesundheitsschutz immer.“

Einerseits gibt es einen historischen Tiefstand bei den Arbeitsunfällen, andererseits gerät in den Betrieben das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz aus dem Fokus. Dies führt dazu, dass der „Produktionsfaktor Mensch“ tendenziell vernachlässigt und der immer komplexeren Arbeitswelt zu wenig Rechnung getragen wird. Die Folge ist ein Anstieg von Belastungen. Burnout und innere Kündigung sind dafür nur zwei Beispiele. Die Befragungsergebnisse machen folgendes deutlich:

  • Das Management erkennt nicht die Produktivitätsreserven, die sich über verringerte Unfallzahlen und Krankheitstage  –  also eine gesunde und  motivierte Belegschaft – verwirklichen lassen. Die Betriebe werden im Arbeitsschutz meist nur aktiv, weil sie gesetzliche Vorschriften befolgen müssen (84 Prozent der Nennungen) und nicht, weil sie den wirtschaftlichen Nutzen sehen (31 Prozent) oder aus „ethischen Gründen“ (38 Prozent).
  • Die Unternehmen sehen im „Verhalten der Mitarbeiter“ selbst die größte Gefahrenquelle. Jeder Zweite (50 Prozent) nennt seine Belegschaft als Hauptquelle für Unfallrisiken, gefolgt von „zunehmenden Druck auf die Mitarbeiter“ (20 Prozent) und „Unkenntnis der Mitarbeiter“ (17 Prozent).
  • Viele Maßnahmen werden  offenbar als wirkungslos empfunden. So veranstalten neun von zehn Unternehmen Schulungen zum Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz (89 Prozent), aber nur zwei Drittel (70 Prozent) glaubt an die Wirksamkeit der Maßnahme. An die Wirkung von ausgehängten  Betriebsanweisungen glaubt nicht einmal jeder zweite Befragte (45 Prozent) obwohl vier von fünf Firmen (79 Prozent) Anweisungen aushängen.
  • Die Führungskräfte unterschätzen die Unfallrisiken in ihren Unternehmen insgesamt. Vier von fünf (82 Prozent) der Unternehmen gehen davon aus, dass in ihrem Umfeld das Unfallrisiko „insgesamt geringer“ ist als anderswo.

Lothar Kreutz, Geschäftsführer DEKRA Industrial GmbH: „Der Arbeits- und Gesundheitsschutz steht vor dem Hintergrund alternder Belegschaften, des Fachkräftemangels und einer komplexeren Arbeitswelt vor neuen Aufgaben. In Zukunft werden nachhaltig angelegte, ganzheitliche  Konzepte zum Arbeits- und Gesundheitsschutz benötigt, die die Bedeutung des Produktionsfaktors Mensch angemessener berücksichtigen.“

Sebastian Bartels, DEKRA Konzernbeauftragter Arbeits- und Gesundheitsschutz und Business Line Manager Management Systems: Die Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes müssen die Mitarbeiter erreichen, um wirksam zu werden. Es gilt, die Führungskräfte einzubinden, zu schulen und sie in die Lage zu versetzen, ihrer Verantwortung auch im Gesundheitsschutz nachzukommen und eine Vorbildfunktion einnehmen zu können. Das Ziel muss es sein, eine Gesundheits- und Sicherheitskultur zu etablieren, die sich letztlich positiv auf die Produktivität auswirkt.“

(“Die Betriebe werden im Arbeitsschutz meist nur aktiv, weil sie gesetzliche Vorschriften befolgen müssen …” nachträglich durch Fettdruck hervorgehoben; siehe zum Vergleich auch http://blog.psybel.de/esner/)
Anmerkung: Arbeitsunfall der Moderne war bereits im Jahr 2006 die Überschrift eines Artikels von Thomas Gesterkamp in der Zeitschrift des Bundestages “Das Parlament”.

 
http://www.dekra.de/de/pressemitteilung?p_p_lifecycle=0&p_p_id=ArticleDisplay_WAR_ArticleDisplay&_ArticleDisplay_WAR_ArticleDisplay_articleID=6728756

DEKRA: Maßnahmen gegen Burnout und Ausfälle installieren
Fehlzeiten systematisch reduzieren

Stuttgart –  Unternehmen nutzen zu wenig die Möglichkeiten zur Gesundheitsvorsorge im Betrieb, stellen die Experten von DEKRA fest. Wie aus dem DEKRA Arbeitssicherheitsbarometer 2011 hervorgeht, installieren vier von fünf Unternehmen Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in erster Linie, weil es gesetzlich vorgeschrieben ist. Der wirtschaftliche Nutzen einer gesunden Belegschaft ist vielen Führungskräften offenbar zu wenig bewusst – trotz der steigenden Zahl von psychischen Erkrankungen, dem demographischem Wandel und dem Fachkräftemangel. Der deutschen Wirtschaft entsteht nach offiziellen Zahlen durch Arbeitsunfähigkeit ein volkswirtschaftlicher Schaden von 43 Mrd. Euro.

„Der technische Arbeitsschutz ist rechtlich klar geregelt, gegen ungesunden Stress gibt es aber keine vergleichbaren Gesetze“, erläutert Sebastian Bartels, DEKRA Konzernbeauftragter Arbeits- und Gesundheitsschutz. „Hier sind die Unternehmen in der Pflicht, ihre Aufgabe selbst wahrzunehmen und ein System zu installieren, das beispielsweise Fällen von Burnout vorbeugt.“ In einem so genannten betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) werden alle technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz systematisch gebündelt, als Regel festgeschrieben und deren Einhaltung überwacht.

So zeigt das DEKRA Arbeitssicherheitsbarometer 2011, für das über 600 Unternehmen befragt wurden, deutliche Defizite im Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Unternehmen. Nur ein Drittel der Firmen nennt den wirtschaftlichen Nutzen als Grund, im Arbeits- und Gesundheitsschutz aktiv zu werden. Jeder zweite Befragte sieht im Verhalten seiner Belegschaft selbst die Hauptquelle für Gefährdungen, gefolgt von Stress und Unkenntnis. Einzelmaßnahmen wie Schulungen oder ausgehängte Betriebsanweisungen sind zwar üblich, werden aber selbst vom Management oft für wirkungslos gehalten.

Muskel- und Skeletterkrankungen waren 2009 nach Zahlen des AOK-Reports  2010  für die meisten Krankheitstage verantwortlich (23 Prozent). In der Statistik folgen Atemwegserkrankungen (14 Prozent), akute Verletzungen (12,3 Prozent) und psychische Erkrankungen (8,6 Prozent). Psychische Erkrankungen nehmen laut AOK dabei kontinuierlich zu: Seit 2004 soll sich die Zahl verzehnfacht haben. Bei einer Atemwegserkrankung fehlt ein Beschäftigter im Schnitt  nur 6,5 Tage, bei einer psychischen Erkrankung sind es fast 23 Tage.

Arbeitsunfall der Postmoderne

Sonntag, 3. Januar 2010 - 02:31

Seit 1996 sind psychische Belastungen als gesundheitsgefährdende Berufskrankheiten im Arbeitsschutzgesetz offiziell anerkannt. “Die Depression ist der Arbeitsunfall der Postmoderne“, formuliert plakativ Hans-Peter Unger von der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie im Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Harburg. Der Mediziner weist darauf hin, dass die Zahl der handfesten Verletzungen auch in den Industriebetrieben deutlich zurückgegangen ist. Statt dessen wachse das Risiko einer psychischen Störung.

So schrieb es Thomas Gesterkamp am 18.12.2006 in der Zeitschrift des Bundestages “Das Parlament”. Der insgesamt gute Artikel ist aber auch ein Beispiel für einen häufigen Fehler bei der Thematisierung psychischer Belastungen in den Medien. Journalisten sollten zwei Punkte beachten:

  • Psychische Belastungen sind keine Berufskrankheiten, sondern sie sind aus der Sicht des Arbeitsschutzes eine der Wirkungen, die von einem Arbeitsplatz und/oder einer Arbeitssituation ausgehen.
  • Jede Aufgabenstellung ist irgendwo auch eine psychische Belastung. Ohne psychische Belastungen gäbe es also gar keine Arbeitsplätze. Erst als Fehlbelastungen können psychische Belastungen zu Körperverletzungen führen und Krankheiten auslösen.