Schlagwort 'BDA'

Fünf Argumente der BDA

Sonntag, 27. Januar 2013 - 12:03

“Erfolgsfaktor Psychische Gesundheit” ist ein Positionspapier der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Veöffentlichung ist sehr interessant, weil man hier die wichtigsten Argumentationsversuche der Arbeitgeber kennenlernen kann, die größtenteils schon im Jahr 2009 vorbereitet wurden. Da ist zum Beispiel
(1) die schlichte Falschdarstellung, “dass die Ursachen psychischer Erkrankungen meist außerhalb des beruflichen Umfelds liegen.” In dem Papier findet man auch den bekannten
(2) Versuch, die Bereitschaft der Unternehmer anzupreisen, bei der freiwilligen Gesundheitsförderung (das ist nicht der vorgeschriebene Gesundheitschutz) über ihren Verantwortungsbereich hinauszugehen. Die Praxis zeigt, dass dabei der der vorgeschriebene Arbeitsschutz gerne übersprungen wird.
(3) Nicht fehlen darf natürlich der Hinweis auf verbesserte Diagnosemöglichkeiten, die angeblich die Zunahme erkannter psychischer Erkrankungen erklären. Auch
(4) das an die Arbeitnehmer gerichtete Eigenverantwortungsmantra von einer Vereinigung, deren Mitglieder mehrheitlich ihrer Verantwortung nicht gerecht wurden, war schon 2009 dabei.
(5) Das fieseste Argument der Arbeitgeber ist “Arbeit stärkt psychische Gesundheit” in Verbindung mit “Arbeitslose durch psychische Störungen deutlich stärker betroffen”. Kürzlich hatte es Dieter Hundt wieder einmal mit dieser Eristik versucht. - Hier haben wir die ganze BDA-Rhetorik auf zwei Seiten zusammengesammelt, weswegen sich die Lektüre durchaus lohnt.

(Dieser Text war ursprünglich ein Absatz in http://blog.psybel.de/arbschg-aenderung-ist-eine-klarstellung/#Erfolgsfaktor)

Arbeitsschutzgestaltungsgesetz

Sonntag, 20. Januar 2013 - 07:50

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/stress-am-arbeitsplatz-maschinen-sollen-den-mitarbeitern-schwere-koerperliche-taetigkeiten-erleichtern-/7593756-3.html (2013-01-07)

… Eine Gesetzesänderung, die das Bundeskabinett kurz vor Weihnachten beschlossen hatte, soll nun zumindest das Bewusstsein für psychische Erkrankungen schärfen. Künftig soll im Arbeitsschutzgesetz stehen: „Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.“ Zudem wird die Liste der möglichen Gefährdungen um „psychische Belastungen am Arbeitsplatz“ ergänzt. Das heißt, dass die Betriebe die Mitarbeiter nicht nur vor Lärm schützten sollen, sondern auch vor eventuell belastenden Arbeitsabläufen. …

Sehr viel wird das nicht bringen. Denn das Arbeitsschutzgesetz verlangt zusammen mit der Rechtssprechung jetzt schon, dass die Betriebe die Mitarbeiter nicht nur vor Lärm schützten sollen, sondern auch vor eventuell fehlbelastenden Arbeitsabläufen. (Belastende Arbeitsabläufe kann man schlecht verbieten, weil es dann keine Arbeit mehr gäbe.) Auch gibt es z.B. Unternehmen, die psychische Belastungen schon seit längerer Zeit in ihrem Arbeitsschutzmanagementsystem auflisten, aber trotzdem noch keine mitbestimmten Verfahren für diesen Gefährdungsbereich haben. Das Problem besteht also nicht in der bisher fehlenden expliziten Erwähnung psychischer Belastungen im Text des Arbeitsschutzgesetzes, sondern in der fehlenden Umsetzung.

 
http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-D0BDA27E-50FB30AC/internet/style.xsl/pressemitteilungen-2013-11136.htm (2013-01-18)

Pressemitteilung Nr. 02/2013
IG Metall-Vorstandsmitglied Urban: “Bundesregierung springt zu kurz bei Stressprävention”
18.01.2013

Berlin – Die IG Metall hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, arbeitsbedingtem Stress und Burnout mit einer konkreten Anti-Stress-Verordnung entschlossen entgegenzuwirken. “Die vor Weihnachten beschlossenen Änderungen am Arbeitsschutzgesetz greifen viel zu kurz”, sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, am Freitag in Berlin. “Sie sind zwar ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung, im Arbeitsschutzgesetz psychische Belastungen ausdrücklich als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung zu benennen. Aber nur mit einer wirksamen Anti-Stress-Verordnung können Arbeitnehmer besser vor Überlastung und Burnout geschützt werden”.

Ohne eine solche längst fällige Rechtsverordnung bleibe aus Sicht der IG Metall weiterhin unklar, welche psychischen Belastungsfaktoren in eine Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen und nach welchen Maßgaben diese durchzuführen seien. Ebenso erfordere eine angemessene und wirkungsvolle Überwachung durch die Arbeitsschutzverwaltung konkrete Regelungen. “Eine solche Verordnung, wie sie jetzt auch von Seiten der Bundesländer gefordert wird, könnte die vorgenommene Präzisierung im Arbeitsschutzgesetz sinnvoll ergänzen”, sagte Urban. “Erst dadurch kann eine wirksame Praxishilfe und mehr Rechtssicherheit in den Betrieben entstehen.” Urban forderte die Bundesregierung und Ministerin Ursula von der Leyen erneut auf, so schnell wie möglich die Gespräche darüber fortzusetzen, um gemeinsam die eklatante Schutzlücke bei psychischen Gefährdungen schließen zu können.

 
http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article112895356/Deutsche-fuehlen-sich-im-Job-immer-staerker-gehetzt.html (2013-01-19)

… Die BDA lehnt eine “Anti-Stress-Verordnung” ab, auch das Arbeitsministerium ist skeptisch – unter anderem, weil es schwer zu definieren ist, wie genau Stress entsteht. Ende 2012 sind gerade die Begriffe “psychische Belastungen” und “psychische Gesundheit” ins Arbeitsschutzgesetz aufgenommen worden, doch die Gewerkschaften bezweifeln, dass dies eine Wirkung haben wird. …

 

Das Arbeitsschutzgesetz ist vor allem ein Arbeitsschutzgestaltungsgesetz.

Sicherlich ist es schwer zu definieren, wie genau Stress entsteht. Insbesondere muss vereinbart werden, was schädlicher Stress in einem konkreten Betrieb ist und wie er vermieden werden kann. Genau darum haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Aufgabe, das miteinander zu verhandeln. Weil die Mehrzahl dieser Arbeitsschutz-Akteure das seit 1996 nicht hinbekommt, wird nun wieder nach konkreteren Verordnungen gerufen. Solange immer noch zu viele Arbeitgeber die Mitbestimmung als Problem verstehen und nicht als ein Instrument zur Lösung von Problemen, kann das Experiment der Rahmengesetzgebung im Arbeitsschutz keine guten Ergebnisse liefern.

Die Unternehmer scheinen bis heute kaum verstanden zu haben, was die europäische Entbürokratisierungsrichtlinien für sie bedeuten, nämlich mehr Arbeit in den Betrieben. Im Jahr wurde die Aufgabe der Entwicklung von Arbeitsschutzregeln von der Legislative in die Betriebe verlegt - und dort dann offensichtlich weitgehend unberührt liegengelassen. Das Entbürokratisierungs-Experiment scheint am Widerstand der Arbeitgeber gegen die Mitbestimmung gescheitert zu sein. Dazu kommen wohl noch Wissensdefizite nicht nur bei den Arbeitgebern, sondern auch bei den Arbeitnehmervertretern. Deswegen haben wir jetzt ein hübsches Wahlkampfthema.

 


Link zu Änderungen im deutschen Arbeitsschutzgesetz: http://www.buzer.de/gesetz/954/l.htm

Klischees der Kapitalismuskritik treffen auf Dieter Hundts Hobbypsychologie

Mittwoch, 2. Januar 2013 - 22:17

http://www.bild.de/geld/wirtschaft/dieter-hundt/trotz-burn-out-arbeit-gesund-26111684.bild.html (2012-09-10)

Berlin – Nach der Debatte um immer mehr Burn-out-Kranke Arbeitnehmer hält Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt (73) dagegen.

Hundt zu BILD:

Dass Arbeit psychisch krank macht, ist falsch. Im Gegenteil: Berufstätigkeit schafft Selbstbestätigung und Anerkennung. Sie ist damit eine wichtige Basis für die psychische Gesundheit.

(Kommentare: http://www.bild.de/ka/p/ugc/26111682/comment/dsc)

Hundt hat natürlich recht, bellt aber am falschen Baum: Kein vernünftiger Arbeitsschützer und keine Forschung behauptet, dass Arbeit psychisch krank mache. Nur schlechte Arbeit macht krank. Leider gibt es aber immer wieder Leute, die eristischen Ablenkungsmanövern, wie dem von Hundt, Futter liefern:

http://www.heise.de/tp/artikel/38/38240/1.html

Die kränkelnde Arbeitsgesellschaft
Tomasz Konicz 30.12.2012
Die zunehmende Krisenkonkurrenz führt zu einer raschen Zunahme psychischer Erkrankungen bei Lohnabhängigen

“Arbeit hält gesund” – auf diesen Nenner brachte die Bild-Zeitung die Ausführungen des Präsidenten der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, der in einem Gespräch mit dem Boulevardblatt behauptete, dass Lohnarbeit unter keinen Umständen psychisch krank machen könne.

“Im Gegenteil: Berufstätigkeit schafft Selbstbestätigung und Anerkennung. Sie ist damit eine wichtige Basis für die psychische Gesundheit”, so Hundt. Wenn Lohnabhängige dennoch psychisch erkrankten, dann seien sie selbst daran schuld, führte der BDA-Chef weiter aus:

Die wesentlichen Ursachen liegen dabei in genetischen und entwicklungsbedingten Faktoren, im familiären Umfeld, im Lebensstil und im Freizeitverhalten.

Dabei wandte sich Hundt mit seiner Intervention gegen eine Fülle von Studien und Berichten, die genau das bestätigen, was der Arbeitgeberpräsident so vehement verneint: Arbeit macht krank. Um 120 Prozent sei die Zahl der psychischen Erkrankungen unter Deutschlands “Arbeitnehmern” seit 1994 angestiegen, meldete etwa das Wissenschaftliche Institut der AOK (WidO) Mitte August.

Aufgrund dieser Zunahme seelischen Leidens an den spätkapitalistischen Zuständen …

Und schon möchte ich eigentlich nicht mehr weiterlesen, tu’s aber dann doch. Ich weiß nicht, was Hundts Denken treibt. Vielleicht ein nicht mehr ganz aktueller Kenntnisstand der Psychologie? Aber mit der Ansammlung kapitalismuskritischer Klischees und Gegendummheiten (“Arbeit macht krank”) tut sich der Kritiker an Hundts Dummheiten auch keinen Gefallen. Leider kann das dazu führen, dass die interessanteren Argumente in dem Artikel von Tomasz Konicz vom Leser nicht so gut verdaut werden, wie sie es verdienen.

Nur damit es klar ist: Schlechte Arbeit macht krank. Gute Arbeit trägt dagegen tatsächlich zur Gesundheit bei. Das hilft bei der Definition von “gut” und “schlecht”.

Links:

Mehr Eigenverantwortung der Beschäftigten

Freitag, 16. März 2012 - 18:03

http://www.gutearbeit-online.de/archiv/beitraege/2009/2009_08_05_07.pdf

Arbeitgeber gegen „Neue Kultur der Arbeit“ 

Eine neue Kultur der Arbeit ist nicht erforderlich, es gibt sie schon. Im Grunde ist die Arbeitswelt völlig in Ordnung, was fehlt, ist lediglich mehr Eigenverantwortung der Beschäftigten. Mit dieser Herangehensweise haben Arbeitgeberverbände nicht nur erwartungsgemäß die Initiativen der Gewerkschaften für Gute Arbeit angegriffen, sondern auch dem gerade erst gestarteten Projekt des Bundesarbeitsministeriums für eine Neue Kultur der Arbeit in der vorgeschlagenen Form eine deutliche Absage erteilt. …

… Die vom BMAS gewählte Bezeichnung „Neue Kultur der Arbeit“ wurde von der BDA rundweg abgelehnt. Sie impliziere eine Kritik an der jetzt schon bestehenden „Kultur der Arbeit“, die nicht akzeptiert werden könne. „Menschenwürdige und menschengerechte Arbeitsbedingungen“ seien in Deutschland eine „Selbstverständlichkeit“, das Arbeitsschutzniveau sei hoch und liege „europaweit über dem Durchschnitt“. Als alternativen Titel schlug die BDA vor: „Für eine moderne Kultur der Arbeit – gemeinsam Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit sichern“. Weiter bestehende „Beschäftigungshemmnisse“ müssten beseitigt werden; dazu wird z.B. eine Fortsetzung der vergangenen Arbeitsmarkt-„Reformen“ angemahnt. Sie dürften nicht „verwässert oder rückgängig gemacht“ werden. …

… Eine auch nur vorsichtige Kritik der Kurzfristökonomie, die die Finanz-und Wirtschaftskrise maßgeblich verursacht hat, wird ebenfalls zurückgewiesen. Die BDA verlangt, den vom BMAS vorgeschlagenen Satz „Mit einer kurzfristig ausgerichteten Wettbewerbstrategie werden Unternehmen den neuen Herausforderungen immer weniger gerecht“ zu streichen. Der Satz enthalte eine „unangebrachte, verallgemeinerte Kritik an den Unternehmen“. …

Beschäftigte sollen mehr „Eigenverantwortung“ zeigen

Eine „moderne Kultur der Arbeit“, wie die Arbeitgeber sie sehen, liegt nach Auffassung der BDA „in der Verantwortung aller“, „insbesondere der Beschäftigten“. Diese „Eigenverantwortung“ der Beschäftigten wird im BDA-Papier in vielen Zusammenhängen immer wieder nachdrücklich hervorgehoben. „Eigenverantwortung“ ist ein neoliberales Lieblingsschlagwort – gemeint ist immer die Verantwortung der anderen, in diesem Fall der Beschäftigten. Der Grundgedanke des Arbeitsschutzgesetzes, dass nämlich der Arbeitgeber die Letztverantwortung dafür trägt, dass die Beschäftigten unter Bedingungen arbeiten, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden nicht beeinträchtigen, ist hier völlig aus dem Blickfeld.

So müssten die Arbeitnehmer „verstärkt Eigenverantwortung und -initiative in der beruflichen Weiterbildung übernehmen“, diese also offenbar in ihrer Freizeit und auf eigene Kosten absolvieren, weil sie selbst ja auch von ihr profitierten. Auch für den Erhalt ihrer „Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit“ sollen sie „Eigenverantwortung“ übernehmen. Sie sollen z.B. „selbst ihr Möglichstes tun, um ihre Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit bis zur Rente zu erhalten“. Auch die betriebliche Gesundheitsförderung soll dazu beitragen, die „Eigenverantwortung“ zu stärken. „Bei der Gesunderhaltung“, so heißt es im BDA-Papier weiter, „kommt es in erster Linie auf die Eigenverantwortung und die Bereitschaft des Einzelnen zur Mitwirkung an“. Bisherige Regelungen, die den Beschäftigten ein sozialverträgliches früheres Ausscheiden aus dem Arbeitsleben ermöglichen, sind so gesehen „Fehlanreize“, die diese Eigenverantwortung behindern. Selbst wenn man dem allem zustimmen würde, bliebe doch immer noch die Frage, welchen konkreten Beitrag die Arbeitgeber denn zur Gesunderhaltung der Beschäftigten zu leisten gedenken: Außer der Beteuerung, dass ja schon alles getan werde, findet sich dazu aber kein einziger Gedanke. An einigen Stellen wird lediglich auch an die Verantwortung der Politik erinnert. Die Verantwortung der Arbeitgeber selbst kommt nicht vor. …


Arbeitgeber nicht zur Prävention verpflichtet?

Schließlich wird noch fälschlich die betriebliche Gesundheitsförderung mit Prävention gleichgesetzt. Betriebliche Gesundheitsförderung sei eine freiwillige Maßnahme der Betriebe. Weiter heißt es dann: „Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und darf deshalb nicht zur Pflicht der Arbeitgeber umgemünzt werden.“ …

Werden Arbeitgeber Arbeitgeber, dann übernehmen sie damit die Veraltwortung für die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Verhältnisprävention. Der letzten Absatz zeigt jedoch, wie die BDA den seit etwa 2005 eindeutig pflichtverletzenden Umgang von etwa 70% der Arbeitgeber mit dem Arbeitsschutz zur Norm erklären möchte. Der Trick der BDA geht aber noch ein bisschen weiter: Sie sieht die Prävention als gesellschaftliche Aufgabe. Darin bettet sie auch die “Betriebliche Gesundheitsförderung” ein. Und die ist tatsächlich eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber. Arbeitgeber können solche Leistungen natürlich viel leichter einstellen oder zurücknehmen, wenn die Arbeitnehmer sich “einmischen”. “Mitbeteiligung” oder “Einbezug des Betriebsrates” finden Arbeitgeber akzeptabel, “Mitbestimmung” mögen sie nicht so sehr. Forderungen der Vertreter der Arbeitnehmer, beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz mitzubestimmen, können sie nicht so einfach mit der Rücknahme vorgeschriebener Leistungen abwehren. Das sollte hier eigentlich die Mitbestimmung sichern.

Die Strategie der Arbeitgeber ist nun, auch den vorgeschriebenen Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz in die freiwillige Gesundheitsförderung einzubauen. Bei Unternehmen, die verantwortlich handeln, ist das durchaus sinnvoll. Jedoch bei Unternehmen, in denen wichtige Regeln des Arbeitsschutzes bisher schon beharrlich missachtet wurden, könnte nun versucht werden, zwei Fliegen mit einer Klappe zu erschlagen - wenn der Betriebsrat nicht sehr kompetent und durchsetzungsfähig ist:

  • Die Verhältnispravention kann gegenüber der Verhaltensprävention leichter marginalisiert werden.
  • Die Grenzen zwischen freiwilligen und vorgeschriebenen Leistungen werden unscharfer, was wiederum die Mitbestimmung erschwert. Auf diese Weise kann die Mitbestimmung elegant behindert werden, ohne dass daraus eine Straftat wird.

Die Gesundheitsförderung wird dabei den Mitarbeitern als ein Angebot verkauft, das sie “eigenverantwortlich”, “erwachsen” und “selbstbestimmt” annehmen können - oder auch nicht. Man kann die Leute ja nicht zu ihrem Glück zwingen. Viele Arbeitgeber, die (leider auch unter den Augen der Gewerbeaufsichten, Berufsgenossenschaften und Krankenversicherungen) ihrer eigenen Verantwortung zum Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz seit vielen Jahren nachhaltig nicht gerecht wurden, könnten nun mit einer Strategie zur Vermeidung eigener Verantwortung und Haftung versuchen, die Gesundheitförderung zur Holschuld der Mitarbeiter zu machen. Wenn die Mitarbeiter diese Angebote nicht eigenverantwortlich nutzen, dann sind die Mitarbeiter daran selbst schuld.

Dazu passt, dass Topmanager ihre Spitzengehälter vorwiegend mit dem rechtfertigen, “was der Markt will”. Dann müssen solche Einkommen nicht mehr mit hoher Verantwortung begründet werden.

 
Links:

 

Immaterielle Normen

Sonntag, 11. März 2012 - 07:45

Wer bestimmt unsere Arbeitswelt? Wie konstruiert man strukturelle Verantwortungslosigkeit in der Praxis?

http://de.wikipedia.org/wiki/Kommission_Arbeitsschutz_und_Normung

Die Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) vereint seit 1994 die in Deutschland für den Arbeitsschutz relevanten Institutionen.

Sie hat die Aufgabe, die Normungsarbeit zu beobachten und die Belange des Arbeitsschutzes gegenüber der Normung zur Geltung zu bringen. Ihre Beschlüsse im Bereich von Arbeitsschutz und Normung haben den Charakter von Empfehlungen und stellen den Konsens von Sozialpartnern, Staat, Unfallversicherungsträgern (Berufsgenossenschaften) und des Deutschen Instituts für Normung e. V. dar.

Sie wird vom Verein zur Förderung der Arbeitssicherheit in Europa e. V. (VFA) und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales finanziert.

Suche: http://www.google.de/search?q=”Verein+zur+Förderung+der+Arbeitssicherheit+in+Europa”+VFA

 
Aktualisierung 2012-07-31:
http://www.kan.de/fileadmin/user_upload/docs/KANBericht/KANBericht_DE/Bericht_34/Beri34.pdf

Einflussmöglichkeiten des Arbeitsschutzes auf die ISO-Normung
KAN-Bericht 34

Verein zur Förderung der Arbeitssicherheit in Europa …

Das ist eine interessante Erläuterung, wie die Gestaltung von Normen durch Mitglieder der Normenausschüsse beeinflusst werden kann, z.B. bei der Gestaltung und Änderung der Normen ISO 10075 (psychische Belastung) und ISO 10667 (Arbeitsfähigkeit, Personaldiagnostik usw.).

 
http://www.dguv.de/inhalt/praevention/praev_netz/kan/index.jsp

Die Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN)

Technische Normen legen in vielen Bereichen sicherheitsrelevante Anforderungen z.B. an Arbeitsmittel und Prüf- und Messverfahren fest. Normen leisten damit einen wichtigen Beitrag, um Unfälle und Erkrankungen zu vermeiden. Die Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) hat die Aufgabe, die Normungsarbeit aus Sicht des Arbeitsschutzes zu begleiten und dessen Interessen in die Normung einfließen zu lassen.

In der KAN sind die Sozialpartner, der Staat, die gesetzliche Unfallversicherung und das DIN vertreten. Die KAN bündelt die Meinung der verschiedenen Arbeitsschutzkreise – gestützt auf einen breiten Konsens aller Beteiligten – und bringt diese Position über das DIN als Stellungnahmen in laufende und geplante Normungsvorhaben oder zu bereits bestehenden Normen ein. Sie selbst ist jedoch kein Normungsgremium. Auch in normungspolitischen Diskussionen vertritt die KAN die deutsche Arbeitsschutzmeinung. Zusätzlich bringen die in der KAN vertretenen deutschen Arbeitsschutzkreise ihre Positionen über ihre europäischen Partnerorganisationen in die europäische und internationale Normungsdiskussion ein.

Die KAN wird vom Verein zur Förderung der Arbeitssicherheit in Europa e.V. (VFA) getragen und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert. Mitglieder im VFA sind Berufsgenossenschaften und Unfallkassen als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung.

 
http://www.kan.de/uploads/tx_kekandocs/b32-08.pdf
(zu: 10 Jahre KAN; Datei eröffnet: 2004-03, modifiziert: 2007-03)

Reflexionen der in der KAN vertretenen Kreise 

 
Alexander Gunkel, BDA
,,Nach Auffassung der BDA gehört es zu den wichtigen Aufgaben der KAN, einer weiteren Überregulierung im Arbeitsschutz entgegenzuwirken und so einen Beitrag zum dringend notwendigen Bürokratieabbau in Deutschland zu leisten. Eine Deregulierung führt zu mehr Transparenz und Anwenderfreundlichkeit und hat somit unmittelbaren Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im europäischen und internationalen Kontext.”

 
Die europäischen Normen regeln die sicherheitstechnische Beschaffenheit von Arbeitsmitteln. Die EU legt in ihren Richtlinien keine sicherheitstechnischen Details mehr fest, sondern überlässt dies den europäischen Normungsgremien. Dadurch nimmt die Bedeutung der Europäischen Normung erheblich zu. Hier ist das Bewusstsein für die Qualität der Normen, d.h. vor allem ihre Praxistauglichkeit, zu verstärken. Das betrifft die Lesbarkeit, Transparenz und anwenderorientierte Beschaffenheit der Normen.

Kein Normungsgegenstand sind die betrieblichen Belange des Arbeitsschutzes, soweit sie Pflichten des Arbeitgebers, Rechte und Pflichten der Beschäftigten und die Organisation des Arbeitsschutzes betreffen. Diese sind europäisch und national durch verbindliche Vorschriften umfassend und abschließend geregelt. Normen für den Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes sind von Seiten der KAN in Übereinstimung mit dem Gemeinsamen Deutschen Standpunkt (GDS) grundsätzlich abzulehnen.

Die Arbeitgeber sehen in der KAN ein sinnvolles Instrument, um einer ausufernden, besonders die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) belastenden Normungstendenz entgegenzuwirken und dazu beizutragen, die Konsensfindung in Bezug auf Arbeitsschutzfragen in der Normung zu erleichtern. Darüber hinaus sehen die Arbeitgeber in der KAN eine Institution zur stärkeren Beteiligung der Sozialpartner am Normungsgeschehen und ein Gremium zur Verbesserung des Informationsflusses bei der Mandatierung von Normen, insbesondere um Fehlentwicklungen der Normung im Hinblick auf den betrieblichen Arbeitsschutz zu verhindern.

Die Entwicklungen im Bereich ,,Arbeitsschutzmanagementsysteme” haben gezeigt, wie wichtig die KAN für die Abstimmung und Durchsetzung gemeinsamer Arbeitsschutzinteressen ist. Diese Aufgabenstellung dürfte noch weiter an Bedeutung zunehmen. Mit wachsendem Trend zu ,,immateriellen Normen” (Dienstleistungsnormen, Qualitätssicherung, psychische Belastungen, auch Normung im Bereich der Ergonomie u. ä.) wird es notwendig, noch stärker im Bereich der Normungspolitik mitzuwirken, dies nicht nur auf nationaler, sondern vor allem auf europäischer und internationaler Ebene. Insbesondere muß es aber auch darum gehen, eine Ausweitung der Normung auf das sozialpolitische Feld – z.B. auf das Thema ,,soziale Verantwortung von Unternehmen” – zu verhindern.

Immaterielle Normen: Was wichtig in Unternehmen ist, ist daran erkennbar, dass auf Messbarkeit Wert gelegt wird. Ohne Normen kann nicht gemessen werden. Arbeitgeber wollen sich im Arbeitsschutz nicht messen lassen, sondern sind mehr an einer ISO/EN 10667 interesssiert, mit der an Arbeitnehmer eine “immaterielle Norm” angelegt werden soll. Die Strategie der Arbeitgeber (die nicht müde werden, Mitarbeiter an ihre “Eigenverantwortung” zu erinnern) ist also ein Ungleichgewicht der Verantwortungen zu ihrem Vorteil und zum Nachteil der Arbeitnehmer anzustreben. Aber ist das eine Überraschung? Es passt dazu, wenn Top-Manager ihre Einkommen nicht mehr mit Verantwortung rechtfertigen, sondern mit dem “Markt”.

Darüber hinaus kann die KAN dazu beitragen, einer weiteren Überregulierung im Arbeitsschutz entgegenzuwirken und so einen Beitrag zum dringend notwendigen Bürokratieabbau in Deutschland zu leisten. Eine Deregulierung führt zu mehr Transparenz und Anwenderfreundlichkeit und hat somit unmittelbaren Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im europäischen und internationalen Kontext.

Normung entbindet den Gesetzgeber von der Erarbeitung detaillierter Rechtsvorschriften. Mit dem Prinzip der Neuen Konzeption ist dies in Europa für den Bereich der Produktnormung realisiert worden. Es liegt im Interesse der Wirtschaft, diesen Ansatz auch auf die internationale Ebene zu transferieren.

Zusammengefasst: Die Arbeitgeber sehen in der KAN

  • eine Institution zur Stärkung der Beteiligung der Sozialpartner an der Normung und zur Verbesserung des Informationsflusses bezüglich Normungsvorhaben,
  • ein Gremium zur Vermeidung von Fehlentwicklungen der Normung im Hinblick auf den betrieblichen Arbeitsschutz,
  • ein wirkungsvolles Instrument zur nationalen Meinungsbildung im Bereich der arbeitsschutzrelevanten Normung,
  • ein Instrument zur Durchsetzung der nationalen Arbeitsschutzposition auf europäischer und internationaler Ebene sowie
  • ein Mittel, um der Überregulierung im Arbeitsschutz entgegen zu wirken.

(Link nachträglich eingetragen)

 
http://www.kan.de/de/normal/themen/uebergreifende-themen/normungspolitik.html#c206

Rolle der Normung in Bezug auf den betrieblichen Arbeitsschutz – Gemeinsamer Deutscher Standpunkt (GDS)
Ansprechpartnerin: Angela Janowitz

Der “Gemeinsame Deutsche Standpunkt (GDS) zur Normung im Bereich der auf Artikel 118a des EG-Vertrags gestützten Richtlinien” trägt der Tatsache Rechnung, dass in diesem sozial-politischen Bereich das Europäische Rechtssystem eine vollständige Harmonisierung nicht vorsieht. Auf europäischer Ebene stützen sowohl die Normung als auch der EU-Vertrag und die EU-Institutionen unverändert die Position, dass im Bereich der Sozialpolitik Normen grundsätzlich nur sehr begrenzt einsetzbar sind. Dennoch stellen nationale, europäische und internationale Normen immer wieder Anforderungen an den betrieblichen Arbeitsschutz. Hier gilt es, dies zu verhindern oder, wenn das nicht möglich ist, eine klare Trennung von Produktanforderungen und betriebliche Anforderungen anzustreben. Gleichzeitig aber stellt die zunehmende Internationale Normung den Arbeitsschutz vor die Aufgabe, seine Strategie zum Thema Normung und betrieblichen Arbeitsschutz weiterzuentwickeln. Als einen Schritt hat die KAN im KANBrief 2/09 die heute bestehenden Grenzen und Spielräume für betriebliche Arbeitsschutznormung dargestellt.

Weitere Informationen:

 
Deregulierung hilft den Betrieben nur dann, wenn die Arbeitgeber ihre Gestaltungspflicht ausfüllen und wenn Arbeitnehmervertretungen stark und kompetent mitbestimmen. In der Praxis zeigt sich, das die Mehrheit der Arbeitgeber ihre Freiheit, die ja mit einer Pflicht verbunden war, als Einladung zum Nichtstun verstanden hat: Selbst die Bundesarbeitsministerin bestätigt heute, dass die Arbeitgeber den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz schleifen ließen.

Salzgitter: Reha ohne ganzheitlichen Arbeitsschutz?

Mittwoch, 22. Februar 2012 - 00:08

In einer Pressemappe der BDA zu einer gemeinsamen Erklärung der BDA und der VDBW (2012-02-09) geht es auf den Seiten 29 bis 36 in einem Artikel von Birgit Leinweber (Fachärztin für Allgemeinmedizin, Leiterin des BKK MedPlus Centers ) auch um die Salzgitter AG:

Das Betriebliche Rehabilitationskonzept der Salzgitter AG

Netzwerkarbeit, die wirkt

Mit einem kompetenten Netzwerk gegen die Probleme des demographischen Wandels zu arbeiten und gegen Ressourcenverluste durch Schnittstellenprobleme anzugehen – das ist das Ziel der Netzpartner, die an dem Betrieblichen Rehabilitationskonzept (BeReKo) der Salzgitter AG beteiligt sind. Gesteuert wird das Konzept maßgeblich durch die BKK Salzgitter, die sich seit Jahren beim Aufbau und der Entwicklung geeigneter Maßnahmen engagiert hat. Die große Akzeptanz unter den Teilnehmern ermuntert nicht nur zur Fortsetzung, sondern auch zur Ausweitung des Angebots. Birgit Leineweber

EFL-Test
Die ,,Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit” (EFL) wurde in den USA entwickelt und hat sich dort außerordentlich bewährt.

PACT-Test
Der PACT-Test (Performance Assessment and Capacity Testing) wurde für die Selbsteinschätzung der körperlichen Fähigkeiten entwickelt.

Nach drei Monaten Training wird es spannend: Dann werden nämlich die drei Testverfahren erneut durchgeführt. Die Leistungssteigerung wird vermerkt und der Versicherte erhält einen neuen Trainingsplan aufgrund der aktuellen Befunderhebung.

Modul C. Dieses Modul gilt den „Sorgenkindern“ – das sind die Versicherten mit langen AU-Zeiten, schweren Beeinträchtigungen mit Komorbiditäten und einer fraglichen weiteren Einsatzfähigkeit im Betrieb.

Medizinische Wirbelsäulenanalyse ,,DAVID-Test”

AVEM-Test [siehe auch AVEM in der BAuA-Liste]
Das Testverfahren ,,Arbeitsbezogenes Verhaltens und Erlebensmuster” (AVEM) ist ein mehrdimensionaler persönlichkeitsdiagnostischer Test

(Anmerkung in eckigen Klammern und Links nachträglich eingefügt)

Die freiwillige Verhaltensprävention (individuelle Maßnahmen) und gesetzlich vorgeschriebene Verhältnisprävention (arbeitsorganisatorische Maßnahmen) ergänzen sich, aber individuelle Schutzmaßnahmen sind im Arbeitsschutz nachrangig zu allen anderen Maßnahmen.

Im Artikel der BKK geht es um verhaltenspräventiv orientierten Verfahren zum Test von individuellen Mitarbeitern. Es geht dabei eher um Leistungsfähigkeit (siehe auch ISO 10667) als um Gesundheit, nicht jedoch um die Arbeitsbedingungen und die dort zu messenden psychischen Belastungen (siehe auch ISO 10075). Ohne die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Beurteilung der Arbeitsbedingungen macht das keinen Sinn. Wo ist die Schnittstelle zum gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz? Wo ist die Schnittstelle zu den mitbestimmenden Arbeitnehmern?

Es ist bedenklich, wie sich hier eine Krankenkasse und eine Betriebsärztin auf die Wiederherstellung und Messung der Arbeitsfähigkeit konzentrieren und dabei die Prävention völlig vernachlässigen. Dass “Rehabilitation” das Thema ihres Artikels ist, entschuldigt dieses unverantwortliche Desinteresse an der Verhältnisprävention nicht. Ohne Überprüfung beispielsweise der Arbeitssituation von zu rehabilitierenden Mitarbeitern kann nicht verstanden werden, welchen Einfluss diese Arbeitssituation auf die Erkrankung haben könnte. Für eine nachhaltig gelingende Rehabilitation ist die funktionierende Verhältnisprävention eine entscheidende Voraussetzung.

Im BKK-Artikel finden sie keinen Hinweis auf eine funktionierende Verhältnisprävention als Vorraussetzung für die Verhaltensprävention. In der Pressemappe finden Sie Hinweise mit der Suche nach “Gefährdungsbeurteilung” und “IMPULS”. In Zukunft gestalten – 5 Jahre Generationen-Offensive 2025 (Salzgitter AG, S. 37-70) hat es die Salzgitter AG aber geschafft, das Wort “Gefährdungsbeurteilung” zu vermeiden, obwohl das IMPULS-Verfahren Daten dafür liefern soll. Wie der Betriebsrat mitbestimmt, wird nicht deutlich. Ein vielleicht nicht ganz ausgeschlafener Gesamtbetriebsratsvorsitzender (Christian Schwandt) hat die Broschüre trotzdem unterschrieben.

(geändert: 2012-02-23)

Bereitschaft und die Eigeninitiative der Betroffenen

Dienstag, 21. Februar 2012 - 21:59

Noch ein Blog-Beitrag zur Erklärung von der BDA und des VDBW zur Bedeutung der psychischen Gesundheit im Betrieb. (Interessant ist der Vergleich mit dem gemeinsamen Positionspapier von IG Metall und VDBW vom Mai 2009.)

Hier ist die gesamte Pressemappe der BDA: http://www.bda-online.de/www/arbeitgeber.nsf/res/Pressemappe_Psychische_Gesundheit_im_Betrieb_090212.pdf/$file/Pressemappe_Psychische_Gesundheit_im_Betrieb_090212.pdf

  • Programm [S. 2]
  • Pressemitteilung [S. 4]
  • Gemeinsame Erklärung [Bedeutung der psychischen Gesundheit im Betrieb, S. 7]
  • BDA kompakt: Erfolgsfaktor Psychische Gesundheit [Mai 2009, S. 10]
  • VDBW-Leitfaden: Psychische Gesundheit im Betrieb [S. 12]
  • Interview mit Professor Frank Jacobi (TU Dresden) [S. 24]
  • Die BKK (01/2011): Das betriebliche Rehabilitationskonzept der Salzgitter AG [Netzwerkarbeit, die wirkt, S. 29; siehe auch den Blogartikel dazu]
  • Salzgitter AG: Zukunft gestalten – 5 Jahre Generationen-Offensive 2025 [S. 37]
  • Deutsche Rentenversicherung: Medizinische Rehabilitationsleistungen im Zeitverlauf (Infografik) [S. 71]
  • DRV Braunschweig-Hannover: Konzeptpapier zum beruflichen Rehabilitationsmanagement [S. 72]
  • Arbeitgeberservice-Infoflyer DRV Bund [S. 99]

(Der Link und die Anmerkungen in eckigen Klammern wurden nachträglich eingefügt.)

Auszug (S. 5/100):

… Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA, unterstrich den exemplarischen Charakter des „Salzgitter-Modells“: „Für uns Arbeitgeber ist vor allem wichtig: Die Probleme mit den wachsenden Fehlzeiten und Frühverrentungen auf Grund psychischer Störungen lassen sich nur im gemeinsamen Zusammenwirken aller Beteiligten lösen. Die Arbeitgeber sind gefordert, Risiken für die psychische Gesundheit im Rahmen der gesetzlichen Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze zu berücksichtigen und die Arbeitsgestaltung und Unternehmenskultur so anzupassen, dass psychische Fehlbelastung möglichst vermieden, zumindest aber begrenzt werden. Aber allen muss klar sein, dass sich psychische Erkrankungen, weil sie meist maßgeblich durch außerberufliche Umstände bedingt sind, dadurch allein nicht hinreichend lösen lassen. Wir brauchen vor allem auch die Bereitschaft und die Eigeninitiative der Betroffenen sowie ein verbessertes Zusammenwirken der Sozialversicherungen und eine bessere Koordination ihrer Aktivitäten zur Versorgungsoptimierung. Ein abgestimmtes Zusammenwirken der Unternehmen mit den Sozialversicherungsträgern trägt dazu bei, Mitarbeiter mit psychischen Störungen vor Erkrankungen und Frühverrentung zu schützen und kann die Erfolgschancen bei der Re-Integration in den Arbeitsprozess erheblich verbessern.“ …

Die Pressemappe hat 100 Seiten. Die Arbeitgeber investieren hier viel Arbeit. Daran erkennt man die Brisanz des Themas. Die Auseinandersetzung damit ist sicherlich interessant. Ich habe dafür schon einmal ein Stichwort eingerichtet.

 
“Wir brauchen vor allem auch die Bereitschaft und die Eigeninitiative der Betroffenen.” Wer sind die “Betroffenen”? Ich höre oft von Arbeitgebung auch die Forderung nach mehr “Eigenverantwortung” der Mitarbeiter für ihre Gesundheit. Tatsächlich ist Eigenverantwortung wichtig. Aber Arbeitgeber, die ihrer eigenen Verantwortung nicht gerecht werden und seit 1996 versuchen, die Pflicht zum den Einbezug der psychischen Belastung in den Arbeitsschutz zu ignorieren, haben kein Recht, bei ihren Mitarbeitern Verantwortung einzufordern.

“Aber allen muss klar sein, dass sich psychische Erkrankungen, weil sie meist maßgeblich durch außerberufliche Umstände bedingt sind, [durch die Gefährdungsbeurteilung] allein nicht hinreichend lösen lassen.” Im Folgenden spreche ich zwei Argumente an, die Arbeitgeber häufig anführen:

  • Die Gefährdungsbeurteilung allein könne Probleme nicht lösen.
  • Psychische Erkrankungen seien meist maßgeblich durch außerberufliche Umstände bedingt.

Gefährdungsbeurteilung: Niemand behauptet, die Gefährdungsbeurteilung “alleine” könne “psychische Erkrankungen hinreichend lösen”. Gunkel impliziert wider besseren Wissens, dass solch eine Ansicht genug Bedeutung habe, dass man ihr widersprechen müsse. Das ist ein uralter Argumentationstrick. Gunkel weiß natürlich, dass die Gefährdungsbeurteilung nur einer von mehreren Schritten von in einem Kreislauf von Arbeitsschutzmaßnahmen ist. Beispiel:

  1. Gefährdungsbeurteilung
  2. Unterweisung
    (nach Schritt 1, AG und AN können aber auch andere Zeitpunkte vereinbaren)
  3. Festlegung von Maßnahmen gegen Fehlbelastungen
  4. Umsetzung der Maßnahmen
  5. Prüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen (danach wieder Schritt 1)
  6. Dokumentation (begleitend zu den Schritten 1 bis 5)

Außerberufliche Umstände: Unsinnig ist es, die Gefährdungsbeurteilung mit dem Hinweis auf “außerberufliche Umstände” abzuwerten. Ich nehme an, dass Alexander Gunkel das sogar weiß.

Um die Bedeutung verschiedener Ursachen für psychische Erkrankungen beurteilen zu können, muss man Belastungen außerhalb und innerhalb des Betriebes ersteinmal beurteilen wollen. Die Mitglieder der BDA weigerten sich jedoch jahrelang, mögliche arbeitsbedingte “Umstände” in der vorgeschriebenen Weise zu beurteilen - und tun nun so, als ob sie beurteilen könnten, welche Bedeutung diese “Umstände” im Verhältnis zu “Umständen” außerhalb ihres Verantwortungsbereichs hätten. Das ist dreist.

“Außerberufliche Umstände” gibt es, aber sie geben den Arbeitgebern ganz sicher nicht das Recht, ihre Pflicht zur Beurteilung “arbeitsbedingter Umstände” zu vernachlässigen. Dieses Recht hat sich die Mehrheit der Mitglieder der BDA seit 1996 jedoch einfach genommen und sich damit über das Gesetz gestellt. Die Arbeitgeber haben also nicht einmal ihre eigenen Hausaufgaben gemacht. Und nun wollen sie Lehren zur Gesundheit in den Betrieben erteilen. So sieht Chuzpe aus.

Warnung vor der reinen Verhaltensprävention

Dienstag, 14. Februar 2012 - 07:07

http://www.aerztezeitung.de/news/article/804617/betriebsaerzte-gesundheitscoaches.html

… Immer mehr psychisch Erkrankte in den Betrieben – jetzt sollen Betriebsärzte ihre Patienten coachen.

Alexander Gunkel von der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) und Dr. Wolfgang Panter, Präsident des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW), haben deshalb vor wenigen Tagen in Salzgitter eine gemeinsame Erklärung zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz unterschrieben.

Darin haben sie den Betriebsärzten eine Schlüsselstellung zugewiesen, und zwar als neutrale Berater und Lotsen beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM).

“Arbeitgeber und Betriebsärzte sind sich der Bedeutung des Themas Psychische Gesundheit im Betrieb bewusst”, heißt es in der Erklärung. “Die Gefährdungsbeurteilung ,Psychische Belastung‘ sollte in ein funktionierendes Arbeitsschutzmanagement (…) integriert sein.

Der Betriebsarzt muss eine zentrale Rolle als neutraler Berater und Lotse beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) einnehmen. Arbeitgeber und Betriebsärzte sehen gemeinsamen Handlungsbedarf.”

Die Betriebsärzte würden immer wichtiger, “in den Betrieben zum Thema Psyche kompetent zu informieren, bei betrieblichen Analysen und Lösungen mitzuwirken, Risiken zu erkennen, (…) und das Thema insgesamt zu enttabuisieren.” Die Ärzte sollen betroffene Mitarbeiter dabei individuell beraten und coachen, um sie wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. …

Die Eingliederung in den Arbeitsprozess ist ja wohl nicht die Hauptaufgabe von Betriebsärzten. Ein Coaching brauche wohl vor Allem die vielen Arbeitgeber, die es für legitim halten, die Vorschriften des Arbeitsschutzes nicht zu beachten. Die praktischen Arbeits- und Abhängigkeitsverhältnisse für Betriebsärzte machen es diesen vielleicht auch nicht immer leicht, wirklich neutral zu bleiben.

Es ist fast schon frech, wie die BDA versucht, den Fokus von der Verantwortung der Arbeitgeber zu den Mitarbeitern zu verlagern. So sieht Agenda Setting aus. Die BDA arbeitet intensiv daran, das Problem der psychischen Fehlbelastungen am einzelnen Mitarbeiter festzumachen, der gerne auch schon psychisch erkrankt sein darf. Gesundheit ist aber mehr, als nur die Abwesenheit von Krankheit.

Nun die gute Nachricht: In diesem Artikel der Ärztezeitung gibt es immerhin einen heute leider immer noch seltenen Hinweis:…

Allerdings warnt Professor Frank Jacobi vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden in einem Interview des VDBW vor einer reinen “Verhaltensprävention”. Ein einfaches Kommunikationstraining für Mitarbeiter etwa genüge nicht.

“Auch die Verhältnisprävention, wie strukturelle Maßnahmen zur Vermeidung von arbeitsbedingten psychischen Risiken, muss im Blick gehalten werden”, sagt Jacobi. Wichtig sei: “Die schnelle Lösung gibt es hier nicht!” …

Das ist schon einmal ein Fortschritt.

Psychische Erkrankungen: BDA und VDBW

Freitag, 10. Februar 2012 - 06:54

Dieser Beitrag betrifft die gemeinsame Erklärung von der BDA und des VDBW zur Bedeutung der psychischen Gesundheit im Betrieb,
http://www.google.de/search?q=VDBW+BDA+%22Bedeutung+der+psychischen+Gesundheit+im+Betrieb%22.
Am 9. Februar gab es in Salzgitter einen Kongress zu psychischen Erkrankungen (das ist ein Unterschied zu psychischen Belastungen) am Arbeitsplatz. dpa/tmn berichteten (http://www.stern.de/wirtschaft/job/ausgleich-von-der-arbeit-suchen-1784493.html und http://www.news.de/wirtschaft/855270967/burnout-vorbeugen-ausgleich-von-der-arbeit-suchen/1/):

… Psychische Leiden sorgen immer öfter für Probleme im Beruf: So sind sie die häufigste Ursache für Frühverrentungen. 2010 sind laut der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bundesweit 70 000 Arbeitnehmer wegen einer seelischen Erkrankung frühzeitig aus dem Beruf ausgeschieden. Seelische Leiden verursachen zudem jeden achten Krankheitstag: Sie waren 2010 bei den Betriebskrankenkassen Grund für 12 Prozent aller Fehltage. …

Der Artikel wurde auch wieder mit ein bisschen Expertise gefüllt:

… Im Job könne auf Dauer nur derjenige Hochleistungen erbringen, der sich selbst regelmäßig Gutes tut. Das sagte die Ärztin Nadja Behling. So hat ein Burnout keine Chance. Gut zu wissen, denn das Leiden ist die häufigste Ursache für Frühverrentungen.

Um einem Burnout vorzubeugen, ist ein Ausgleich von der Arbeit wichtig. Das kann Sport sein, aber auch Treffen mit Freunden sind gut für das seelische Gleichgewicht, sagte Nadja Behling. Diesen Grundsatz ließen viele Burnout-Patienten jedoch außer Acht. …

Wieder einmal bekommen die Betroffenen den schwarzen Peter. Tun Sie sich etwas Gutes! Auch heute (15 Jahre nach Erlass des Arbeitsschutzgesetzes) fällt der Presse selten etwas Anderes ein, als Verhaltensprävention. Verhältnisprävention ist vorgeschrieben. Verhaltensprävention mögen die Arbeitgeber aber lieber. Die BDA hat leichtes Spiel: Die Missachtung des Arbeitsschutzes in der Mehrheit der Betriebe haben die Redaktionen nicht auf dem Radar. Im Arbeitsschutz hat jedoch die Verhältnisprävention Vorrang, auch wenn (und gerade weil) das den Arbeitgebern nicht so liegt.

Was sagt die BDA zu der Veranstaltung? http://www.bda-online.de/www/arbeitgeber.nsf/id/DE_PI-BDA-VDBW:

Psychische Erkrankungen: Abgestimmtes Zusammenwirken unerlässlich

Psychische Gesundheit ist eine unverzichtbare Grundlage, um im modernen Arbeitsleben zu bestehen und sich fachlich und persönlich zu entfalten. Mehr denn je wird körperliche und geistige Gesundheit aber auch als zentrale Grundlage hoher Wettbewerbsfähigkeit verstanden. Die Zunahme an psychischen Erkrankungen und die damit verbundenen Fehlzeiten der Beschäftigten stellen Unternehmen und Betriebsärzte vor neue Herausforderungen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) sehen daher gemeinsamen Handlungsbedarf. Ihnen ist es ein zentrales Anliegen, das Thema Psychische Erkrankungen gezielt und umfassend, d.h. von der Prävention und Früherkennung über die Behandlung bis zur Wiedereingliederung, anzugehen und für nachhaltige betriebliche Lösungen zu werben. Voraussetzung hierfür ist eine gute Kooperation der Betriebs- und Werksärzte mit den anderen betrieblichen Akteuren.

(Link nachträglich eingefügt)

Es scheint so, dass nicht nur die BDA, sondern auch Ärzte auf die Früherkennung von Erkrankungen setzen und nicht auf die Früherkennung von Fehlbelastungen. Aber in diesem Fall täte man dem VDBW unrecht, wenn man ihm Einseitigkeit vorwürfe, denn es gibt auch eine Position von Betriebsärzten und Gewerkschaft, die sich psychischen Belastungen zuwendet.

Es handelt sich hier also um Positionen zu unterschiedlichen Bereichen:

  • Mitarbeiter mit psychischen Problemen: BDA und VDBW widmen sich psychische erkrankten Beschäftigten in den Betrieben, die gerne auch als “auffällige” Mitarbeiter bezeichnet werden. Hier wird ein Modell der Salzgitter AG beworben. Anja Grocholewski beschreibt das in „Drei unter einem Dach“ – Das IV-Konzept von TU Braunschweig, BKK Salzgitter und Salzgitter-AG für Mitarbeiter mit psychischen Problemen. Jahrbuch 2012 “Psychiatrie in Niedersachsen”. “IV” steht dabei für “integriertes Versorgungskonzept”. Der Schwerpunkt liegt auf der Verhaltensprävention und der Versorgung bereits erkrankter Mitarbeiter. (Da entsteht natürlich Neugier, mit was für einer Betriebsvereinbarung der Betriebsrat der Salzgitter AG den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz geregelt hat.) Arbeitgeber kamen mit der fürsoglichen Zuwendung zu einzelnen und als erkrankt darstellbaren Mitarbeitern bisher besser zurecht, als mit der gesetzlich vorgeschriebenen Verhältnisprävention.
  • Psychische Probleme verursachende Arbeitsplätze: Gewerkschaft und VDBW widmen sich psychischen Belastungen, also “auffälligen” Arbeitsplätzen. Hier empfehle ich, von der SICK AG zu lernen. Die Verhältnisprävention kommt hier nicht zu kurz. Für viele Arbeitgeber ist dieser Ansatz immer noch ungewohnt. Die SICK AG gehört eher zu der kleinen Gruppe fortschrittlicher Arbeitgeber.


Das Schweigen der Betriebsärzte

Die BDA weiß, dass die Mehrheit ihrer Mitglieder gegen die Bestimmungen des Arbeitsschutzes verstößt. Seit 2005 fällt es schwer, das noch als Versehen zu entschuldigen. Vor diesem Hintergrund wird ein Glaubwürdigkeitproblem von Arbeitgebern (z.B. BDA Geschäftsfüherer Alexander Gunkel) und Betriebsärzten (z.B. Bernhard Koch, Betriebsarzt der Salzgitter AG) deutlich. In einem dpa-Artikel Die Seele kann im Rücken und im Magen wehtun schreibt Anita Pöhlig (2012-02-09):

… Die Salzgitter AG mit rund 25 000 Beschäftigten hat bereits reagiert. «Wir hatten schon immer ein Projekt für Muskel- und Skelettprobleme. In den vergangenen Jahren gab es eine wachsende Anzahl von Mitarbeitern, denen wir trotz guter Physiotherapie und Sportangeboten nicht helfen konnten, das hat unser Interesse geweckt», sagt Betriebsarzt Bernhard Koch. Schnell sei klar geworden, das psychische Probleme dahinter stehen.

Bei Vorsorgeuntersuchungen versuchen Koch und seine sieben Kollegen nun, mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen. Typische Beschwerden wie Schlafstörungen oder Gereiztheit werden abgefragt und wie es mit dem persönlichen Eindruck der Leistungsfähigkeit stehe. …

“Typische Beschwerden wie Schlafstörungen oder Gereiztheit werden abgefragt und wie es mit dem persönlichen Eindruck der Leistungsfähigkeit stehe.” Ohne den von den Arbeitnehmern mitbestimmten Einbezug der psychischen belastungen in den Arbeitsschutz ist diese Art von fürsorglicher Belagerung ein die Mitarbeiter noch zusätzlich gefährdender Angriff auf ihre Persönlichkeit und ihre Rechte. Betriebsärzte sind ein Teil des Problems, wenn sie den Beschäftigten mit Vorsorgeuntersuchungen zu Leibe rücken, aber nicht eingreifen, wenn Arbeitgeber ganz offen die Pflicht zur Verhältnisprävention (d.h. zur an den Arbeitsbedingungen ansetzenden Vorsorge) vernachlässigen. Es ist eine verkehrte Welt: Ausgerechnet Ärzte trugen seit 1996 mit ihrer Toleranz gegenüber dem Rechtsbruch der Mehrheit der Arbeitgeber dazu bei, dass die Unternehmen den Arbeitsschutz ungestraft missachten durften. Das Schweigen der Betriebsärzte verletzte die von ihnen betreuten Mitarbeiter. Und heute helfen noch zu viele Betriebsärzte den Unternehmen, die Verhaltensprävention über die Verhältnisprävention zu stellen und damit den ganzheitlichen Arbeitsschutz zu unterlaufen.

Ratschlag an Arbeitnehmer vor dem Besuch beim Betriebsarzt: Trauen sie keinem Arzt, der nicht mit Ihnen zusammen überprüft, ob es zu ihrem Arbeitsplatz eine ordentlich und mitbestimmt erarbeitete Gefährdungsbeurteilung gibt. Das ist nicht vertraulich, denn es geht nicht um ihr persönliches Seelenleben, sondern um Ihre Arbeitsbedingungen. Darum können Sie sich bei der Diskussion der Gefährdungsbeurteilung von einem Betriebsratsmitglied begleiten lassen.

 
Gemeinsame Positionen vom VDBW mit …

Tatsächliche und gefühlte Belastung

Dienstag, 24. Januar 2012 - 20:47

http://www.gawo-ev.de/Material/PsyBel%20Fragebogen%20oGC.pdf?phpMyAdmin=3ff319a86a720ca633f7d8bfe08952c0

  • psychische Belastung
  • gefühlte psychische Belastung

Das muss nicht unbedingt dasselbe sein!

Vorgetragen auf dem BDA-Symposium “Zielgerichtete Prävention – Psychische Belastung bei der Arbeit sicher erkennen und einordnen.” (Berlin, 21. November 2006) und gefunden in http://www.gawo-ev.de/cms/index.php?page=vortraege.