Schlagwort 'Arbeitsverdichtung'

2004: Arbeitsverdichtung

Sonntag, 21. April 2013 - 13:43

http://www.welt.de/print-welt/article283057/Verheizt.html

03.01.04
Verheizt!

Arbeitsverdichtung nennen Wissenschaftler die zunehmende Belastung im Job. Dem drohenden Bourn-out der Mitarbeiter entgehen Unternehmen, die ihre Mitarbeiter optimal einsetzen und unterstützen

Von Winfried Gertz

[...] Ist die Debatte um mehr Flexibilität in der Wirtschaft vielleicht eine Scheindebatte? Handelt es sich womöglich um ein Führungsproblem, weil es Managern schwer fällt, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und ihren Mitarbeitern klare und realistische Ziele vorzugeben? Privat würde auch niemand auf die Idee kommen, mit seiner Großmutter auf den Mont Blanc zu klettern, doch Führungskräfte treiben ihre Mannschaft untrainiert den Berg hinauf. [...] Sind Unternehmen nicht längst in die Sackgasse geraten, weil Arbeit zunehmend als persönliche Belastung empfunden wird und Mitarbeiter Entscheidungen treffen müssen, die weit über ihren Verantwortungsbereich hinauswirken? [...]

Solche Artikel zeigen, wie lange das Thema schon auf dem Tisch ist und dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass sich die Unternehmen hier ohne schärfere Regelungen und konsequentere Aufsicht dazu bewegen lassen, sich an die Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes zu halten.

Chance in B5aktuell verpasst

Samstag, 20. April 2013 - 23:32

Im Samstagsforum (http://www.br.de/radio/b5-aktuell/sendungen/samstagsforum/samstagsforum108.html) von B5aktuell (Bayerischer Rundfunk) stellte der BR-Nachrichten-Redakteur Daniel Pokraka heute die Frage:

Schlechte Stimmung am Arbeitsplatz – was tun?

Termindruck, Konkurrenzkampf und schlechte Laune – jeder zweite Deutsche empfindet seinen Berufsalltag als hektisch und verbissen. Was kann ich gegen schlechte Stimmung am Arbeitsplatz tun? Wie gehe ich mit schwierigen Chefs und Kollegen um? Wer hilft mir, wenn alles zu viel wird? Antworten auf diese Fragen gibt Dominik Hammer, Arbeitspsychologe beim TÜV Süd in München. Das Samstagsforum. Um 11:20 Uhr und um 13:20 Uhr auf B5 aktuell.

 
Dominik Hammer antwortete, dass es eine Stresszunahme durch rasant zunehmende Arbeitsverdichtung mit den neuen Medien ab 1998 gebe. “Da gab’s dann Handy, Email; da kam richtig diese Tsunami.” Verdichtung ist, wenn man anfängt, Dinge gleichzeitig zu tun. Das führt zur Überforderung. Und Überforderung führt zu Stress. Hammer schließt sein Outlook, wenn er nicht unterbrochen werden will und arbeitet linear, “weil das Multitaskink, das Simultane eben nicht hinhaut.”
        Wenn man nicht mehr weiterkommt, dann gibt es die Überlastungsanzeige an den Vorgesetzten. Viele tun das nicht, obwohl sie es tun sollten, weil sie Angst haben. Im Prinzip läge es irgendwann in der Verantwortung des des Mitarbeiters, “Stop” zu sagen. Man müsse in das gespräch mit dem Vorgesetzten gehen.
        Man kann sich auch außerhalb fachliche Hilfe holen. Zunächst sind Betriebsärzte Ansprechpartner und Arbeitspsychologen. Je nach Schweregrad kann man in eine Praxis gehen. Wenn es schon körperliche Symptome gibt, dann sollte man iunbedingt zum Arzt gehen.
        Das kurze Interview konzentrierte sich zwar in der für viele Journalisten leichter zu handhabbaren Weise auf das Verhalten der von psychischer Fehlbelastung Betroffenen, aber Hammer stellte auch klar: “Manchmal sind die Verhältnisse so, dass man bei aller Verhaltensschulung und bei allen Möglichkeiten trotzdem nicht ‘rauskommt. Dann muss man an den Verhältnissen ansetzen, am Thema Arbeitsorganisation, Abläufe, flexible Arbeitszeit.”
        BR-Nachrichten-Redakteur Daniel Pokraka fragte dann noch, was passiert, “wenn man sagen muss, ich hab’ alles versucht, ich hab’ probiert Arbeitsabläufe zu verändern, ich hab versucht, meine Kollegen irgendwie zu ändern, ich hab’auch versucht, mich selber zu ändern…” Dominik Hammer empfiehlt, mit dem Arzt zu entscheiden, wie es weitergeht.

Der Tenor des Interviews ist leider, dass immer noch die einzelnen Arbeitnehmer den Schwarzen Peter haben. Schade, dass Dominik Hammer nicht darauf hinwies, dass die Verantwortung für die Veränderung von Arbeitsabläufen zu Minderung psychischer Fehlbelastungen beim Arbeitgeber liegt. Dazu hatte ich in arbeitundgesundheit.de noch etwas Passendes gefunden (http://blog.psybel.de/gefaehrdungsbeurteilung-als-lohnendes-betaetigungsfeld-fuer-arbeitnehmervertretungen/):

[...]
Gesundheitsschutz: Besser mit System als von Beschwerde zu Beschwerde

Betriebs und Personalräte kennen es nur zu gut: Kollegen klagen über Probleme am Arbeitsplatz, zum Beispiel über Unzufriedenheit mit dem Verhalten des Vorgesetzten, möchten aber aus Unsicherheit und Angst heraus nicht, dass der Betriebs- oder Personalrat tätig wird. Und die Arbeitgeberseite? Welcher Betriebs- oder Personalrat kennt das nicht? »Nennen Sie mir Ross und Reiter, ansonsten sehe ich keinen Handlungsbedarf«.
[...]

Von einem Nachrichtenredakteur erwarte ich schon gar nicht mehr, dass er daran denkt und sich sich mit den Mängeln im Arbeitsschutz auskennt. Aber gerade ein Arbeitsspychologe des TÜV hätte auch in den knappen neun Minuten des Interviews auf die Rolle der Arbeitnehmervertretungen und die Pflichten der Arbeitgeber hinweisen können. Denn natürlich sind hier auch die Personal- und Betriebsräte wichtige Ansprechpartner für von mit psychischen Fehlbelastungen bedrängte Mitarbeiter. Hammer hat hier eine Chance zur Aufklärung der Öffentlichkeit über die Mängel im Arbeitsschutz und über die Pflichten der (oft noch nicht ausreichend kompetenten) Arbeitnehmervertretungen verpasst.

Podcast (Stand 2013-04-21): http://cdn-storage.br.de/mir-live/MUJIuUOVBwQIb71S/iw11MXTPbXPS/_2rc_H1S/_-9S/_Avp_Ak6/130420_1120_Samstagsforum_Schlechte-Stimmung-am-Arbeitsplatz—was-tu.mp3 (aufgerufen über http://www.br-online.de/podcast/mp3-download/b5aktuell/mp3-download-podcast-samstagsforum.shtml#)

Nichteinhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen

Dienstag, 12. Februar 2013 - 06:26

http://west.dgb.de/presse/++co++c843fa58-6a0c-11e2-8244-00188b4dc422

Pressemitteilung DGB-RLP

PM DGB-RLP – 29.01.2013
Muscheid: Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes muss stärker kontrolliert werden

Der DGB-Landesvorsitzende Dietmar Muscheid hat die Landesregierung angesichts der zunehmenden psychischen Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu strengeren Kontrollen des Arbeitsschutzes aufgefordert. „Nur etwa jeder zehnte Beschäftigte wird im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung seines Arbeitsplatzes überhaupt nach psychischen Stressfaktoren befragt“, sagte Muscheid am Dienstag in Mainz. In der modernen Arbeitswelt gewönnen aber gerade die psychischen Belastungen an Bedeutung und gefährdeten die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Hier muss der Staat ein Auge auf die Unternehmen haben.“

Der von der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgestellte „Stressreport“ bestätige die Ergebnisse des „DGB Index Gute Arbeit“, sagte Muscheid weiter. Der DGB-Studie zufolge fühlen sich 56 Prozent aller Beschäftigten „oft“ oder „sehr häufig“ am Arbeitsplatz gehetzt oder stehen unter Zeitdruck. 38 Prozent der Befragten gaben an, die arbeitsfreie Zeit reiche zur Erholung „oft“ oder „sehr häufig“ nicht mehr aus.

Angesichts der Entwicklung sei die Bundesregierung aufgefordert, ein Gesetzpaket für mehr Gesundheitsschutz auf den Weg zu bringen. „Die Nichteinhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen muss auch in Bezug auf psychische Belastungen sanktioniert werden“, sagte Muscheid. Zudem brauche es eine „Anti-Stress-Verordnung“, da es keinen Sinn mache, psychische Belastungen im Arbeitsschutz rechtlich anders zu behandeln als physische. Wichtig sei zudem die Stärkung der Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, um Leistungsverdichtung zu begegnen und die Arbeitsfähigkeit der Belegschaft zu sichern.

Arbeitsverdichtung und Überforderung am Arbeitsplatz werden zur Normalität

Donnerstag, 7. Februar 2013 - 07:29

https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen_ID_2000147/2013/februar/wer-krank-ist-muss-sich-auskurieren_ID_4387253.html

Pressemitteilung | 05.02.2013
Wer krank ist, muss sich auskurieren

Zur Studie [Stressreport 2012] der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und des Bundesinstituts für Berufsbildung, nach der jeder zweite Arbeitnehmer auch krank zur Arbeit geht [Genauer: Jeder zweite Arbeitnehmer, der krank ist, geht trotzdem zur Arbeit], erklärt Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte:

Die Arbeitsverdichtung nimmt zu, diese Tendenz muss gestoppt werden. Wenn die Hälfte der Beschäftigten auch bei Krankheit zur Arbeit geht [so ist's richtig], dann ist das ein unhaltbarer Zustand. Dies muss als psychische Belastung benannt werden und führt zu psychischen Erkrankungen [manchmal].

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Leistungsanforderungen viel zu häufig nicht mehr mit der Personalausstattung übereinstimmen. Das ist nicht akzeptabel. Und wenn dann die Beschäftigten bei Krankheit aus Angst vor Entlassung noch zur Arbeit gehen, kann die Arbeitswelt nur noch als unmenschlich und verantwortungslos bezeichnet werden. Die neuen Erkenntnisse zeigen einmal mehr, dass Arbeitsverdichtung und Überforderung am Arbeitsplatz zur Normalität werden. Dies untermauert unsere Forderung nach einer Anti-Stress-Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor psychischen Gefährdungen.

Die Belegschaften müssen zahlenmäßig so ausgestattet werden, dass ein normaler Krankheitsstand und der rechtmäßige Urlaub von Kolleginnen und Kollegen problemlos abgefangen werden können. Das muss endlich wieder zur Selbstverständlichkeit werden.

Ein guter Arbeitsschutz könnte aber auch erreichen, dass mit weniger psychischen Fehlbelastungen die bereits vorhandene Belegschaft besser arbeiten kann.

 
Siehe auch: http://www.arbeitssicherheit.de/de/html/nachrichten/anzeigen/845/Krank-zur-Arbeit/

Bildschirmarbeit 1996

Samstag, 16. Juni 2012 - 11:01

Eric Jaschke (1996): Physische und psychische Belastung durch Bildschirmarbeit. Eine kritische Analyse einschlägiger Untersuchungsergebnisse angesichts der Forderung nach Humanisierung des Arbeitslebens, München, GRIN Verlag GmbH, 29 Seiten, http://www.grin.com/de/e-book/95288/physische-und-psychische-belastung-durch-bildschirmarbeit-eine-kritische (http://dx.doi.org/10.3239/9783638079679)

3.2 Analyse psychischer Belastungen durch Bildschirmarbeit

Ein weiterer Belastungsfaktor entsteht aus der Veränderung der Zeitstrukturen sowie der Arbeitsverdichtung bzw. Arbeitsintensivierung infolge eines hohen Systemarbeitstempos. Die Arbeitenden müssen sich auf ein vom Computer produziertes Zeitverhalten einstellen; Arbeitszeitstrukturen, wie sie aus ihren eigenen Arbeitsstrategien resultieren, müssen der Computerzeit untergeordnet werden. Deutlich wird dies z. B. am Problem der System-Response-Zeiten. Längere Antwortzeiten verlangsamen zwar das Arbeitstempo, ohne jedoch zu einer Beanspruchungsverminderung zu führen. Vielmehr werden längere Pausenzeiten bei Antworten von den Benutzern als deutliche Beanspruchung empfunden; zu kurze Antwortzeiten wirken dagegen arbeitsantreibend. Darüber hinaus wird durch die Arbeitsverdichtung und Arbeitsintensivierung der Wegfall entlastender Tätigkeiten, wie bspw. die Beschaffung von Arbeitsmitteln (Aktenordner o. ä.) verursacht. Des weiteren wird der Mensch gleichzeitig mit einem möglichen Kontrollpotential konfrontiert, wodurch nicht nur Arbeitsergebnisse, sondern auch Arbeitsschritte und deren zeitliche Abfolge transparent werden. Dieses Kontrollpotential kann, unabhängig von seiner tatsächlichen Nutzung, als Disziplinierungsinstrument aufgefaßt werden und damit den subjektiven Leistungsdruck bei den Beschäftigten fördern. Die somit dauerhaft bestehende geistige Belastung in Form von ständiger Aufmerksamkeit und Konzentration beansprucht die Psyche des Menschen, und kann zu Streß führen. Dieser tritt immer dann auf, ,,wenn die Arbeitsanforderungen vom Individuum als mit seinen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erwartungen nicht übereinstimmend erlebt werden und wenn sie keine oder nur unzureichende Möglichkeiten eröffnen, diesen Zustand des Ungleichgewichts zu beeinflussen oder ganz zu beseitigen”. …

DAK-Gesundheitsreport 2012

Freitag, 24. Februar 2012 - 16:20

http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/psychische-b-1.html

20. Februar 2012
Psychische Belastungen am Arbeitsplatz erhöhen Herzinfarktrisiko

DAK-Gesundheitsreport: Weitere Zunahme psychischer Erkrankungen

Für Menschen mit beruflichem Stress ist das Risiko einer koronaren Erkrankung mehr als verdoppelt. Eine Depression erhöht das Risiko eines Herzinfarktes um 60 bis 100 Prozent. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz sind ein Risikofaktor für psychische Erkrankungen, die nach dem DAK-Gesundheitsreport weiter zunehmen: Im Jahr 2011 gingen 13,4 Prozent der betrieblichen Fehltage bei der DAK auf psychische Erkrankungen zurück. 2010 waren es noch 12,1 Prozent gewesen.

Eine repräsentative Umfrage der DAK bei rund 3.000 Erwerbstätigen zwischen 25 und 65 Jahren belegt die Bedeutung der beruflichen Stressbelastung. …

(Link nachträglich eingefügt)

… Die DAK-Empfehlungen entsprechen der Nationalen VersorgungsLeitlinie zu koronaren Herzkrankheiten, nach der individuelle psychosoziale Risikofaktoren erfasst und Herzerkrankungen durch „geeignete unterstützende, psychotherapeutische und/oder medikamentöse Maßnahmen“ begegnet werden sollen. … 

Wieder versäumt die DAK darauf hinzuweiseņ dass sich die Arbeitgeber in Deutschland 1996 straflos weigern konnten, die psychische Belastung in den Arbeitsschutz einzubeziehen.

 
Auf keiner der 179 Seiten des Berichtes kommt das Wort “Arbeitsschutz” vor:
http://www.dak.de/content/filesopen/Gesundheitsreport_2012.pdf

S. 5

… Schwerpunkt dieses Reportes ist das Thema: „Job, Gene, Lebensstil – Gefahr fürs Herz?“ …

S. 15

Betriebliche Einflussfaktoren auf den Krankenstand:

  • Viele Dienstleistungsunternehmen einschließlich der öffentlichen Verwaltungen stehen verstärkt unter Wettbewerbsdruck bei fortschreitender Verknappung der Ressourcen. In der Folge kommt es zu Arbeitsverdichtungen und „Rationalisierungen“ und vielfach auch zu Personalabbau. Daraus können belastende und krank machende Arbeitsbelastungen (z. B. Stressbelastungen) entstehen, die zu einem Anstieg des Krankenstandes führen.
  • Auf der anderen Seite sind von betriebsbedingten Entlassungen vor allem ältere oder gesundheitlich beeinträchtigte Beschäftigte betroffen. Da in den AU-Analysen nur die „aktiv Erwerbstätigen“ berücksichtigt werden, tritt hierdurch der sogenannte „healthy-worker-effect“ auf. Die Belegschaft erscheint also allein durch dieses Selektionsprinzip „gesünder“ geworden zu sein.
  • Im Zuge umfassender Organisations- und Personalentwicklung haben sich in den letzten Jahren viele Unternehmen verstärkt des Themas „betrieblicher Krankenstand“ angenommen. Insbesondere dem Zusammenhang von Arbeitsmotivation und Betriebsklima in Bezug auf das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen wird im Rahmen von betrieblichen Mitarbeiterzirkeln, -befragungen, Führungsstilanalysen etc. Rechnung getragen. [Der Schwerpunkt lag dabei auf der Verhaltensprävention.]
  • [Etwa 70% der Unternehmen wurde seit 1996 gestattet, die geltenden Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes und der Bildschirmarbeitsverordnung nicht umzusetzen. Dadurch wurden psychische Belastungen nicht in den der Verhältnisprävention Vorrang gebenden Arbeitsschutz einbezogen. Durch die entgegen den Vorschriften fehlenden Beurteilungen der psychischen Belastungen in den Unternehmen wurde auch verhindert, dass der Einfluss der Arbeitsorganisation auf die Gesundheit der Mitarbeiter besser verstanden wird.]

(Den Absatz in eckigen Klammern habe ich nachträglich eingefügt, um zu zeigen, welche Tatsachen die DAK unerwähnt lässt.)

S. 143


Erklärungen für das bei den DAK-Mitgliedern beobachtbare Krankenstandniveau sind jedoch auch auf betrieblicher Ebene zu suchen: Wenn es hier nicht zu einem Anstieg des Krankenstandes kommt, kann dies u. a. auf Aktivitäten der betrieblichen Gesundheitsförderung und die Berücksichtigung von Fragen der Mitarbeitergesundheit bei der Organisations- und Personalentwicklung in Unternehmen zurückgeführt werden.
… 

(Kursivsatz nachträglich vorgenommen)


Wird das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen auf der Ebene von Krankheitsarten betrachtet, zeigt sich im Vorjahresvergleich, dass Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen stark angestiegen sind. Daher sollten Maßnahmen der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung den Fokus u. a. auf den Abbau von psychosozialen Belastungen wie chronischer Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen, Überforderung etc. legen.
… 

S. 144


Auch können je nach Branche strukturelle Aspekte für die Krankheitsquote eine größere Rolle spielen. So fällt auf, dass der Krankenstand in einigen Branchen mit kleinbetrieblichen Strukturen, wie z. B. im Bereich „Rechtsberatung u. a. Unternehmensdienstleistungen“ unterdurchschnittlich ist. Für Groß- und Kleinbetriebe gleichermaßen ist das Betriebsklima, d. h. die soziale Kultur des Unternehmens, eine wichtige Einflussgröße, um den Krankenstand erfolgreich zu senken.
… 

Der mangelhafte Arbeitsschutz in den Betrieben wird inzwischen sogar von der Bundesarbeitsministerin bestätigt. Ein nachhaltig unvollständiger Arbeitsschutz ist nicht nur eine mögliche Ursachen für die Zunahme arbeitsbedingter Fehlbelastungen, sondern er verdeutlicht die unverantwortliche Einstellung der Mehrheit der Arbeitgeber zu ihren Pflichten. Sie scheuten trotz Warnungen nicht vor Rechtsbruch zurück. Viele Unternehmen brauchten mehrere Jahre, bis sie sich nach Einschreiten der Arbeitnehmervertretung mit einer vorschriftsmäßigen Umsetzung des Arbeitsschutzes befassten. Aber die DAK geht mit keinem Wort auf diese Widerwilligkeit ein. Das schadet der Glaubwürdigkeit der DAK-Gesundheitsreports 2012.
 

Siehe auch: http://blog.psybel.de/2012/02/22/dak_infarktrisiko2012/

Das Gesetz ist hier knallhart

Dienstag, 14. Februar 2012 - 07:42

Aus einem Interview in BILD am SONNTAG (2012-02-11): http://www.bild.de/geld/wirtschaft/ursula-von-der-leyen/wann-kommen-die-rekordgewinne-der-wirtschaft-22589168.bild.html

Als ich junge Ärztin war, hingen die Telefone noch fest an der Wand. Es gab kein Internet, nur Papierakten. Die Verdichtung und Geschwindigkeit der Arbeitsabläufe, das Zusammenfließen von Privat und Arbeit hat enorm zugenommen.

Das Gesetz ist hier knallhart. So wie der Bauarbeiter einen Helm tragen muss, ist im Arbeitsschutzgesetz auch verankert, dass die psychische Belastung eines jeden Arbeitsplatzes beurteilt werden und Erkrankungen wie Burnout vorgebeugt werden muss.

Das Problem: die allermeisten wissen nichts davon. Deshalb wünsche ich mir auch von den Tarifverhandlungen, dass es nicht nur ums Portemonnaie geht, sondern auch um gesündere Arbeitsbedingungen.

Ursula von der Leyen, Bundesarbeitsministerin, 2012-02-11

(Burnout kann zwar nicht als Krankheit diagnostiziert werden. Aber der Begriff hat sich als ganz hilfreich erwiesen, auf das Thema der Fehlbelastungsfolgen aufmerksam zu machen. Ursula von der Leyen ist ja nicht nur Ärztin, sondern auch Politikerin. Die darf das.)

Siehe auch: http://blog.psybel.de/knallharter-strafenkatalog-seit-1996-ungebraucht/ und http://blog.psybel.de/motivierendevorschriften/

Psychische Faktoren

Samstag, 7. Januar 2012 - 00:36

http://www.gefaehrdungsbeurteilung.de/de/gefaehrdungsfaktoren/psychische_belastung (BAuA):

In Veröffentlichungen von bekannten Krankenkassen und in der Tagespresse ist immer wieder zu lesen, dass der Krankenstand in den letzten vier bis fünf Jahren deutlich gesunken ist. Dabei wird gleichzeitig davon gesprochen, dass psychische Erkrankungen ständig zunehmen und immer häufiger zur Arbeitsunfähigkeit führen. Auch bei den Frührentenzugängen ist der Trend unverkennbar.

Die Ursachen für diese Entwicklung werden in steigenden psychischen (Fehl-) Belastungen gesehen. Für Deutschland und andere Länder der EU liegen jedoch für diese Aussage keine gesicherten Erkenntnisse vor.

Die Arbeitsaufgaben sind in vielen Bereichen heute wesentlich komplexer, ohne dass die Ressourcen, die für eine gesunde Bewältigung benötigt würden, zum Beispiel organisationale Ressourcen, Gestaltungsspielräume oder personelle Ressourcen im Sinne von gezielter Fort- und Weiterbildung, entsprechend erweitert wurden.

Erschwerend kommt hinzu, dass langjährig postulierte Ressourcen bei Stress, wie der Handlungsspielraum oder die soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte, angesichts der hohen Arbeitsverdichtung in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft nicht mehr wirksam sind beziehungsweise in der Arbeitssituation nicht mehr von den Arbeitsplatzinhabern als Entlastung wahrgenommen werden können.

Bei der hohen Verausgabung vieler Arbeitsplatzinhaber spielen das Vorgesetztenverhalten und die Anerkennung des persönlichen Einsatzes und der erbrachten Leistungen eine wichtige Rolle. Leider sparen die meisten Vorgesetzten bezüglich Lob und Anerkennung. Oft ist auch monetär keine Anerkennung möglich. Die Enttäuschungen führen in der Regel bei den Mitarbeitern kurzfristig zu Demotivation und Frustration. Mittelfristig nehmen Arbeitsunzufriedenheit und psychosomatische Beschwerden zu, das Arbeitsengagement nimmt ab. Langfristig kommt es zu “Dienst nach Vorschrift”, Erleben von Burnout, erhöhten Fehlzeiten und bei vorhandenen Alternativen zur Fluktuation. Starre Hierarchien und fehlende Aufstiegschancen verstärken die Effekte.

Das ist ein etwas merkwürdiger Artikel. Darin weist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) erst einmal auf “keine gesicherten Erkenntnisse” hin, um dann doch die verschiedenen Gefährdungsfaktoren anzusprechen. Ausgerechnet in diesem Portal für Gefährdungsbeurteilungen wird aber eine Erkenntnis übergangen: Die Mehrheit der Unternehmen bezieht die psychischen Belastungen nicht in die Gefährdungsbeurteilungen ihrer Arbeitsplätze mit ein. Vielleicht ist in vielen Unternehmen die Gewinnung gesicherter Erkenntnisse über psychische Fehlbelastungen nicht wirklich erwünscht?

Unzufriedenheit im Job

Montag, 10. Oktober 2011 - 10:22

Hessischer Rundfunk, Arbeit und Soziales
http://www.hr-online.de/website/radio/hr-info/index.jsp?rubrik=47962&key=standard_document_42811950

Die neuesten Studien sind alarmierend: Immer mehr Beschäftigte in Deutschland sind unzufrieden mit ihrem Job. Sie klagen über Arbeitsverdichtung, Stress und wenig Anerkennung. Vor allem Ältere sind frustriert.

http://mp3.podcast.hr-online.de/mp3/podcast/hr-info_arbeit_soziales/hr-info_arbeit_soziales_20111008.mp3 (11 MB)

Arbeitsbedingte Risiken für Depression

Samstag, 23. Juli 2011 - 21:02

http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/bptk-symposi-1.html

30. Juni 2011
BPtK-Symposium: Psychisch gesund bei der Arbeit
Kooperationen für Prävention, Behandlung und Rehabilitation

Arbeitsbedingte Risiken für Depression

Prof. Dr. Renate Rau, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Marburg, erläuterte den Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastungen und dem Auftreten psychischer Erkrankungen. Zahlreiche Studien hätten bisher Zusammenhänge zwischen psychischen Arbeitsbelastungen und psychischen Erkrankungen herstellen können. Bei diesen Studien sei aber nicht auszuschließen gewesen, dass psychisch kranke Menschen stärker über Arbeitsbedingungen klagen, die aus objektiver Sicht nicht überdurchschnittlich belastend sind.

In einer eigenen Studie konnte Prof. Rau jedoch diesen Zusammenhang anhand objektiv erhobener Merkmale der Arbeit und dem Auftreten von Depression nachweisen. Personen mit der objektiv höchsten Arbeitsintensität hatten ein 4,5fach erhöhtes Risiko, an Depression zu erkranken. Eine hohe Arbeitsintensität zeigt sich vor allem durch Zeitdruck und viele Unterbrechungen der Arbeitstätigkeiten. Auch die wahrgenommene soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte war bei Menschen mit Depression ungünstiger. Prof. Rau betonte die Bedeutung der Arbeitsprozesse für die Entstehung psychischer Erkrankungen und regte an, die Kenntnis von Arbeitsanalysen in der Aus- und Weiterbildung der Psychotherapeuten stärker zu berücksichtigen.

 

http://www.bptk.de/uploads/media/20110622_BPtK-Symposium_Psychisch_gesund_bei_der_Arbeit_Vortrag_Prof._Dr._Renate_Rau.pdf

Forschungsprojekt Nr. F1865 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
„Untersuchung arbeitsbedingter Ursachen für das Auftreten von depressiven Störungen“

… Analyse und Bewertung der Arbeitsbelastungen muss mit bedingungsbezogenenobjektivenund subjektivenVerfahren erfolgenTheoretische Basis:Job Demand/Control Modell (Karasek, 1979)Effort/Reward-Imbalance Modell (Siegrist, 1996)Konzept der aktiven Auseinandersetzung mit Tätigkeiten (Hacker, 1986)…

… Beispiel Objektive Arbeitsanalyse
Prinzipieller Ablauf:

  • Beobachtung der Arbeitstätigkeit vor Ort während einer Schicht
  • Ergänzung der Beobachtung durch gezieltes Nachfragen (= Beobachtungsinterview)
  • Einstufung auf verankerten Skalen
  • Erstellen des Tätigkeitsprofils
  • Ableitung von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen unter Einbezug arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse

WICHTIG: Nicht der Arbeitnehmer wird bewertet, sondern die Tätigkeit! …

… Zumindest für den Zusammenhang von hoher Arbeitsintensität und Depression kann eineevtl. bestehende störungsimmanente Wahrnehmungsverzerrungnicht verantwortlich sein. …


Berücksichtigung von Arbeitsstress und von Auslösern für Arbeitstress in der Psychotherapie:

  • Ein Großteil der Patienten steht im Arbeitsleben.
  • Arbeitsbedingter Stress kann durch Merkmale der Arbeit, der Organisationerzeugt werden.

ergo:

  • Eine „einseitige“ Veränderung des Verhaltens des Patienten vermindert diesen Stress nicht
  • Die Veränderung des Erlebens (Wahrnehmung der Umwelt inkl. Interaktion) kann sogar kontraproduktiv sein. Problem „Schuldfrage“.