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Die Kür vor der Pflicht ist die verkehrte Reihenfolge

Samstag, 8. Dezember 2012 - 10:58

In https://www.xing.com/topics/de/betriebliches-gesundheitsmanagement-8826 weist Klaus Schomacker auf die DIN SPEC 91020 hin, eine größtenteils von Privatunternehmen vorangetriebene Spezifikation zum Betrieblichen Gesundheitsmanagemet (BGM). Sein Unternehmen bietet auch Betriebsräteschulungen an.

… Das Neueste dazu ist die DIN SPEC 91020, die die Einführung eines BGM in einem Betrieb umfassend beschreibt. Wie eine Norm es halt macht, Lücken in der Umsetzung inklusive. …

 
Ich meine, dass sich Betriebsräte zunächst mit der ILO-OSH und mit OHSAS 18001 (bzw. OHSAS 18002) befassen sollten, bevor sie sich der DIN SPEC 91020 zuwenden. Oder kürzer: Zuerst kommt der Arbeitsschutz als Pflicht, dann kommt das Betriebliche Gesundheitsmanagement als Kür. Solange beispielsweise ein Unternehmen mit einem mangelhaften Einbezug psychischer Belastungen gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes verstößt, hat das Unternehmen erst einmal seine Hausaufgaben zu erledigen, bevor freiwillige Wohltaten verteilt werden.

Außerdem gibt es in OHSAS 18001:2007 sogar einen Absatz zur Mitbestimung. In der DIN SPEC 91020 ist die Mitwirkung der Arbeitnehmer schwächer, was angesichts der fehlenden Konsensbildung bei der Entwicklung einer DIN SPEC im PAS-Verfahren ja auch nicht überraschend ist.

Eine Zertifizierung nach ILO-OSH oder OHSAS 18001 kann für international operierende Unternehmen wichtig sein. Wer noch genug Geld hat, kann dann mit einem Zertifikat zur die DIN SPEC 91020 noch ein Sahnehäubchen für sein Employer Branding draufsetzen. Außerdem gibt es hier auch eine Alternative: Der SCOHS.

Wirbt ein Unternehmen dagegen nur mit der DIN SPEC 91020 ohne sich dabei nach einem Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme zu richten, dann sollten sich Bewerber überlegen, ob das eher verhaltenspräventionsorientierte BGM eine Marginalisierung des verhältnispräventionsorientierten Arbeitsschutzes verschleiern soll.

Dann gibt es noch einen Unterschied zwischen Arbeitsschutz und BGM:

  • Pflicht: Im Arbeitsschutz zahlen die Mitarbeiter keinen Cent. Ihre Zeit für den Arbeitsschutz ist Arbeitsszeit.
  • Kür: Die praktischen Umsetzungen des BGM und der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) sollen die Mitarbeiter dagegen anregen, zur Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit Freizeit und ggf. auch Geld in ihre Gesundheit zu inverstieren. Diese Art von Fürsorge bekommt allerdings ein ziemlich schales Geschmäckle, wenn der Arbeitsschutz noch nicht ausreichend implementiert ist.

http://bgm-eup.de/?p=39 (2012-11-29): Positiv ist, dass EWALD & Partner auch OHSAS 18001 als einen für das BGM relevanten Standard erwähnen. Die DIN SPEC 91020 als “relevante Norm” zu bezeichnen ist vielleicht etwas verfrüht. Ansonsten bringt Klaus Schomacker gut auf den Punkt, was auch mich an dieser DIN SPEC stört:

… Kommentar zur Norm: Die vorliegende DIN SPEC 91020 fasst den aktuellen Diskussionsstand im betrieblichen Gesundheitsmanagement zusammen und strukturiert die Fragestellung in sinnvoller Weise. Hervorzuheben ist der Ansatz Nachhaltigkeit durch die Implementierung des BGM in die ISO 9001 zu erreichen.

Die Bedeutung der Veränderung von Firmenkultur und wertschätzender Führung ist enthalten, aber aus meiner Sicht nicht der Bedeutung entsprechend gewürdigt.

Der größte Mangel besteht in der völlig offenen Gestaltung der nachhaltigen Partizipation der Mitarbeiter im BGM-Modell.

Nicht Aufgabe der Norm, aber dennoch gravierend fehlend, ist die Beteiligung der Interessenvertretungen! Insbesondere, da die Beteiligung in nahezu allen Element erforderlich ist, das Thema gleichzeitig sehr komplex ist, besteht hier der größte Handlungsbedarf bei der Konzeption einer Einführung eines BGM. …