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Ausrede Burn-out

Samstag, 28. Juli 2012 - 13:43

Dr. Herbert Hanselmann schrieb dem manager magazin zu dessen “Burn-out-Ranking” (2012-06). Das Magazin veröffentlichte das dann als Leserbrief (2012-08). Wo Hanselmann sich auskennt, hat er recht: Der High-Tech-Unternehmer beherrscht Statistik und hinterfragt die Methode, auf der das “Ranking” basiert. (Ich halte die Extrapolationen des Magazins auch für gewagt.)

Seine Haltung zum Burnout-Thema war kritisch. Er gab ein Beispiel für zwei Burn-out-Fälle in seinem schon ziemlich großen Unternehmen, mit denen verantwortlich umgegangen wurde. Der Unternehmer wies aber auch darauf hin, dass “Burn-Out” Gelegenheit für Ausreden böte. Ich meine, dass das zutrifft. Gerade darum ist es aber wichtig, dass ein guter Arbeitsschutz existiert, in den auch psychische Belastungen einbezogen sind. Der ganzheitliche Arbeitsschutz deckt auch den Bereich der psychischen Belastungen ab und sorgt so dafür, das Burn-out nicht als Ausrede verwendet werden kann.

In Herbert Hanselmanns Unternehmen gibt es keinen Betriebsrat, der beim Einbezug psychischer Belastungen mitbestimmen könnte. Es gibt Unternehmen, in denen die Mitarbeiter so zufrieden sind, dass sie sich keinen Betriebsrat wünschen. Häufig sind das Firmen, die einem Chef gehören, der sich für seine Mitarbeiter verantwortlicher fühlt, als das in Unternehmen der Fall ist, in denen die Top-Manager firmenfrenden Investoren untergeordnet sind. Es gibt jedoch auch Unternehmen, bei denen der fehlende Einbezug psychische Belastung in den Arbeitsschutz sogar der Grund für eine Betriebsratsgründung war.

Überarbeitet: 2012-08-05

Dax-Konzerne im Vergleich

Samstag, 21. Juli 2012 - 17:34

Der Artikel im manager magazin 2012-06 ist on-line.
 

  1. Teil: Stilles Drama
  2. Teil: Die traurigen Spitzenreiter
  3. Teil: Die Burn-out-Ursachen liegen nicht nur im Job
  4. Teil: Die Mittelmanager tragen das größte Risiko
  5. Teil: Bemühungen von Wirtschaft und Politik
  6. Teil: Ranking: Dax-Konzerne im Vergleich – wo Burn-out am häufigsten auftritt

 
Kritik:

  • Nicole Hövel (http://www.newsummits.de/single-view/article/dax-ranking-zu-burnout-im-manager-magazin-oder-wie-luegt-man-mit-statistik/):
    … Unzureichende Basis der Schätzung: Die einzige Angabe über die Schätzung von Ober- und Untergrenze der Burnout-Zahlen ist die, dass die Basis des Rankings durch die Zahl der Patienten in stationärer Behandlung der Asklepios-Klinikkette bestimmt wird. Es fehlen Angaben zur Stichprobengröße, zum Erhebungszeitraum, zum Umgang mit Patienten in ambulanter Behandlung oder denjenigen, die drei bis vier Monate auf einen Behandlungsplatz warten. Angaben zur Abgrenzung bzw. Integration anderer stressbedingter psychischer Störungen wie der Depression fehlen ebenfalls. Und das wäre entscheidend, da Burnout in keinem offiziellen diagnostischen Manual als Krankheit geführt wird. …

 
-> Andere Artikel in blog.psybel.de zum Thema

Karriereverweigerer

Freitag, 20. Juli 2012 - 23:43

http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/0,2828,845478,00.html

Work-Life-Balance
Immer mehr Karriereverweigerer
Von Klaus Werle

… Umfrage des Deutschen Führungskräfteverbands (ULA), deren Ergebnisse manager magazin in seiner aktuellen Ausgabe veröffentlicht (ab 20. Juli am Kiosk). Darin sehen 80 Prozent der befragten Fach- und Führungskräfte den Wunsch nach echter Work-Life-Balance bei den aktuellen Berufseinsteigern als “stark ausgeprägt”. Hingegen bewerten fast zwei Drittel die Bereitschaft dieser “Generation Y”, berufliche Ziele über private Belange zu stellen, als “schwach ausgeprägt”. …

Maßnahmen der DAX-Unternehmen

Freitag, 15. Juni 2012 - 07:45

http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/burnout-was-dax-unternehmen-dagegen-tun-a-838241.html

… Die Reaktionen auf das Burnout-Ranking der Dax-Unternehmen, das manager magazin in seiner aktuellen Ausgabe veröffentlicht, waren zweigeteilt: Offiziell hüllten sich die meisten Konzerne in Schweigen. Doch in vielen inoffiziellen Gesprächen, in Leserbriefen und E-Mails konnten zahlreiche Mitarbeiter ihre Genugtuung kaum verbergen: Endlich werde die Krankheit nicht nur abstrakt beschrieben, sondern mit der konkreten Zuordnung von Fallzahlen zu einzelnen Firmen auch auf die Agenda der Konzerne gesetzt. …

… Die Maßnahmen, die die Unternehmen gegen die Erschöpfungskrankheit am Arbeitsplatz einsetzen oder einzusetzen planen, sind in weiten Teilen ähnlich. Medizinische Check-ups und Sport, Vorsorgeuntersuchungen, Seminare zur Stressbewältigung oder Beratungs-Hotlines werden angeboten. Einige Firmen machen Gesundheit und Stress zum Thema regelmäßiger Mitarbeiterbefragungen. Andere, darunter auch die Allianz, führen die gesetzliche Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz durch.

Das ist lobenswert, doch abgesehen davon, dass Politiker dies seit langem fordern, kommt die Maßnahme für die vielen Beschäftigten, die bereits an Burnout leiden, leider zu spät. …

Der SPIEGEL verfolgt das vom manager magazin (Mitglied der SPIEGEL-Gruppe) mit seinem Burn-out-Ranking aufgegriffene Thema weiter.

Zu den “Maßnahmen” mache ich wieder einmal auf http://www.arbeitstattstress.de/2011/11/schutz-vor-selbst-ausbeutung/ aufmerksam. Es gibt eine klare Maßnahmenhierarchie. Unternehmen, die diese Hierarchie nicht beachten, versuchen sich um ihre Pflichten herumzudrücken.

“Erschöpfungskrankheit am Arbeitsplatz” ist eine vernünftiger Begriff. Mit der Zeit werden wir zu diesem Thema vielleicht häufiger eine solche Wortwahl sehen.

Nun zu den Politikern: Sie sind es im Wesentlichen, die dafür verantwortlich sind, dass die Unternehmen seit 1996 weitgehend unbelästigt von Kontrollen das Arbeitschutzgesetz missachten konnten. Es waren die Politiker, die die Aufsichtsdienste wegen der Haushaltslage immer weiter abbauten, weil sie ideologiegetrieben glaubten, dass Unternehmen sich aus eigener Einsicht an die Schutzvorschriften halten.

Mit “… kommt die Maßnahme für die vielen Beschäftigten, die bereits an Burnout leiden, leider zu spät …” trifft der SPIEGEL einen wichtigen Punkt. Manche Unternehmen meinen, dass man die Vergangenheit vergessen könne, wenn man sich jetzt doch bereitfände, die Vorschriften zu respektieren. Aber die in der Vergangenheit begangenen Schädigungen von Mitarbeitern treten als psychische Erkrankung oft erst einige Jahre später in Erscheinung.

-> Andere Artikel zum Thema

Konsequenzen aus dem Burn-out-Ranking

Dienstag, 12. Juni 2012 - 21:49

Fortsetzung von http://blog.psybel.de/2012/06/08/manager-magazin-burn-out-ranking/:

Habe mit heute einmal die Tabelle angesehen: Die Asklepios-Kliniken vermuten, dass von von den mehr als 1,5 Millionen Mitarbeitern in DAX-Unternehmen etwa 47000 bis 100000 Mitarbeiter vom Burn-out betroffen sind. Das sind etwa 3.1% bis 6.4%, also im Durchschnitt 4.7%. Basis ist eine im manager magazin 2012-06 veröffentlichte Tabelle - mit allerdings ziemlich mutigen Extrapolationen möglicherweise etwas magerer Daten.

Auch etwas belastbarere Daten zeigen, dass so abschreckend der angeblich seit schon vielen Jahren mögliche “knallharte Strafkatalog” nicht zu wirken scheint. Es wird vermutlich sogar keine einzige knallharte Strafe für eine von mangelhafter Prävention verursachte psychische Erkrankung gegeben haben.

Die Beunruhigungspille der Ministerin Ursula von der Leyen ist in Wirklichkeit eine Beruhigungspille an die Unternehmer: Ernstaft unternimmt die Politik nichts. Sie wedelt nur ein bisschen mit einem Strafkatalog zur Volksberuhigung, wird die ernsthafte Anwendung dieses Katalogs aber auch weiterhin bremsen.

Die eigentliche Konsequenz aus dem Burn-out-Ranking ist, dass Prävention ernsthafter betrieben und genauer beurteilt werden muss. Das ist zuverlässiger als gewagte Statistiken:

  • Ernsthafte und kompetente Kontrollen der Unternehmen durch Aufsichtsbehörden.
  • Überprüfung der Übereinstimmung der Prozessbeschreibung eines Unternehmens zur Umsetzung der Bildschirmarbeitsverordnung mit der tatsächlichen Umsetzungspraxis.
  • Veröffentlichung der Protokolle von behördlichen Kontrollen eines Unternehmens an alle Mitarbeiter des Unternehmens (also nicht nur an den Betriebsrat).
  • Ernsthafte Überprüfung der vorgeschriebenen Arbeitsschutz-Dokumentation und darin insbesondere der Gefährdungsbeurteilungen. (Kennen und Verstehen die Mitarbeiter den Inhalt und die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilungen zu ihren Arbeitsplätzen inzbesondere hinsichtlich des Einbezugs psychischer Belastungen? Kennen sie die Bildschirmarbeitsverordnung und wird sie tatsächlich eingehalten?)
  • Ernsthafte Überprüfung der vorgeschriebenen Arbeitsschutz-Unterweisungen an das untere Management. (Versucht das Top-Management, Verantwortung in das untere Management zu verlagern, ohne die Mitarbeiter und Vorgesetzten über ihre Pflichten und Rechte aufzuklären? Werden nur Webtrainings gegeben, die wenig wirksame Pflichtübungen zum formalen Abhaken von Vorschriften sind?)
  • Proaktive behördliche Unterstützung der Betriebsräte bei der Ausübung der Pflicht zur Mitbestimmung im Arbeitsschutz. (Betriebsräte sind angesichts der Realität des Umgangs mit dem Arbeitsrecht und mit den Schutzrechten für Arbeitnehmer in Deutschland in einer Zwickmühle: Sprechen sie im Betrieb Regelwidrigkeiten an, dann beschwert sich die Arbeitgeberin, der Betriebsrat würde die harmonische Zusammenarbeit stören und Führungskräfte persönlich angreifen. Halten sie sich zurück - womöglich in Anwesenheit von Aufsichtspersonen der Berufsgenossenschaften oder der Gewerbeaufsicht -, dann missachten sie ihre Pflicht zum Schutz der Mitarbeiter und geben u.U. auch noch stillschweigend ihr Einverständnis zu Dingen, mit denen sie nicht einverstanden sein dürfen.)
  • Stärkung der Unabhängigkeit von Betriebsärzten und Arbeitsschutzbeauftragten. (Der Arbeitgeber hat auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge zu sorgen. Wie kommt es, dass diese Vorschrift (§3 ArbMedVV) von der Mehrheit der Unternehmen in Deutschland beim Einbezug psychischen Belastungen in den Arbeitsschutz noch nicht beachtet wird? Haben die Betriebsärzte Angst, eine vollständige Gefährdungsbeurteilung einzufordern, obwohl ihnen die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung als Grundlage der Primärprävention bekannt ist? Was haben sie zu befürchten, wenn sie den Arbeitgeber auffordern, ihnen diese Grundlage nicht weiterhin zu verwehren? Entstehen den Arbeitsschutzbeauftragten Nachteile, wenn sie psychische Belastungen (unter Beachtung der betrieblichen Mitbestimmung) in Gefährdungsbeurteilung einbeziehen und damit ihre Aufgabe pflichtgemäß erfüllen?)
  • Haftung des Unternehmens gegenüber psychisch erkrankten Mitarbeitern mit Erschöpfungsdepression schon dann, wenn der Arbeitgeber zwar nur ein möglicher Mitverursacher der Erkrankung ist, aber dazu aktuell oder in den Jahren vor der Erkrankung (deswegen müssen auch vergangene Pflichtverletzungen in den Unternehmen untersucht werden!) noch erhebliche Mängel beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz festgestellt wurden. Wichtig wäre es auch, dass Berufsgenossenschaften, Berufsunfähigkeitsversichererer und Krankenversicherer sich leichter Versicherungsleistungen erstatten lassen können, die von fahrlässig ihre Mitarbeiter körperverletzenden Unternehmen verursacht wurden.

Wenn Unternehmen einen ordentlichen Arbeitsschutz betreiben, dann braucht sie irgendein “Burn-our Ranking” nicht zu interessieren.

Ich weiß nicht, ob die von Gewerkschaften geforderte Anti-Stress-Verordnung oder sonstige neue Bestimmungen etwas bringen. Eine Stärkung der Arbeitnehmervertretungen könnte helfen, mit den bestehenden Arbeitsschutzvorschriften auszukommen. Es gibt ja bereits seit 1996 ein Gesetz. Es gibt darauf aufbauende Verordnungen und gerichtliche Beschlüsse. Nur wurden die Regeln in der Praxis kaum durchgesetzt obwohl beispielsweise die Bildschirmarbeitsverordnung sehr gut überprüfbar ist. Davon wird aber kaum Gebrauch gemacht. So kann es passieren, dass Aufsichtspersonen in einem Betrieb, von dem sie wissen, das psychische Belastungen nicht ordnungsgemäß beurteilt werden, es durchgehen lassen, dass in Gefährdungsbeurteilungen steht, die Bildschirmarbeitsverordnung werde eingehalten. Uns fehlen keine Schutzgesetze, sondern der Respekt vor ihnen ist abhanden gekommen.

(Nachbearbeitung: 2011-06-17)

manager magazin: Burn-out-Ranking

Freitag, 8. Juni 2012 - 23:50

http://www.reif.org/blog/blow-up-des-employer-brandings-manager-magazin-uber-burn-out-falle-der-dax-konzerne/

… In einigen Vorstandsbüros und Employer-Branding-Abteilungen schlugen einige Köpfe auf den Tisch. Das ist der Mega-Blow-up für das Employer-Branding. Das Manager-Magazin titelt in seiner neuesten Ausgabe “Welche Konzerne ihre Mitarbeiter krank machen”. Als Deutschlands erstes Burn-out-Ranking wird der Leitartikel eingeleitet. Bisschen viel Polemik für meinen Geschmack. …

… Solche Berichte sind ein Tritt in die Magengrube des Employer-Brandings. Von solchen Botschaften erholt man sich nicht in einer Woche. Kenne die Zusammenstellung der Studie nicht im Detail. Aber woher kommen die präzisen Angaben und womit lässt sich eine solch konkrete Aussage zur Burn-out-Quote nach Unternehmen mit Zahlen untermauern? …

Die Antwort auf diese Frage von Markus K. Reif interessiert mich auch. Wie mutig sind die Extrapolationen von Asklepios?

 

Suche: http://www.google.de/search?q=Burn-out-Ranking+manager-magazin

Der Schwerpunkt des Heftes 2012-06 ist ein “Burn-out-Ranking” deutscher Unternehmen. Verwendet wurden dabei Daten von Asklepios, “Europas führender privater Klinikkette”. Die Statistik halte ich für zumindest fragwürdig. Der Artikel zum Thema ist aber schon interessant.

S. 108:

… Der Umgang mit Burn-out-Erkrankungen fällt vielen Unternehmen auch deshalb so schwer, weil sich Organisationen zwar ändern lassen, aber die Persönlichkeit des Einzelnen und seine Fähigkeit, mit Stress umzugehen, mindestens ebenso bedeutend sind. …

Organisationen lassen sich ändern? Die große Mehrheit der deutschen Unternehmen hat ja nicht einmal versucht, wenigstens die schon seit 1996 vorgeschriebenen organisatorischen Maßnahmen im Arbeitsschutz auch für die Gefährdungskategorie der psychischen Belastungen umzusetzen. Im Gegenteil, sie verstießen zunehmend vorsätzlich gegen die Regeln des Arbeitsschutzes. Da die Aufsichüberfordert war, war das anscheinend problemlos (also straflos) möglich. So läuft das heute eben.

Herrmann-Josef Lamberti (Personalvorstand der Deutschen Bank) meinte (so das manager magazin auf S. 105), das Thema der psychischen Belastung werde übertrieben und es bestünde kein Handlungsbedarf. Das zu sagen, war wohl keine gute Idee. Ob Handlungsbedarf besteht, hat nämlich in Gefährdungsbeurteilungen beurteilt zu werden, und zwar in einem vom Betriebsrat mitbestimmten Arbeitsschutzprozess nach vom Betriebsrat mitbestimmten Kriterien. Ich hoffe, dass Lamberts Ausführungen die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaft zu häufigen Besuchen bei der Deutschen Bank anregen.

Ob polemisch oder nicht, in einem Punkt haben Eva Buchhorn, Michael O.R. Kröher und Klaus Werle im manager magazin ihre Hausaufgaben gemacht: Sie fragen gezielt nach der Gefährdungsbeurteilung (S. 106):

… Die gezielte Nachfrage seitens mm, ob die Bank das seelische Belastungspotential der Arbeitsplätze analysiere, will die Bank nicht beantworten. Mitarbeitervertreter kritisierten, dass es diese Erhebungen nicht gebe: “Die Bank kuriert nur das Verhalten Einzelner, an den Verhältnissen ändert sich nichts”, heißt es. …

Klartext: Die Bank will nicht sagen, ob sie sich an die Regeln des Arbeitsschutzes hält, und der Betriebsrat sagt, dass in die im Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen psychische Belastungen nicht einbezogen werden, die Bank also die Regeln des Arbeitsschutzes missachtet. Nebenbei wird noch deutlich, dass die Bank aus der Sicht der Mitarbeitervertreter den Mitarbeitern mit individueller Verhaltensprävention zu Leibe rückt, ihnen aber die vorgeschriebene Verhältnisprävention verweigert.

Die Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung gibt es im Prinzip schon seit 1996. Darum vermittelt der folgende Absatz ein falsches Bild (S. 112):

… Dass der Kampf gegen den Burn-out die Unternehmen nicht mehr loslässt, dafür sorgt nun auch die Politik. Nach dem Willen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen soll die Analyse psychischer Belastungen, wie sie von der Commerzbank bereits realisiert werden, auch an Büroarbeitsplätzen endlich Standard werden - und nicht wie bisher auf Industriejobs beschränkt sein. …

Schon seit 1996 gab es ganz klar keine Beschränkung auf Industriejobs mehr. Hier irrt sich entweder das manager magazin oder die Arbeitsministerin oder beide irren sich zusammen. Es gab hier einmal eine entsprechende Rechtsposition der Arbeitgeber, die aber nicht mit einer Tatsache verwechselt werden sollte. Nach Auffassung beispielsweise der Berufsgenossenschafen ist der Einbezug psychischer Belastungen in die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilungen von Arbeitsplätzen schon seit langer Zeit der Standard, dem die Arbeitgeber zu folgen haben. Nur hat die Politik es bisher erlaubt, dass Arbeitgeber nicht belangt werden, selbst wenn sie sich beharrlich den Regeln des ganzheitlichen Arbeitsschutzes widersetzen.

http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/0,2828,834827,00.html

… Und von einem strategischen Gesundheitsmanagement, das etwa auch die Risiken analysiert, am Arbeitsplatz psychisch zu erkranken, sind viele Firmen noch weit entfernt. …

manager magazin online beschreibt hier einen nachhaltigen Verstoß vieler Firmen gegen die Regeln des Arbeitsschutzes. Für diese anarchischen Zustände trägt auch die Ärztin Ursula von der Leyen (zusammen mit ihren Vorgängern) eine Mitschuld..

 

Noch etwas zum manager magazin selbst: Mir schien bisher, es gäbe ein Tabu-Thema in Redaktionen: Missachtung des Arbeitsschutzes. Aber siehe da (S. 106):

… Und die Medien, die sich in zahllosen Beiträgen am Thema [Burn-out] abarbeiten, sitzen selbst im Glashaus: Die Burn-out-Quote der Branche soll etwa doppelt so hoch sein wie im Durchschnitt aller Beschäftigten. …

Hier nun kann sich das manager magazin kleine Seitenhiebe auf Mitbewerber nicht verkneifen. Im Editorial arbeitet Arno Balzer (der Chefredakteur des Magazins) mit Lust am eigenen Employer-Branding (S. 5):

… In unserer Branche ist die Quote nach Asklepios-Schätzung rund doppelt so hoch wie in der übrigen Wirtschaft. Besonders stark betroffen sei der Axel-Springer-Verlag, gefolgt vom Norddeutschen Rundfunk. Die Spiegel-Gruppe, in der auch manager magazin erscheint, weist nach Asklepios-Angaben wenige Stresspatienten auf. …

 
Das Stichwort “Geschichte” ordnete ich auch diesem Artikel zu, weil hier erstmalig ein Überblick über die Zustände in einzelnen deutschen Unternehmen veröffentlicht wurde. Die Statistik selbst ist mit Vorsicht zu genießen, aber dass das “Burn-out”-Thema einmal in dieser Weise thematisiert werden wird, hätten wir uns vor vielleicht fünf Jahren wohl so noch nicht vorgestellt.

 
Fortsetzung: http://blog.psybel.de/2012/06/15/massnahmen-der-dax-unternehmen/

 
-> Andere Artikel zum Thema

SAP-Entwickler an der Grenze der Belastbarkeit

Montag, 5. Dezember 2011 - 06:58

http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/0,2828,798354,00.htm

… SAP bestätigte die Ergebnisse [einer Umfrage] und wies darauf hin, man müsse das “Augenmerk stärker auf die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter in der Entwicklung richten”. Entsprechende Schritte seien eingeleitet worden, um die “Eigenverantwortung der Entwicklerteams” zu stärken und “mehr individuellen Gestaltungsraum” zu schaffen, sagte eine Unternehmenssprecherin.

Ein schönes Beispiel für “Neusprech” aus dem Textbausteinekasten der Unternehmenskommunikation. Das Eigenverantwortungsmantra kennen wir ja schon. Es gibt da aber noch ein paar höherpriorige Aufgaben im Arbeitsschutz, für die der Arbeitgeber die Verantwortung hat.

Nebenbei: Ich hoffe, das die Umfrage zur Veröffentlichung vorgesehen war. Ein guter Arbeitsschutz setzt eine vertrauensvolle Zudammenarbeit der Akteure im Betrieb voraus.

Kleiner Tip an den SAP-Betriebsrat (den es ja noch nicht so lange gibt): §3 Abs.1 BetrVG verpflichtet den Betriebsrat, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Ob das geschehen ist, können Mitarbeiter bei SAP selbst überprüfen, z.B. anhand der Umsetzung des §3 der Bildschirmarbeitsverordnung.