Schlagwort 'Aufsicht braucht Aufsicht'

Deutsche Qualität

Samstag, 18. Oktober 2014 - 19:37

Deutschland ist international geachtet für eine zuverlässige Qualitätskontrolle. Verlassen Sie sich darauf?

http://www.zeit.de/2014/43/pflegeheim-altenpflege-maengel

[...] Im vergangenen Jahr zeichnete der Medizinische Dienst der Krankenkassen, eine Art TÜV für die Pflege, das Haus Quirlsberg sogar mit der Note 1,1 aus. Besser geht es kaum. Neuers sagt: “Ohne uns wäre meine Mutter dort elendig verreckt.” [...]

Insider packt aus: Falschspiel im Zertifizierungsgeschäft

Freitag, 19. September 2014 - 15:38

Der folgende Artikel steht unter http://suite101.de/article/ein-insider-packt-aus-falschspiel-im-zertifizierungsgeschaeft-a112550 nicht mehr zur Verfügung. Ich veröffentliche ihn (ohne den Teil mit nicht mehr aktuellen Links) mit Genehmigung der Autoren.

Klaus Lohmann, in Kooperation mit Vera Kriebel, 2013-07-04
http://www.buendia.de/buendia.htm

TÜV, Bio, Öko, geprüfte Qualität – Zertifikate, Gütesiegel und Normen nach DIN oder ISO sollen Qualität und Sicherheit in der Wirtschaft gewährleisten und zum Beispiel Orientierung bieten, die Einhaltung von Qualitätsstandards besiegeln oder die Produktion sicherer machen. Doch die Zertifizierung läuft unsauber, sagt ein Insider, der ungenannt bleiben möchte, im Gespräch mit suite101.

Zertifikate: Gütesiegel für Qualität, Verantwortung und Sicherheit?

Redaktion: Warum wollen Sie Ihren Namen nicht nennen, wenn Sie so fragwürdige Abläufe im Zertifizierungsgeschäft schildern?

Experte: Ich möchte nicht an dem Ast sägen, auf dem ich sitze. Leider sind einige in der Zertifizierungsbranche dabei, den ganzen Baum zu schädigen. Wenn ich den Baum schütze, rette ich auch meinen Ast.

Redaktion: Zertifikate sollen für Qualität und Sicherheit sorgen, doch bestehen Zweifel, ob sie das tatsächlich leisten. Sie kritisieren in diesem Zusammenhang ganz grundsätzlich die Zertifizierungsbranche.

Das Zertifizierungsgeschäft ist hart

Experte: Der Wettbewerb ist hart. Problem: Zertifizierungsfirmen benötigen neue Kunden. Lösung: Beratungsfirmen empfehlen ihren Kunden bestimmte Zertifizierungsstellen. Die Berater erhalten von den Zertifizierern im Gegenzug

  • die Sicherheit, dass ihr Kunde zertifiziert wird,
  • Vermittlungsprovisionen,
  • Folgeaufträge: Im Rahmen der Zertifizierungen finden Untersuchungen – sie heißen im Fachjargon: Audits – statt. Werden dabei Mängel festgestellt, stehen Maßnahmen an, zum Beispiel Schulungen – die wiederum werden dankend durch die Beratungsfirmen durchgeführt.

Redaktion: Aber damit wird ja der Grundsatz, Beratung und Zertifizierung zu trennen, ausgehebelt.

Keine Trennung von Beratung und Zertifizierung

Experte: Natürlich. Es geht aber noch besser: Eine beliebte kick-back-Variante ist die Zertifizierung des Beraters oder der Beratungsgesellschaft durch die verbundene Zertifizierungsgesellschaft. Im einfachsten Fall läuft dies so ab: Die Zertifizierungsgesellschaft Schmidt-Cert zertifiziert den freiberuflich tätigen Berater Müller und die Beratungsgesellschaft Meier-Consult. Beide können danach auch Zertifizierungen vornehmen.

Schon mehr kriminelle Energie benötigt die Variante 2: Im Auftrag von Schmidt-Cert untersuchen (auditieren) sich Berater Müller und Mitarbeiter der Beratungsgesellschaft Meier-Consult gegenseitig – zumindest offiziell, praktisch passiert natürlich nichts, es sind reine Luft-Audits. Jeder erhält von der Schmidt-Cert das begehrte Zertifikat. Als I-Tüpfelchen und um das Ganze dann finanziell noch lukrativer zu gestalten, können die Zertifizierungskosten mit Vermittlungsprovisionen, die sonst ja “schwarz” über den Tisch gehen müssten, verrechnet werden. Die Vermittlungsprovisionen werden also offiziell als Zertifizierungskosten in Rechnung gestellt.

Systematischer Betrug: Zertifikate, Provisionen, Aufträge

Das sind keine Einzelfälle, sondern so arbeitet das System! Auf diese Weise decken viele Unternehmen in Netzwerken beide Felder ab – Fahrschule und Führerscheinprüfung aus einer Hand. Möchten Sie weitere Beispiele? Bei mir hat sich ein Kunde letztens beschwert, weil ein Gutachter, der nun bei einer anderen Zertifizierungsgesellschaft arbeitet, ihn mit Abwerbeanrufen bombardiert und ihm dabei eine 50-€-Wechsel-Provision anbietet. Anderes Beispiel: Ein Berater beklagte die schlechte Zahlungsmoral einer Zertifizierungsgesellschaft. Seine zugesicherten Provisionen waren noch nicht auf dem Konto.

Oder Zertifizierungskunde und Zertifizierungsgesellschaft machen gemeinsame Sache. Ein offizielles Angebot und eine offizielle Rechnung über die Pflichteinsatzzeit von, sagen wir, vier Tagen. Der Auditor ist aber nur zwei Tage vor Ort. Die Differenz von zwei Tagen wird dem Kunden als Gutschrift ausgezahlt.

Redaktion: Das hört sich ja nach mafiösen Zuständen an …

Beratung und Zertifzierung: Verschlungene Netzwerke

Experte: Es haben sich hierzu Clan-ähnliche Netzwerke gebildet. Das Spiel läuft so: Sie, Herr Lohmann, vermitteln Beratungskunden an mich. Als Gegenleistung erhalten Sie einen Auditauftrag bei einem Beratungskunden eines anderen Beraters oder direkt Geld (etwa zehn Prozent der Zertifizierungskosten). Das wurde mir unverblümt ins Gesicht gesagt: “Du glaubst doch nicht, dass der Berater auf Dich Wert legt. Der kriegt Geld.” Wenn ich Kontakt mit einer anderen Zertifizierungsstelle habe, mache ich heute klar, dass ich keine “Mitgift” bringe. Ich möchte wegen meiner Qualifikation Geschäftspartner sein.

Mit all diesen kriminellen Machenschaften umgeht man Auditregeln und den Wettbewerb. Ohne echte Kontrollen werden Kunden, Berater und Auditoren, die nicht Teil des Netzwerks sind, und die Zertifizierungssysteme selbst geschädigt.

Ungenügende Überwachung durch DAkkS und Behörden

Die Akkreditierungsstelle DAkkS, die dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht und an und für sich die Zertifizierer überprüfen und deren Qualität und Unabhängigkeit gewährleisten soll, ist aber hoffnungslos überfordert. Dass auch die Überwachung durch die Behörden nicht funktioniert, zeigt nicht nur das Prognos-Gutachten im Fall des Dortmunder Entsorgers Envio auf.

Mehrere Regierungspräsidien, das heißt die Zulassungsstellen für die Zertifizierer im Entsorgungsbereich, öffnen beispielsweise solchen unsauberen Netzwerken Tür und Tor, indem sie einem Inhaber einer Beratungsgesellschaft gestatten, stellvertretender Leiter einer Technischen Überwachungsorganisation (TÜO) zu sein. [Anmerkung: Eine TÜO ist eine staatlich anerkannte Zertifizierungsstelle für sensible Bereiche, wie zum Beispiel die Abfallwirtschaft.]

Redaktion: Die Behörden akzeptieren also ganz offen die Aufweichung der Trennung von Beratung und Zertifizierung?

Experte: Ja, genau. Beratung und Zertifizierung werden im Bereich der Entsorgung nicht mehr sauber getrennt! Bei den durch die DAkkS überwachten Zertifizierungsgesellschaften, die beispielsweise Zertifizierungen nach ISO 9001 oder 14001 durchführen, ist dies dagegen strengstens verboten.

Was kann man tun zur Verbesserung des Zertifizierungssystems?

Redaktion: Was könnte man denn zur Änderung dieses Systems unternehmen?

Experte: Zertifizierungen müssen schärfer überwacht werden. Es gibt sehr einfache Möglichkeiten, die Überwachung zu verbessern. Die Aufsichtsbehörden und die DAkkS sollten

  1. von Zertifizierungsstellen und Sachverständigen eidesstattlich versicherte Angaben über ihre Tätigkeiten fordern;
  2. Unterlagenstichproben nehmen und wie die Plagiatsjäger prüfen;
  3. unangemeldet in Betrieben und Zertifizierungsstellen Vor-Ort-Prüfungen durchführen und dabei die Plausibilität der Angaben der Sachverständigen prüfen.

Voraussetzung ist natürlich der Wille, die bestehenden Zustände zu ändern. Die Behörden und die Akkreditierungsstelle müssen dies nur wollen.

Im Zertifizierungsgeschäft für Arbeitsschutzmanagementsysteme mag es etwas anders zugehen, aber die Zertifizierer, die DAkkS und die behördliche Aufsicht sind (um es sehr freundlich auszudrücken) sehr zurückhaltend mit Kritik an Unternehmen, die sich sogar offensichtlich nicht an den Standard halten, nach dem sie zertifiziert sind. Zertifizierer, die schlampig und unaufmerksam auditieren, werden bei Auditüberprüfungen (z.T. unter Umgehung der Arbeitnehmervertretung) von der DAkkS meiner Ansicht nach nicht streng genug begleitet.

Arbeitsschutzauditoren schützen zuerst den Arbeitgeber

Donnerstag, 16. Januar 2014 - 21:45

Unternehmen können sich ihr Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) von externen Auditoren zertifizieren lassen. Das folgende Beispiel zeigt, wie ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter massiv bedrohen konnte ohne die sich daraus ergebende psychische Gefährdung dokumentieren zu müssen. Die Auditoren des Zertifizierungsunternehmens unterstützten den Arbeitgeber nämlich dabei, eine Erfassung und Beurteilung der vom Arbeitgeber verursachte psychische Gefährdung zu vermeiden. Man sieht: Der nun auch ausdrücklich im Gesetz geforderte Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz kann mit auf Arbeitgeberinteressen zugeschnittenen Auditstrukturen ausgehebelt werden. Die folgende Geschichte ist eine Fiktion. Könnte sie sich aber auch tatsächlich ereignet haben?

 
Der psychisch gefährdende Vorfall:

Arbeitnehmer AN wird mit arbeitsorganisatiroschem Prozess P fehlbelastet. Er meldet das dem Arbeitgeber AG. Arbeitgeber AG bedroht daraufhin AN mit einer dessen berufliche Existenz betreffenden Maßnahme B. AN fordert über Rechtsanwalt RA Rücknahme der Maßnahme B, ansonsten werde AN den AG verklagen. Betriebsrat BR unterstützt den AN und fordert ebenfalls Rücknahme von B. Nach 3 Monaten zieht AG die Maßnahme B tatsächlich zurück, denn er hätte sie vor Gericht nicht rechtfertigen können.

Sechs Kollegen von AN melden ebenfalls den Prozess P als fehlbelastend. Erst daraufhin ändert AG den Prozess P, der ja nun nicht mehr so einfach als individuelles Problem der Psyche von AN dargestellt werden kann. Die Verbesserung erfolgt zur Zufriedenheit von AN und Kollegen. Allerdings wird die vor einer Verbesserungsmaßnahme vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung für den Prozess P nicht durchgeführt (was ein Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz ist). Die durch die Prozessgestaltung vom AG verursachte Gefährdung bleibt also undokumentiert.

AN ist zwar zunächst erleichtert, musste allerdings die Bedrohung 3 Monate lang aushalten (der Urlaub in der Zeit war keine Erholung) und fühlte sich durch AG ziemlich verletzt. Nach Beendigung der Bedrohung treten starke Blutdruckschwankungen auf. Danach folgen innerhalb eines Jahres ingesamt 12 Wochen Arbeitsunfähigkeit, darin 6 Wochen in einer psychosomatischen Klinik wegen burnoutbasierter Depression. Es müsste also untersucht werden, ob die Erkrankung durch die von AG verursachte Bedrohung B und/oder entstanden ist und/oder ob eine bestehende Erkrankung dadurch verschlechtert wurden.

Die Vermeidung der Gefährdungsbeurteilung:

AG hatte sich für sein AMS zur Beachtung der folgenden Definitionen im Sinn der Begriffsbestimmung 3.9 in OHSAS 18001:2007 verpflichtet: Im Arbeitsschutz sind “Vorfälle” arbeitsbezogene Ereignisse, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können. Arbeitsbedingte Erkrankungen sind erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden. AN fordert deswegen, die ihn damals bedrohende Maßnahme A als einen entsprechenden Vorfall einzustufen, der ihn hätte verletzen und/oder erkranken lassen können.

Betriebsrat BR im Betrieb des AG fragt entsprechend bei AG an. AG wendet sich an die von AG bezahlte Zertifizierungsgesellschaft Z und beschreibt Z diesen arbeitsschutzrelevanten (und damit mitbestimmungspflichtigen) Vorgang aus seiner Sicht. AN und BR werden davon nachträglich informiert, hatten also keine Gelegenheit, die Darstellung des AG ggf. zu korrigieren. Z teilt AG mündlich mit, dass AG den Vorfall nicht als Ereignis nach Def. 3.9 behandeln muss. Das bedeutet, dass nach Auffassung von Z die Bedrohung durch B den AN weder hätte psychisch verletzen noch psychisch erkranken lassen können.

AG hat also zusammen mit Z eine Gefährdungsbeurteilung der Bedrohung B vorgenommen, ohne den Betriebsrat z.B. bei der Beschreibung von Z beteiligt zu haben. AG hat damit die Mitbestimmung behindert und Z hat bei diesem Vergehen geholfen.

Betriebsrat BR fordert über AG eine schriftliche Stellungnahme von Z. Nach vier Monaten erhält er sie, kann ihr aber nicht entnehmen, wie AG den Vorfall gegenüber Z dargestellt hatte. (AG hatte bereits an anderer Stelle die Qualität seines AMS falsch beschrieben.) Der Stellungnahme kann man nicht einmal entnehmen, auf welchen konkreten Vorfall sie sich bezieht. Sie bestätigt nur, dass das Zertifizierung des AG nicht in Frage gestellt werde. Die Grundlage, auf der aufbauend Z urteilte, ist also weiterhin unbekannt.

AG hat übriges eine Auditaufgabe in einem anderen Bereich als dem Arbeitsschutz von Z auf einen Mitbewerber von Z übertragen. AG übt also auch Druck auf seinen Dienstleister Z aus. Z wird sich also bemühen, vorwiegend die Interessen des AG zu berücksichtigen. Die Arbeitnehmer haben das Nachsehen.

Kommentar:

Das klingt alles sehr kompliziert. Klar wird aber, dass mit der derzeitig möglichen Praxis des Zertifizierungsgeschäfts ein zertifiziertes Arbeitsschutzmanagement Arbeitgebern helfen kann, die Erfassungen arbeitsbedingter psychischer Gefährdungen erheblich zu erschweren. Das Zertifizierungsgeschäft ist zuerst Arbeitgeberschutz, und danach erst Arbeitnehmerschutz.

Es gibt zwar sorgfältiger arbeitende Zertifizierungsgesellschaften als Z, die auch die Mitbestimmung zu beachten versuchen, aber da der Arbeitgeber sich seinen selbst Zertifizierer aussucht und bezahlt, wird er den Zertifizierer aussuchen, der am wenigsten Kosten und Schwierigkeiten verursacht. Und für viele Arbeitgeber bedeutet Mitbestimmung eben “Schwierigkeiten”.

Beaufsichtigt werden die Zertifizierungsgesellschaften von der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS), wenn sie bei der DAkkS akkreditiert sind. Die Gesellschafter der DAkkS sind (a) Das Bundeswirtschaftsministerium, (b) der BDI und (c) die Länder. Ich hoffe, dass die neue Führung des BMWi der DAkkS bei der Überwachung von Audits im Arbeitsschutz mehr Freiraum und Durchsetzungsfähigkeit geben wird. Es wäre außerdem gut, wenn das BMAS ein weiterer Gesellschafter werden könnte, denn die DAkkS muss ja Audits nicht nur im Interesse der Wirtschaft überwachen.

Behinderung der Mitbestimmung:

Ein großes Problem im Zertifizierungsgeschäft in Deutschland ist, dass dabei sogar eine Straftat möglich ist, wenn Betriebsräte an Arbeitsschutz-Audits nicht beteiligt werden. Der § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes steht immer noch über Vertraulichkeitsvereinbarungen zwischen Zertifikator und Klient. Das Betriebsverfassungsgesetz darf hier nicht straflos ignoriert werden können. (Z vermeidet Betriebsratskontakt und möchte z.B. die Frage nicht beantworten, ob Audits “Besichtigungen” im Sinn des § 89 sind.) In den Niederlanden wird es den Unternehmen nicht so leicht gemacht, bei Audits ihres Arbeitschutzmanagementsystems die Mitbestimmung auszuschalten. Ich bitte die DAkkS, von den Niederlanden zu lernen.

Schüchterne Gewerbeaufsicht

Montag, 18. November 2013 - 07:30

Die Gewerbeaufsicht in Bayern kneift immer noch: In http://www.stmas.bayern.de/arbeitsschutz/arbeitsmedizin/psychologie.php war einmal (2011-07-13) zu lesen:

[...] Arbeitspsychologie

In der heutigen Arbeitswelt spielen psychische Belastungen eine immer größere Rolle. Angst vor Arbeitsplatzverlust, hoher Zeitdruck, Zunahme der Arbeitsmenge, Informationsmangel- oder Informationsüberflutung, Kommunikationsbarrieren, geringe Qualifizierungsmöglichkeiten oder zu wenig Handlungsspielraum können Kopfschmerzen, Lustlosigkeit, “Ausgebranntsein”, Schlafstörungen oder Erkrankungen verursachen.

Psychische Fehlbelastungen lassen sich vermeiden. Die bayerische Gewerbeaufsicht überprüft die Betriebe und legt die Abhilfemöglichkeiten in einer Zielvereinbarung fest.

In Fällen von Bournout, Mobbing, Gewalt am Arbeitsplatz oder posttraumatischer Belastungsstörung führt die Gewerbeaufsicht keine Konfliktberatungen durch. Sind keine Verstöße im arbeitsschutzrechtlichen Sinne festzustellen, so wird auf externe Berater und Beratungsstellen oder auf das Präventionsnetzwerk verwiesen. [...]

(Hervorhebungen wurden nachträglich vorgenommen)

Mitte 2012 verschwand die “Zielvereinbarung” von der Seite der bayerischen Gewerbeaufsicht. War das Versprechen der Gewerbeaufsicht an die Arbeitnehmer zu mutig? Hielten die Unternehmen in Bayern Zielvereinbarungen für eine Respektlosigkeit? Tatsächlich habe ich heute den Eindruck, dass es für die Gewerbeaufsicht in Bayern gerade bei großen und politisch gut vernetzten Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung ist, in diesen Unternehmen das Fehlen mitbestimmter Prozesse zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen als Abweichung zu erkennen. Nicht nur, dass es dann keine Sanktionen gab, sondern nun traute sich die Aufsicht nicht einmal mehr, öffentlich zu schreiben, dass bei Abweichungen Zielvereinbarungen zur Verbesserung der Situation getroffen werden.

Kann es vorkommen, dass die Gewerbeaufsicht Verbesserungsprojekte im Arbeitsschutz lobt und sie dabei mit einem bereits ordentlich implementierten Arbeitsschutz verwechselt? Lob ist eine feine Sache, aber wie dokumentiert die Gewerbeaufsicht, dass in der Übergangszeit von einem bisher unvollständigen Arbeitsschutz zum ganzheitlichen Arbeitsschutz für die Mitarbeiter ein erhöhtes Gefährdungsrisiko besteht?

Falls es das Instrument der Zielvereinbarung noch geben sollte, so kann man auch heute nichts darüber im Webauftritt der bayerischen Gewerbeaufsicht nachlesen. Wer hat den Hinweis streichen lassen? Wie sehen in den Behörden der Gewerbeaufsicht eigentlich die Gefährdungsbeurteilungen für die Arbeitsbedingungen der Aufsichtspersonen aus?

Best Practice in Deutschland

Samstag, 17. August 2013 - 12:27

Beispiel: Während ein Unternehmen dafür gelobt wird, dass es der Gewerbeaufsicht ein Projekt vorzeigen kann, mit dem es in der Zukunft psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen beabsichtigt, macht es gleichzeitig Mitarbeitern, die Fehlbelastungen an ihrem Arbeitsplatz melden, Angebote, sich eine Gehaltsstufe niedriger einordnen zu lassen. Der Arbeitsschutz des Unternehmens wird gar nicht erst gefragt, was er von diesen Fällen hält.

Auch gibt es weitere kleine Projekte gegen akute Überbelastung. Die Fehlbelastungen werden aber nicht dokumentiert, denn der Prozess zum Einbezug psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung fehlt ja immer noch. Kaum eine Führungskraft weiß, was eine Gefährdungsbeurteilung überhaupt ist und dass sie auch für Büroarbeitsplätze wahrheitsgemäß zu erstellen ist. So konnte das Unternehmen jahrelang vermeiden, Vorfälle zu dokumentieren, die Mitarbeiter psychisch verletzt haben könnten. Der Arbeitsschutz hält sich aus allen diesen Fällen heraus.

Das Unternehmen bekommt sehr gute Bewertungen bei den Audits seines Arbeitsschutzmanagementsystems, obwohl darin immer noch Prozesse zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz fehlen. Das Unternehmen kann sich das aber leisten, denn die Auditoren lassen auch ganz offensichtliche Mängel durchgehen. Und die Gewerbeaufsicht, die keine Ressourcen für sorgfältige Prüfungen hat, schafft es immerhin, das Unternehmen als ein Beispiel für Best Practice vorzuschlagen.

Die Qualität der Prüfungen hängt im Wesentlichen von drei Beteiligten ab: Aufsichtspersonen, Arbeitsschutzbeauftragte und Arbeitnehmervertreter. Sie müssten ihrer Verantwortung gegenüber den im geprüften Betrieb Beschäftigten gerecht werden.

Was sind die Zertifikate für Foxconn wert?

Sonntag, 19. Mai 2013 - 02:08

http://bazonline.ch/digital/mobil/Drei-FoxconnArbeiter-begehen-Selbstmord/story/17298225 (Baseler Zeitung)

Drei Foxconn-Arbeiter begehen Selbstmord

Aktualisiert am 18.05.2013

In China haben sich wieder drei Angestellte des Apple-Zulieferers Foxconn in den Tod gestürzt. Er steht seit einer Selbstmordserie im Jahr 2010 unter Beobachtung. [...]

 
http://www.ishn.com/articles/print/95850-factory-certification-schemes-pose-danger-to-safety-health-profession

[...] One startling revelation in the FLA reports was that two of the three audited factories – Fu Tai Hua Industrial Co. Ltd’s plants in Guanlan and Longhua, China – are “OHSAS 18001 certified” despite having no functioning health and safety programs whatsoever. The certification was reportedly awarded by the Swiss-based SGS (Societe Generale de Surveillance), which has U.S. offices in New Jersey. [...]

Suche: https://www.google.com/search?q=Apple+Foxconn+”OHSAS+18001″

 
Schlampige Audits kommen auch in Deutschland vor. Solche Audits sind eine Farce. Es gibt zum Beispiel Zertifizierungsgesellschaften, die ihre Zertifikate für OHSAS 18001 auch an solche Betriebe vergeben, bei denen offensichtlich ist, dass der Betriebsrat überhaupt nicht über OHSAS 18001 Bescheid weiß und weder in externe noch in interne Audits eingebunden ist. Auch haben die Führungskräfte kein Ahnung. Diese Zertifizierer sind an den Arbeitnehmern und an der Mitbestimmung überhaupt nicht interessiert, obwohl bei OHSAS 18001 die Arbeitnehmer die eigentlichen “Kunden” sind.

Die DAkkS müsste hier die Kontrolleure strenger und insbesondere proaktiver kontrollieren. Die Zertifizierer scheinen sich derzeit noch ziemlich sicher zu fühlen, das ihre Audits nicht in Frage gestellt werden. Vielleicht würde es auch helfen, wenn die DAkkS den Betriebsärzten, den behördlichen Aufsichtspersonen, den Arbeitnehmervertretungen und den Gewerkschaften Grundlagen über gute Audits zu OHSAS 18001 vermitteln könnte oder einen leicht zugänglichen Weg für Beschwerden anbieten könnte.

Behördliche Systemkontrolle

Donnerstag, 2. Mai 2013 - 10:50

Die Leitlinien zur behördlichen Kontrolle von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) sind auch betriebsintern anwendbar:

Siehe auch: Schlagwort “Systemkontrolle”

Aufsicht braucht Aufsicht

Dienstag, 2. Oktober 2012 - 03:47

Dass Aufsicht auch dort versagt, wo ihr Funktionieren unbedingt erforderlich ist, scheint der Normalfall zu sein: http://www.tagesschau.de/ausland/akw-stresstest102.html. Darum erlaube ich mir, auch Audits im Bereich des Arbeitsschutzes nicht blind zu vertrauen.

Das Misstrauen gilt auch für Zertifizierungsaudits nach OHSAS 18001:2007: Eine große Zertifizierungsgesellschaft zertifizierte kürzlich ihren Kunden, obwohl er sein AMS-Handbuch nicht von OHSAS 18001:1999 auf OHSAS 18001:2007 umgestellt hatte. Das hätte spätestens ab 2009-07-01 geschehen sein müssen. Darum können die Führungskräfte und Mitarbeiter des Unternehmens die Verbesserungen, die im Standard für die Arbeitnehmer vorgenommen wurden, immer noch nicht nachlesen.

Begehungen durch Arbeitsschutzfachleute und den Betriebsrat

Samstag, 23. Juni 2012 - 12:40

Hier finden Sie ein paar Hinweise, worauf bei Begehungen von Arbeitsplätzen hinsichtlich der Qualität von Gefährdungsbeurteilungen zu achten ist.

http://blog.psybel.de/wie-die-aufsicht-prueft/#lv52, LV 52, Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder, darin aus dem Anhang 6 GB-Check Prozessqualität – Arbeitshilfe Interviewleitfaden zur Bewertung des Prozesses der Gefährdungsbeurteilung,  2009, S. 26 und 27:

Beteiligung Führungskräfte: Die mittleren und unteren Führungskräfte wurden bei der Ermittlung und Veränderung psychischer Belastungen beteiligt? 

  • Wie?
  • Melde-/ Beschwerdewesen, durch die Methodenwahl z.B. Fragebogen, Gruppenmoderation, MAG, Einzelinterviews

Planungen: Gefährdungsbeurteilung wurde systematisch geplant.

  • Wer war mit der Umsetzung beauftragt?
  • Wurden Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festgelegt?
  • Beurteilungsablauf festgelegt?

Risikofaktoren: Die wesentlichen Risikofaktoren für psychische Fehlbelastung werden berücksichtigt.

  • Abgleich mit Merkmalliste

Vollständigkeit: Alle Arbeitsbereiche und Tätigkeiten wurden auf psychische Belastungen hin beurteilt.

  • Wurden Prioritäten gesetzt?
  • Welche Bereiche wurden ausgelassen?
  • Aus welchem Grund?

Maßnahmenfestlegung: Bei psychischen Fehlbelastungen wurden Maßnahmen festgelegt.

(nachträgliche Anmerkung in eckigen Klammern)
 

Siehe auch:

 
(Aktualisierung: 2012-06-23. Ursprüngliches Datum: 2011-10-21)

Kontrolldruck

Freitag, 17. Februar 2012 - 06:28

http://www.sueddeutsche.de/bayern/hygiene-skandal-bei-mueller-brot-rote-ampel-fuer-den-verbraucherschutz-1.1285365

Hygiene-Skandal bei Müller-Brot

Rote Ampel für den Verbraucherschutz

16.02.2012, 10:14 Von Daniela Kuhr

Die Verbraucher hätten schon deutlich früher von den Missständen bei Müller-Brot erfahren. Wenn denn die Verbraucherschutzminister in 2011 eine Hygiene-Ampel eingeführt hätten. Haben sie aber nicht, denn ausgerechnet Bayern hat ein Veto eingelegt.

Mäusekot, Kakerlaken und Motten … … …

Na Mahlzeit. Die zurückhaltende Lebensmittelkontrolle bei Müller-Brot hatte Arbeitsplätze nicht gerettet, sondern sie vernichtet. Verantwortlich ist dafür eine wohl politisch gewollte Schwächung der staatlichen Aufsicht.

Die Lebensmittelkontrolleure fordern mehr Personal. Sie tun das nicht erst seit heute. Von Martin Müller (Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure) erfahren wir (heute in B5 aktuell), dass 2500 Kontrolleure mehr als 1,1 Millionen Betriebe überwachen müssen. Fachleute wüssten seit langer Zeit, das es in vielen Betrieben Hygienemägel gebe. Aber die Kontrolleure könnten den “Kontrolldruck” nicht aufrecht erhalten, den viele Betriebe bräuchten.

Da Politiker das wussten, wollten sie nicht hinsehen. Diesen Vorsatz sehe ich auch bei der Überprüfung der Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften. An den Aufsichtsbeamten liegt das eher nicht, sondern an der politischen Führung. Auch hier stinkt der Fisch immer noch vom Kopf.