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Änderung des § 89 BetrVG: akkreditierte Zertifizierer

Sonntag, 19. Januar 2014 - 02:07

In der folgenden Petition an den Deutschen Bundestag geht es um Institutionen außerhalb des Betriebes, gegenüber denen der Betriebsrat (bzw. der Personalrat) in Arbeitsschutz besondere Pflichten und Rechte hat, die im Betriebsverfassungsgesetz beschrieben werden.

Petition 48712 – 19. Januar 2014

Der Deutsche Bundestag möge die folgende Erweiterung in § 89 BetrVG, Satz 2, Abs 1 beschließen:

[Der Betriebsrat] hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die bei der Deutschen Akkreditierungsstelle akkreditierten Zertifizierer und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.

 
Begründung:

Bisherige Regelung:

§ 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz
(1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden.
Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.
(2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

Zum Beispiel gemäß LV 54 (Veröffentlichung des Länderausschuss für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (LASI)), Anhang, Kapitel 5 “Umgang mit zertifizierten Systemen” gilt:

Der erfolgreiche Abschluss einer Prüfung der Wirksamkeit eines Arbeitsschutzmanagementsystems(AMS) oder vergleichbaren Systems soll zu Entlastungen bei eigeninitiierten Überwachungsmaßnahmen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb Bescheinigungen, Gütesiegel oder andere Zertifikate, die die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes bewerten, vorlegt und diese die Inhalte und Anforderungen des Nationalen Leitfadens erfüllen. Anlassbezogene Maßnahmen der zuständigen staatlichen Behörden bleiben unberührt. Über die Ergebnisse werden die Unfallversicherungsträger ggf. informiert.

Damit werden die AMS-Prüfer zu “sonstigen in Betracht kommenden Stellen”. Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) und ein AMS-Prüfer (großes Zertifizierungsunternehmen) konnten mir das jedoch nicht bestätigen. Also fehlt wichtigen Akteuren der Arbeitsschutzaufsicht eine klare Grundlage zur Wahrung des Rechts des Betriebsrates, an Audits so beteiligt zu werden, wie bei Inspektionen durch die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaft.

Die vorgeschlagene Erweiterung des Betriebsverfassungsgesetzes würde die bestehende Rechtslage so klären, dass Betriebsräte sich eine Teilnahme an Zertifizierungsaudits und Zwischenaudits (z.B. für OHSAS 18001) nicht mühevoll erkämpfen müssen. Es gab in der Vergangenheit Zertifizierungen auch von großen Betrieben, bei denen den Betriebsräten keine Gelegenheit gebenen wurde, in den entsprechenden Audits an der Darstellung der Qualität des Arbeitsschutzmanagements mitzuwirken. Auditierte Betriebe konnten so z.B. die Thematisierung eines fehlenden Gefährdungsbeurteilungsprozesses für psychische Belastungen vermeiden.

Dass AMS-Prüfer “sonstige in Betracht kommenden Stellen” im Sinn des Satz 2 in Absatz 1 sind, ist meine Interpretation. Wenn ich mich irre, dann kann die Auslagerung von Aufsichtsfunktionen von den Behörden zu privaten Zertifizierern die Mitbestimmung im Arbeitsschutz schwächen.

Ich rechne eher nicht mit einer Gesetzesänderung, aber nach meiner Erfahrung werden ernsthafte Petitionen im Petitionsausschuss des Bundestages sehr sorgfältig beantwortet. In diesem Fall könnte die Antwort klären, wie ähnlich das Verhältnis zwischen Betriebsrat und einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer dem Verhältnis ist, das der Betriebsrat zur Gewerbeaufsicht und zur Unfallversicherung hat.

Noch besser wäre diese Formulierung:

[Der Betriebsrat] hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die bei der Deutschen Akkreditierungsstelle akkreditierten Zertifizierer für Arbeitsschutzmanagementsysteme und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.

DIN SPEC 91020 nicht gültig für den Arbeitsschutz

Montag, 25. November 2013 - 22:03

Petition 47367 (Pet 1-18-09-803-000048) – 25. November 2013

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass die Bundesregierung als Anteilseigner der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) sicher stellt, dass den Unternehmen, den Gewerbeaufsichten und den im Arbeitsschutz mitbestimmenden Arbeitnehmervertretern von der DAkkS deutlich bewusst gemacht wird, dass das Deutsche Institut für Normung (DIN) keine Standards für den Arbeitsschutz zur Bearbeitung annimmt, die nach dem PAS-Verfahren erarbeitet wurden. Die DIN SPEC 91020 ist kein Arbeitsschutzstandard.

 
Begründung:

Die DIN SPEC 91020 ist ein im PAS-Verfahren erarbeiteter Standard für das “Betriebliche Gesundheitsmanagement” (BGM), der gemäß DIN ausdrücklich den Arbeitsschutz *nicht* umfassen kann. Derzeit wird nach meinem Kenntnisstand bei der DAkkS (Abteilung 6 in Frankfurt) die Akkreditierungsfähigkeit der DIN SPEC 91020 geprüft. Die überwiegend privatwirtschaftlichen Initiatoren dieses Privat-Standards werben mit hohem Aufwand für die DIN SPEC 91020 und stellen nicht genügend klar, dass eine Zertifizierung nach dieser Norm den Arbeitsschutz ausdrücklich *nicht* umfasst. Ein nach der DIN SPEC 91020 zertifiziertes betriebliches Gesundheitsmanagement eines Betriebes darf deswegen die Gewerbeaufsicht nicht dazu veranlassen, das Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) des Betriebs im Sinn beispielsweise der LASI-Veröffentlichung 54 (Anhang, S. 42) “entlastet” zu prüfen. Ein AMS darf in Folge der vom DIN klargestellten Einschränkungen *nicht* nach DIN SPEC 91020 zertifiziert werden, sondern es gelten für Zertifizierungen andere Standards wie z.B. OHSAS 18001 (und mögliche Nachfolger erarbeitet u.A. durch ISO/PC 283), ILO-OSH und OHRIS.

Siehe auch: http://blog.psybel.de/warning-din-spec-91020-is-not-a-safety-standard/

 


Antwort des Bundestages (Februar 2014):

Petition: Neue Anteilseigner der DAkkS

Mittwoch, 20. November 2013 - 08:16

Meine Petition an den deutschen Bundestag:

Petition 47175 – 19. November 2013

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, zusätzlich zum Wirtschaftsministerium auch die Ministerien für Arbeit und für Umwelt zu Gesellschaftern der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) zu bestellen. Weiterhin sollten aus dem Bereich der Wirtschaft nicht nur Vertreter der Industrie, sondern alle Sozialpartner im Kreis der Gesellschafter vertreten sein.

 
Begründung

Die DAkkS ist die nationale Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland. Bei ihr können sich privatwirtschaftliche organisierte Zertifizierungsgesellschaften akkreditieren, die in den Betrieben deutscher Unternehmen die Einhaltung verschiedener Standards überprüfen und den Betrieben ggf. diese Einhaltung bestätigen.

Die GmbH-Anteilseigner der DAkkS sind jeweils zu einem Drittel:

  1. die Bundesländer, vertreten durch die Länder Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt,
  2. die Bundesrepublik Deutschland, vertretend durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und
  3. die Deutsche Wirtschaft, vertretend durch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Nun überwacht die DAkkS aber auch Zertifizierer, die im Bereich des Umweltschutzmanagements nach ISO 14001 und im Bereich des Arbeitsschutzmanagements z.B. nach OHSAS 18001 zertifizieren. Die Interessen des Umweltschutzes und des Arbeitsschutzes sind aber im Kreis der Gesellschafter nicht so repräsentiert, wie die Interessen der Wirtschaft.

Diese Unausgewogenheit ist schädlich, denn die bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer übernehmen praktisch Teilaufgaben der überlasteten (siehe Bundestagsdrucksache 17/10229) Gewerbeaufsicht. Es besteht die Gefahr, dass ohne eine ausgewogenere Kontrolle der Zertifizierer nur wirtschaftsorientierte Akteure die Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsysteme der Wirtschaft auditieren ohne dass die Interessen der eigentlichen “Kunden” (Umwelt, Arbeitnehmer) dieser Systeme genügend berücksichtigt werden.

Dass die Wirtschaft die Wirtschaft überwacht, war bei ISO 9001 noch akzeptabel, da hier ein starkes unternehmerisches Eigeninteresse am guten Management des Geschäfts besteht. Zwar wird auch im Bereich z.B. des Arbeitsschutzes von Unternehmern geltend gemacht, dass der Schutz der Arbeitnehmer für die Wirtschaft wichtig sei, Tatsache ist jedoch, dass etwa 80% der Unternehmen über einen sehr langen Zeitraum ihrer Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz nicht gerecht wurden (siehe ebenfalls Bundestagsdrucksache 17/10229). Das Eigeninteresse der Wirtschaft am Arbeits- und Umweltschutz reicht also beobachtbar nicht aus, um nicht nur im Bereich der technischen Standards sowie des Unternehmensmanagements, sondern auch im Arbeits- und Umweltschutz eine gute Einhaltung von Schutz-Standards anzustreben.

 
Links:

  • “Entlastung” der Gewerbeaufsicht bei Vorliegen eines zertifizierten Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS): Tatsächlich kenne ich Fälle, in denen die Gewerbeaufsicht bei Vorliegen eines zertifizierten AMS nicht einmal mehr nachdenkt, wenn der Betriebsrat Zweifel an der tatsächlichen Qualität des AMS eines Betriebes hat. Die Gewerbeaufsicht verweist den Betriebsrat einfach formal auf das Zertifikat und meint, damit ihren Job getan zu haben.
            Daran sieht man, wie AMS-Zertifikate in der Praxis der Sicherheit der Arbeitnehmer schaden können: AMS-Zertifikate sedieren nicht nur die Gewerbeaufsicht, sondern es gibt sogar Betriebe, die externe Audits (z.B. Audits durch Kunden) mit der Begründung ablehnen, dass sie bereits nach OHSAS 18001 zertifiziert seien, ein zusätzlicher Audit also nicht mehr nötig sei.
            Die DAkkS soll die Zertifizierer überwachen. Da aber durch die Zusammensetzung der Anteilseigner der DAkkS die Interessen der Arbeitnehmer einen niedrigeren Stellenwert erhalten haben, als die Interessen der Arbeitgeber, ist es nun möglich, dass nach einem Zertifizierungs-Audit die Zertifikate, die von einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer erteilt wurden, den Schutz der Arbeitnehmer schwerer überprüfbar machen. Diese Konstruktion der Arbeitsschutzaufsicht ist ein Nachteil für Arbeitnehmer, aber gleichzeitig auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht für manchen Unternehmer das Hauptmotiv, sein AMS zertifizieren zu lassen.
  • Demontage der Gewerbeaufsicht
  • Geschwächte Aufsicht
  • Wie deutsche Zertifizierer von den Niederlanden lernen könnte
  • Gesetze zur Akkreditierung

 


Gemäß der Antwort des Petitionsausschusses (2014-01-27) ist es möglich, dass meine Petition auf falschen Annahmen beruht. Die Begründungen des Petitionsausschusses des Bundestages sind auch bei der Ablehnung von Eingaben immer sehr hilfreich. Respekt. Aber trotzdem halte ich es für möglich, dass die Zusammensetzung der Anteilseigner der DAkkS die kritische Distanz der DAkkS zur Wirtschaft zu sehr verringert.
 

DGUV Vorschrift 2 verschlechtert Arbeitsschutz

Donnerstag, 23. Februar 2012 - 06:50

https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2011/_11/_08/Petition_21011.html

Der Deutsche Bundestag möge prüfen, ob die Unfallverhütungsvorschrift “Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit” (DGUV Vorschrift 2) der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten (BGN) den mit dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASIG) verfolgten Zweck (Arbeitsschutz und Unfallverhütung) erreicht.

 
Aus der Begründung:

[...] Nicht die Gefährdungslage des Betriebes, sondern die Entscheidung des Unternehmers, welches Modell er einsetzt, wird über das Niveau an Arbeitsschutz und Unfallverhütung in einem Betrieb entscheiden. Der Umfang des Einsatzes von Expertenwissen sollte sich an der potentiellen Gefährdungslage orientieren. Es dürfen nicht finanzielle Interessen eines Unternehmers Einfluss auf das Niveau des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung erlangen. [...]

Siehe auch: https://www.openpetition.de/petition/online/arbeitsschutz-novellierung-der-unfallverhuetungsvorschrift-zum-arbeitssicherheitsgesetz

Jobfit Petition

Mittwoch, 23. November 2011 - 07:00

http://job-fit.net/index.php/petition

… Die Bundesrepublik Deutschland braucht leistungsfähige Arbeitnehmer, um sich im globalen Wettbewerb zu behaupten. Trotzdem lassen wir es zu, dass viele Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden – aufgrund von Erkrankungen, die durch einfache Präventionsmaßnahmen vermeidbar wären. Dabei zeigt die Erfolgsgeschichte des klassischen Arbeitsschutzes, wie effektiv Prävention hier Abhilfe schaffen kann. Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) und der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) möchten ihre Erfahrung und Expertise mit in diese Diskussion einbringen. …

Die Petitionsaktion ist schon ganz in Ordnung. Sie lenkt aber auch von der Tatsache ab, dass es den Präventionsansatz schon seit 1996 gibt. Es ist die Mehrheit der Arbeitgeber, die sich dagegen gesperrt hat. Und jetzt tun sie so, als hätten sie die Prävention erfunden.

Darauf nehmen wir zur Beruhigung einen Kräuterzucker und denken an mutigere Stellungnahmen der Betriebsärzte: http://blog.psybel.de/2009/08/10/position-von-betriebsaerzten-und-gewerkschaft/. Vielleicht ging das aber schon zu weit, denn im Gegensatz zum gewöhnlichen Rechtsbrecher muss man bei Unternehmen vorsichtig sein, dass man sie nicht mit Kritik verärgert. Wir leben heute eben in einer Edel-Anarchie, in der Unternehmen sich erst dann freundlicherweise an die Vorschriften halten, wenn man sie von wirtschaftlichen Vorteilen überzeugt. Und so setzen dann auch viele Betriebsärzte auf den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit. Dass es nicht in Ordnung ist, Menschen durch Fehlbelastungen zu verletzen, reicht heute als Argument wohl nicht mehr aus.

Petition an den Bundestag: Betrieblicher Arbeitsschutz – Psychische Belastungen

Donnerstag, 2. Dezember 2010 - 21:30

Die Petition wurde abgelehnt. Die Ablehnung wurde sorgfältig begründet: Mit der Antwort stellte der Bundestag bereits im Jahr 2009 klar, dass psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen sind.

Petition eingereicht: 2009-01-18
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2009/_01/_18/Petition_1902.nc.html

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, den tatsächlichen Grad des Einbezugs psychischer Belastungen in die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in deutschen Unternehmen durch entsprechende Dienste oder Beauftragte des Bundestages feststellen zu lassen und im Fall einer mangelhaften Umsetzung der Arbeitsschutzgesetzes und vergleichbarer Gesetzte und Vorschriften die personelle Situation der Aufsichtsbehörden so zu verbessern, dass sie ihrer Aufsichtspflicht auch praktisch nachkommen könne

Begründung: Nur ein kleiner Teil der Unternehmen in Deutschland kommt seinen Verpflichtungen nach, auch psychomentale Belastungen (Begriff “psychomentale Belastung”: Zusammensetzung aus “mentaler Belastung” entsprechend der englischsprachigen EN ISO 10075 Norm und “psychischer Belastung” entsprechend der deutschsprachinen EN ISO 10075 Norm) in den Arbeitsschutz mit einzubeziehen. Konkret drückt sich das dadurch aus, dass nur sehr wenige Betriebe in Deutschland die mit Arbeitsaufgaben und Arbeitsplätzen verbundenen psychomentale Belastungen in Gefährdungsbeurteilungen beschreiben (was nur ein erster Schritt ist). Abgesehen von der Gefährdung, die langjährig nicht wirklich umgesetzte Gesetze für die Rechtsstaatlichkeit schlechthin darstellen, bauen sich hier angesichts der Veränderungen der Arbeitswelt neue Hindernisse und Gefahren für wirtschaftliches Wachstum auf. Grundlage der gängigen Wachstumstheorien ist Innovation, also das Ergebnis psychomentaler Belastung. Darum muss das Verständnis dieser Belastungsart und die Durchsetzung der menschengerechten Gestaltung der Arbeit höchste Priorität bekommen. Auch könnte die jetzige “Wirtschaftskrise” auf einen hohen Grad an Ernüchterung und Erschöpfung von Arbeitnehmern (einschließlich Ihrer Führungskräfte) zurückzuführen sein. Dabei ist das Thema der psychomentalen Arbeitsbelastung inzwischen recht gut erforscht und sollte nicht erst dann angegangen werden, wenn für Krankenkassen, Sozialversicherungen usw. durch psychomentale Fehlbelastungen verursachte Kosten zu hoch werden.

Antwort des Bundestages (Petitionsausschuss):

Betrieblicher Arbeitsschutz

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 25.02.2010 abschließend beraten und beschlossen:

Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Begründung

Der Petent fordert, den tatsächlichen Grad des Einbezugs psychischer Belastungen in die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in deutschen Unternehmen durch entsprechende Dienste oder Beauftragte des Bundestages feststellen zu lassen und im Fall einer mangelhaften Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes und vergleichbarer Gesetze und Vorschriften die personelle Situation der Aufsichtsbehörden so zu verbessern, dass sie ihrer Aufsichtspflicht auch praktisch nachkommen können.

Zur Begründung führt der Petent im Wesentlichen an, dass bisher nur ein kleiner Teil der Unternehmen in Deutschland seinen Verpflichtungen nachkäme, psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Petitionsausschusses eingestellt. Sie wurde von 364 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen acht Diskussionsbeiträge ein.

Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eingeholt. Darin führt das BMAS im Wesentlichen aus, dass es die Auffassung des Petenten teile, dass das Thema Psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes sei. Dem BMAS sei auch die Bedeutung des Themas bekannt. Die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung der psychischen Komponente bei der Gefährdungsbeurteilung werde daher grundsätzlich unterstützt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Petenten eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

In seiner parlamentarischen Prüfung kommt der Petitionsausschuss zu folgendem Ergebnis:

Der Begriff “Psychische Belastungen” ist in der DIN EN ISO 10075 definiert als “die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch (seelisch) auf ihn einwirken”.

Mit “psychischen Fehlbelastungen” sind dagegen Anforderungen und Belastungen gemeint, die in ihrer Ausprägung bei Beschäftigten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Berufliche Anforderungen können eine Herausforderung darstellen und bei erfolgreicher Bewältigung zu Arbeitszufriedenheit führen. Unstreitig können psychische Fehlbelastungen in der Arbeitswelt zu gesundheitlichen Problemen bei den Beschäftigten und zu krankheitsbedingten Folgekosten in erheblichem Ausmaß führen.

Im Rahmen einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) über Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen wurden die gesamt- wirtschaftlichen Kosten für psychische Belastungsfolgen in Deutschland im Jahr 1998 auf 11,1 Mrd. Euro direkte und 26,2 Mrd. Euro indirekte Kosten geschätzt. Für das Jahr 2004 ergibt sich eine Schätzung von 18,6 Mrd. Euro bzw. 25,3 Mrd. Euro Kosten.

Die vorläufigen Ergebnisse des aktuellen BAuA-Forschungsprojekts “Aufarbeitung Gefährdungsbeurteilung bei Umsetzung der zur Erfahrungen betrieblicher psychischen Belastungen” lassen Tendenzen hinsichtlich des tatsächliche Umsetzungsgrades der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) zu den psychischen Fehlbelastungen erkennen. Eine im Rahmen dieses Projektes durchgeführte Befragung von Betriebsräten in der metallverarbeitenden Industrie Baden-Württembergs hat ergeben, dass 87 % der Betriebe eine Gefährdungs- beurteilung vorweisen konnten, allerdings nur 33 % der Betriebe unter Berücksichtigung der psychischen Fehlbelastungen.

Dem Ziel der stärkeren Berücksichtigung der psychischen Komponente der Gefährdungsbeurteilung dienen die Aktivitäten des Bundes im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Die GDA beinhaltet das abgestimmte Vorgehen von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern (UVT) im Arbeitsschutz durch die Vereinbarung von gemeinsamen Zielen und die Verfolgung kooperativer Strategien und Aufsichtsverfahren. Für die Handlungsperiode 2008 2012 wurde der Komplex “Psychische Belastungen” in das Arbeitsprogramm der GDA mit aufgenommen. Die Zieldefinitionen enthalten in mehreren Projekten die psychischen Fehlbelastungen als Querschnittsziele und verdeutlichen so deren hohen Stellenwert. Überdies nimmt das Thema auch im Rahmen der von der Bundesregierung im Jahre 2001 ins Leben gerufenen “Initiative Neue Qualität der Arbeit” (INQA) breiten Raum ein. So gibt es verschiedene Publikationen, die sich dem Thema widmen und den betrieblichen Akteuren Wissen vermitteln und praktische Handlungshilfen an die Hand geben.

Hinsichtlich des Anliegens, die personelle Situation der Aufsichtsbehörden zu verbessern, ist festzuhalten, dass der Vollzug des staatlichen Arbeitsschutzrechts grundsätzlich Sache der Bundesländer ist. Der Aufbau und die Organisation der Arbeitsschutzbehörden liegen in der Verantwortung der Länder. Es ist nicht Aufgabe des Bundes, den Ländern z. B. hinsichtlich der Anzahl der Aufsichtsbeamten oder der Einzelheiten der Verwaltungsorganisation Vorgaben zu machen.

Auch der tatsächliche Umsetzungsgrad der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) hinsichtlich psychischer Fehlbelastungen kann letztlich nur von den für die Überwachung des Arbeitsschutzes zuständigen Instanzen eingeschätzt werden. Dies sind die Arbeitsschutzbehörden der Länder und die UVT. Den UVT steht bei der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren “mit allen geeigneten Mitteln” im Rahmen der Selbstverwaltung ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu.

Auf der Ebene der Bundesländer und damit der Arbeitsschutzbehörden ist der Handlungsbedarf hinsichtlich der Berücksichtigung der psychischen Komponente der Gefährdungsbeurteilung erkannt. Die Länder führen Schulungen und Schwerpunktaktionen zu psychischen Belastungen in verschiedenen Branchen durch. Vom Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik wurde ein Leitfaden zur besseren Berücksichtigung psychischer Belastungen in der Arbeitsschutz-Revision erarbeitet. [Die LV 52 vom Oktober 2009 war allerdings noch nicht veröffentlicht, als ich die Petition im Januar 2009 abschickte.] Weitere Aktivitäten sind die Qualifizierung der Aufsichtspersonen, die Erstellung von Verfahrensanweisungen und Unterrichtsmodulen. Mit diesen umfassenden Maßnahmen werden den Aufsichtsbeamten das nötige Wissen und die methodischen Kenntnisse zur stärkeren Berücksichtigung der psychischen Aspekte bei ihrer Tätigkeit vermittelt. Auch die UVT haben sich des Themas angenommen. So ist beim Institut Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (BGAG) ein Bereich eingerichtet, der zum Thema “Psychische Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz” forscht und berät.

Mit den aufgezeigten Aktivitäten der Akteure des staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzes sind wichtige Weichenstellungen getroffen worden, das Thema auch in den Betrieben weiter voranzubringen und die Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter für das Themenfeld zu sensibilisieren. Damit wird die stärkere Einbeziehung psychischer Fehlbelastungen bei der Gefährdungsbeurteilung weiter unterstützt und gefördert sowie dem Thema die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet.

Der Petitionsausschuss hat das Vorbringen des Petenten geprüft. Er hält die geltende Rechtslage zum Arbeitsschutz insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit der Bundesländer und selbstverwalteten gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand – für sachgerecht.

Da die Petition nach Auffassung des Ausschusses keine wesentlichen neue Aspekte enthält, die nicht bereits bekannt sind, sieht er davon ab, sie den Landesvolksvertretungen und den selbstverwalteten gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand als Material für weitere Beratungen zuzuleiten.

Der Petitionsausschuss empfiehlt, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen des Petenten nicht entsprochen werden konnte.

(Anmerkung in eckigen Klammern, Links und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

Links:

Aufbewahrungspflicht für Gefährdungsanalysedokumente

Samstag, 27. Februar 2010 - 19:17

https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=10213

Petition: Betrieblicher Arbeitsschutz – Aufbewahrungspflicht für Gefährdungsanalysedokumente (Gefahrstoffverordnung) vom 22.02.2010 (Angela Vogel)

Text der Petition

Der Deutsche Bundestag möge die Bundesregierung beauftragen,
1. die Pflicht für Arbeitgeber wieder in der GefahrstoffVO zu verankern, die Dokumentation der betrieblichen Gefährdungsanalysen und der Gesundheitsschutzmaßnahmen für ihre Beschäftigten drei Jahrzehnte lang aufzubewahren;
2. gesetzlich zu regeln, die Dokumentationen auf langlebigen Datenträgern anschließend bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin für Beweissicherungszwecke und die Forschung zu archivieren

Begründung

Die vom Verordnungsgeber 2004 ausgesetzte Pflicht zur Aufbewahrung der Dokumentationen der betrieblichen Gefährdungsanalysen und Schutzmaßnahmen hat gravierende Folgen. Sie
a) verletzt die Übereinkunft Nr. 170 der ILO von 1990, die auch die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert hat.
b) unterläuft alle staatlichen (u.a.) Kontrollen, ob die Unternehmen ihren Verpflichtungen tatsächlich nachkommen, die Gefährdungen in ihren Betrieben zu dokumentieren und ihre MitarbeiterInnen davor – oft genug auch sich selbst – angemessen zu schützen.
c) stellt Beschäftigte, die mutmaßlich arbeitsbedingt erkrankt sind, noch viel weit gehender beweislos als zuvor. ArbeitnehmerInnen können die beruflichen Ursächlichkeiten ihrer Erkrankungen/Gesundheitsschäden nicht nachweisen, weil die Dokumentationen ihrer Arbeitsplatzgefährdungen vernichtet sind. Bei Erkrankungen mit langen Latenzzeiten wie bestimmten Krebsarten ist das besonders bedrückend.
d) verletzt einmal mehr das Rechts- und Sozialstaatsprinzip. Die fehlende Aufbewahrungspflicht stellt geschädigte ArbeitnehmerInnen chancen-los, a) ihre Rechte verwirklichen (Rechtsstaatsprinzip) und b) den Schutz der (sozialstaatlichen) Gesetzlichen Unfallversicherung (Sozialstaatsprinzip) tatsächlich erhalten zu können.
e) be- und verhindert die toxikologische und fachmedizinische Forschung. Kausalitäten zwischen betrieblichen Einwirkungen und Gesundheitsschäden sind empirisch kaum mehr zu rekonstruieren. Die Datenbasis fehlt oder ist zu klein.
f) be- und verhindert die rechtliche Vorgabe der Weiterentwicklung des geltenden Berufs- und Arbeitsunfallrechts. Neue Erkenntnisse über industriell produzierte und/oder verwertete Substanzen und Zubereitungen können entweder gar nicht oder nur mit sehr viel mehr Kosten- und Zeitaufwand gewonnen werden.
g) verstärkt die Schutzverweigerungen der GUV und damit den sozialstaatlich schon zuvor kaum zu vertretenden Kostentransfer für betrieblich verursachte Gesundheitsschäden. Es werden die anderen Sozialversicherungen finanziell noch mehr belastet, d.h. vor allem die Gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung, aber auch die Kommunen und die Bundesanstalt für Arbeit im Bereich von ALG II (HARTZ IV).

Wichtig ist so eine Aufbewahrung auch wegen der möglichen Langzeitfolgen psychischer Fehlbelastungen. Was sich allerdings bei vielen Unternehmen ziemlich einfach nachweisen lässt, ist das komplette Fehlen des Einbezugs psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung.