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Psychische Belastung – kein Thema für Siemens?

Sonntag, 9. September 2012 - 23:35

In der markigen Beschreibung http://www.industry.siemens.com/topics/global/en/system-certificates/Documents/IA_Management_Manual.pdf eines Managementhandbuchs schreibt Siemens I IA CE:

… Das Managementsystem von I IA umfasst die Themen Qualität, Umweltschutz und Arbeitssicherheit (EHS).

Indikatoren für die Wirksamkeit des Managementsystems sind die positive Geschäftsentwicklung und die hohe Kundenzufriedenheit.

Und die Mitarbeiterzufriedenheit ist kein Indikator? Oder kann man irgendwo bei Siemens nachlesen, dass für OHSAS 18001 auch die Mitarbeiter zu den Kunden gehören?

 
http://www.dialog.igmetall.de/Artikel.32+M5cfbfaf1969.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=7781:

Psychische Belastung – kein Thema für Siemens?

Man könnte meinen, dass die Thematik psychische Belastung mittlerweile abgegriffen erscheint – aber immer wieder schrecken uns Zahlen und Fakten auf und zeigen ganz deutlich, wie dramatisch diese Krankheit tatsächlich auf dem Vormarsch ist (siehe zum selben Thema).

Herunterspielen aus Kostengründen?

Positive Ansätze im Umgang mit dieser Problematik bei Siemens verliefen allerdings im Sande: Die aus Kostengründen gestoppte psychosoziale Hotline oder das ebenfalls gestoppte Hand-out für Führungskräfte hätten weitere Bausteine zur Hilfe und Unterstützung unserer Kolleginnen und Kollegen sein können. Weitere Maßnahmen wie ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung im Intranet und Ausbau der angebotenen Seminare für Führungskräfte und Mitarbeiter werden gar nicht mehr mit dem Ausschuss des Gesamtbetriebsrats besprochen. …

Die Gewerkschaft (in der ich Mitglied bin) liegt daneben: Psychische Belastung ist keine Krankheit. Ohne “psychische Belastung” (die schlechte Übersetzung des Begriffs “mental workload” in der deutschsprachigen Version der ISO EN DIN 17005 ) gäbe es keine Jobs. Das wäre dann allerdings eine psychische Fehlbelastung. Und selbst die ist keine Krankheit, sondern eine mögliche Ursache von Krankheiten.

Wenn ein Arbeitgeber Maßnahmen wie eine Befragung zur Selbsteinschätzung im Intranet und den Ausbau der angebotenen Seminare für Führungskräfte und Mitarbeiter ohne Mitbestimmung durchführt, dann läge auch er daneben, und der Betriebsrat könnte rechtlich gegen solche Straftaten vorgehen. In nach OHSAS 18001 zertifizierten Betrieben, die ihr Zertifikat nicht verlieren wollen, gibt es aber noch andere Handlungsmöglichkeiten für Arbeitnehmervertreter.

Viele Betriebe der Siemens AG sind nach OHSAS 18001:2007 zertifiziert. In den Zertifikaten können Siemensianer auch die nächsten Rezertifizierungstermine nachlesen. Und für die internen Audits gibt es Auditpläne. Macht da mal mit! Übrigens, in der großen Mehrheit der Fälle ist DQS der Zertifikator. Das Unternehmen bietet einen Beschwerdeprozess an.

Ein paar Fragen, die sich Arbeitnehmervertreter in allen nach OHSAS 18001 zertifizierten Unternehmen stellen sollten:

  • Wenn trotz mangelhaften Einbezugs psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz Zertifikate für das Arbeitsschutzmanagementsystem erteilt wurden, ist diese Nichtkonformität dann wenigstens in einem Abweichungsbericht dokumentiert worden?
  • Sprechen Zertifikatoren mit den Kunden des OHSAS 18001, also mit den Mitarbeitern und ihren Vertretern?
  • Sind die Berufsgenossenschaft und die Gewerbeaufsicht überfordert? Verlässt sich die behördliche Aufsicht darum zu leichtfertig auf Zertifikate für Managementsysteme?
  • Kennen die Betriebsräte an den Standorten und der Gesamtbetriebsrat den Standard BS OHSAS 18001 und darin das Kapitel zur Mitbestimmung?
  • Was ist der Hauptmotivator im Arbeitsschutz?
  • Warum lassen Unternehmen ihre Managementsysteme zertifizieren?
  • Sind den Betriebsräten die Berichte der internen und externen Audits bekannt?
  • Welche Dokumente wurden den Auditoren vorgelegt?
  • Werden im Widerspruch zum OHSAS 18001:2007 (Punkt 3.9 und Kapitel 4.5.3.1) nur Unfälle dokumentiert und untersucht, die der Arbeitgeber der Berufsgenossenschaft zu melden hat, oder werden (mit Beachtung der Mitbestimmung nach OHSAS 18001:2007, Kapitel 4.4.3.2) alle arbeitsbezogenen Ereignisse verhältnispräventiv analysiert und auch in der Statistik ausgewiesen, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können? (Nach OHSAS 18002:2008, Anhang, C.4 gehören auch Mobbing und Einschüchterung zu solchen Ereignissen.)
  • Kennen die Betriebsräte die Auditpläne für vergangene und zukünftige Audits?
  • Sind die Betriebsräte kompetent genug, den Arbeitgeber an seinen eigenen Maßstäben zu messen?
  • Was ist die Selbstverpflichtung eines Unternehmens nach OHSAS 18001 wert, wenn schon die Betriebsräte dieses Versprechen nicht ernst nehmen?

 
Siehe auch: https://www.google.de/search?q=psychische-belastung+”OHSAS+18001″+-psybel. Was man da findet, ist wenig beeindruckend. Betriebsräte könnten hier den Hebel ansetzen. Lesestoff: LV 52 und LV 54 und OHSAS 18002:2008 (die Umsetzungshilfe zu OHSAS 18001:2007).