Schlagwort 'Arbeitsschutzgesetz'

Arbeitszeitrecht als Arbeitsschutz

Freitag, 29. April 2016 - 07:30

In einem großen Unternehmen verteilte die dortige IGM-Gruppe gestern in ihren Mitteilungen an die Belegschaft einen langen Artikel zur psychischen Belastung. “Flexible” Arbeitszeiten im Weltkonzern führen zu psychischen Fehlbelastungen. Das Arbeitsschutzrecht wurde in dem Artikel mit keinem Wort erwähnt, sondern es ging um das Arbeitszeitrecht.

Ich habe Verständnis dafür: Derzeit gibt es in etwa 75% der deutschen Betriebe immer noch keine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. (Im Jahr 2012 waren es 80%.) Die behördliche Aufsicht ist machtlos (oder wird von politischen Führungen machtlos gehalten) und die privatwirtschaftlichen Auditoren von Arbeitsschutzmanagementsystemen sorgen unter den Augen der DAkkS dafür, dass ihre Klienten (die auditierten Betriebe) nicht durch sorgfältige Audits verschreckt werden. Man will ja im Geschäft bleiben.

Bei der Arbeitszeit ist es nicht besser. Undokumentierte Mehrarbeit wird immer wieder versucht. Aber das Thema “Arbeitszeit” ist weitaus weniger komplex, als der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Deswegen habe ich Verständnis dafür, dass die IGM scharf auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes achtet und dass Betriebsräte immer wieder die Arbeitszeitprotokolle der Mitarbeiter überprüfen. Das ist wohl einer der wirksamsten Hebel im Arbeitsschutz.

Ich selbst habe in Korea häufiger öfters auch mal 14 Stunden am Tag gearbeitet und mich dabei sehr wohl gefühlt, fast schon in Trance. Das war Softwareentwicklung “im Flow”, wobei ich überhaupt nicht unterbrochen werden wollte. In bestimmten Fällen ist auch lange Arbeit ein Vergnügen. Wegen solcher Beispiele könnte man au die Idee kommen, die Arbeitszeitregelungen in Deutschland “flexibilisieren” zu wollen.

Aber im Arbeitsschutz herrscht Anarchie. Solange Arbeitgeber sowohl von der behördlichen Aufsicht geduldet und wie auch von unkritisch prüfenden Auditoren abgesichert gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen dürfen, muss jeder Versuch, irgend etwas am Arbeitszeitgesetz zu drehen, mit aller Kraft abgewert werden. Die IGM hat völlig recht: Solange Arbeitgeber im Arbeitsschutz in ihrer großen Mehrheit geltendes Recht brechen dürfen und dabei vor Körperverletzungen nicht zurückschrecken, sind die Betriebsleitungen selbst daran schuld, wenn der Arbeitszeitknüppel immer wieder herausgeholt werden muss.

Vorschriften zur Gefährdungsbeurteilung

Mittwoch, 20. Januar 2016 - 07:50

Nachhilfe vom Gesetzgeber

Montag, 27. Juli 2015 - 06:39

BWRmed!a Personal und Arbeitsrecht aktuell hört mit seiner Desinformation in seiner Werbung für das E-Book »Gefährdungsbeurteilung leicht gemacht« nicht auf:

[...] “Gefährdungsbeurteilungen für psychische Belastungen am Arbeitsplatz” – jetzt vom Gesetzgeber gefordert. [...]

Was soll das? Der Gesetzgeber fordert das nicht erst “jetzt”, sondern schon seit vielen Jahren. Weil ein Großteil der Unternehmen das ignorierte, half der Gesetzgeber nur mit einer Klarstellung nach.

Es gibt außerdem schon genug gute Handlungshilfen für Unternehmen.

Freihandelsabkommen und Arbeitsschutz

Montag, 11. August 2014 - 07:04

http://www.igmetall.de/ttip-transatlantisches-freihandelsabkommen-zwischen-der-eu-und-13347.htm

TTIP: Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA
Abkommen nur mit höchsten Arbeits- und Sozialstandards
13.05.2014 

Mit einem Freihandelsabkommen wollen die EU und die USA den weltweit größten gemeinsamen Wirtschaftsraum schaffen. Dabei drohen Arbeitnehmerrechte, Sozialstandards und demokratische Prinzipien unter die Räder zu kommen. Wenige sollen zu Lasten von Vielen profitieren.

Der Beitrag geht den Fragen nach:

  • Worum geht es beim transatlantischen Freihandelsabkommen?
  • Was soll das Abkommen bringen?
  • Welche Risiken bestehen?
  • Wie ist die Position der IG Metall?

[...]

 
Suche: https://www.google.de/search?q=”Arbeitsschutz”+”Freihandelsabkommen”

  • Freihandelsabkommen gefährdet auch den Arbeitsschutz! [...]
  • Unfallversicherung warnt: Weniger Arbeitsschutz durch [...]
  • Freihandelsabkommen: EU will laut Geheimdokument [...]
  • Entwurf für das Freihandelsabkommen (TTIP), das [...]
  • Deutsches Institut für Normung : Freihandelsabkommen im Fokus der KAN-Konferenz [...]
  • [... ... ...]

 
KAN = Kommission Arbeitsschutz und Normung
TTIP = Transatlantic Trade and Investment Partnership
 

DNV·GL: Verantwortung im Arbeitsschutz

Sonntag, 16. Februar 2014 - 19:51

http://www.dnvba.com/de/training/Arbeitssicherheit/Pages/Verantwortung-im-Arbeitsschutz.aspx (Seminarankündigung)

Datum: 26. März 2014, 09:00 Uhr – 17:00 Uhr
Ort: Essen
[...]
Datum: 08. Oktober 2014, 09:00 Uhr – 17:00 Uhr
Ort: ​Hamburg
[...]
Inhalte:
  • Gesetzliche Rahmenbedingungen
  • Unternehmerpflichten
  • Sicherheitsorganisationsplan und Pflichten­übertragung
  • Verantwortlichkeiten von:
    • Führungskräften
    • Betriebsrat
    • Fachkräften für Arbeitssicherheit
    • Betriebsärzten
    • Sicherheitsbeauftragten
    • Arbeitsschutzausschuss
    • Mitarbeitern
  • Rechtsfolgen
  • Staatliche Überwachung
  • Die Rolle von Berufsgenossenschaften
  • Unfallentstehung und Unfallursachenanalyse
  • Auswirkungen nach einem Unfall
  • Vorbeugende Sicherheitsarbeit

[...]

“Betriebsrat” habe ich besonders hervorgehoben. Ein ernsthaft arbeitender Zertifizierer wird sicherlich darauf achten, das bei Audits nach OHSAS 18001 immer Betriebsräte dabei sind und dass die Vertraulichkeit von Auditunterlagen nicht dazu führt, dass den Arbeitnehmervertretern die ihnen nach § 87 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) zustehenden Unterlagen vorenthalten werden. Bei der Gestaltung z.B. eines an OHSAS 18001:2007 orientierten Handbuchs für das Arbeitsschutzmanagement eines Betriebes muss die Arbeitnehmervertretung nicht nur gemäß BetrVG mitbestimmen, sondern alle Änderungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz müssen gemäß OHSAS 18001:2007 4.4.3.2 mit der Arbeitnehmerseite abgesprochen werden.

Bei Audits kann ein Zertifizierer darauf achten, dass Arbeitnehmervertreter wissen, was der Absatz 4.4.3.2 in OHSAS 18001:2007 “Mitwirkung und Mitbestimmung” für sie bedeutet. Gut wäre es, wenn sie das z.B. im Arbeitsschutzmanagement-Handbuch (AMS-Handbuch) ihres Betriebes nachlesen können. Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass die für das AMS letzendlich verantwortliche oberste Führung über die “Ergebnisse der Mitbestimmung und Beratung” ordentlich informiert werden muss. Die zuständigen Betriebsräte erhalten eine Kopie der Managementreview, damit sie verstehen, wie die oberste Führung informiert wurde.

Bei deutschen Unternehmen mit Standorten in Regionen, in denen es keine Mitbestimmung gibt, kann der Absatz 4.4.3.2 in den dortigen Betrieben nicht durch einen simplen Verweis auf die an den einzelnen Standorten geltenden Gesetze ersetzt werden. Und in Deutschland selbst sind durchaus Mitbestimmungsregelungen erlaubt, die den Arbeitnehmern mehr Rechte einräumen, als das Betriebsverfassungsgesetz das verlangt.

Unabdingbare Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz

Sonntag, 2. Februar 2014 - 20:07

Das Arbeitsschutzgesetz ist ein Rahmengesetz. Was im Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht bereits gesetzlich geregelt ist und wo betriebsspezifische Ausgestaltungen von Rahmenvorschriften erfolgen, hat vom Betriebsrat mitbestimmt zu werden. Auf die Erfüllung dieser Pflicht darf auch die Arbeitnehmervertretung nicht verzichten.

Aus einem Beschluss des BAG vom 8.11.2011 (1 ABR 42/10):

[...] Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. [...]

Wenn standortübergreifende Regelungen in die Betriebe hineingreifen und somit die Wirkung betrieblicher Regelungen haben, dann sind z.B. mindestens die Gesamtbetriebsräte mitbestimmungspflichtig. Sie können von den lokalen Betriebsräten entspechend beauftragt werden. Betriebsräte bei der Mitzbestimmung zu behindern, ist strafbar.

 
Die Grundlage dieses BAG-Beschlusses ist das Betriebsverfassungsgesetz. Nicht nur Arbeitgeber könnten gegen dieses Gesetz verstoßen, sondern es kann auch Arbeitnehmervertretungen geben, die ihrer Mitbestimmungspflicht nicht gerecht werden. Es gibt Zertifizierer, die an der Überprüfung der Einhaltung der folgenden Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und an der Zusammenarbeit zwischen der Betriebsleitung und der Arbeitnehmervertretung (siehe z.B. OHSAS 18001:2007, Absatz 4.4.3.2) nicht sonderlich interessiert sind.
 

§ 80 BetrVG, Allgemeine Aufgaben

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
[...]
9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

 

§ 81 Betrvg, Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten. Er hat den Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen dieser bei der Beschäftigung ausgesetzt ist, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren und die nach § 10 Abs. 2 des Arbeitsschutzgesetzes getroffenen Maßnahmen zu belehren.

(2) Über Veränderungen in seinem Arbeitsbereich ist der Arbeitnehmer rechtzeitig zu unterrichten. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) In Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zu allen Maßnahmen zu hören, die Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer haben können.

(4) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die aufgrund einer Planung von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf seinen Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung sowie auf Inhalt und Art seiner Tätigkeit zu unterrichten. Sobald feststeht, dass sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändern wird und seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht ausreichen, hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer zu erörtern, wie dessen berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten den künftigen Anforderungen angepasst werden können. Der Arbeitnehmer kann bei der Erörterung ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

 

§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[...]
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
[...]
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
[...]

 

§ 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz
(1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.

(2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

(3) Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.

(4) An Besprechungen des Arbeitgebers mit den Sicherheitsbeauftragten im Rahmen des § 22 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch nehmen vom Betriebsrat beauftragte Betriebsratsmitglieder teil.

(5) Der Betriebsrat erhält vom Arbeitgeber die Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen, zu denen er nach den Absätzen 2 und 4 hinzuzuziehen ist.

(6) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Durchschrift der nach § 193 Abs. 5 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch vom Betriebsrat zu unterschreibenden Unfallanzeige auszuhändigen.

 
Links:

Gesetzliche Klarstellung

Mittwoch, 13. November 2013 - 06:43

http://www.kanzlei-hmh.de/gesetzliche-klarstellung-psychische-gefahrdungen-als-gesundheitsrisiken-anerkannt/

[...] Dr. Rüdiger Helm: „Im September erfolgte eine wichtige gesetzliche Klarstellung: Psychische Gefährdungen sind jetzt auch nach dem Gesetzeswortlaut als Gesundheitsrisiken anerkannt.“ [...]

Das Arbeitsschutzgesetz bleibt ein Rahmengesetz

Samstag, 9. März 2013 - 14:37

Dieser Artikel wurde durch einen Blogeintrag in blog.humanresourcesmanager.de zur vorgesehenen Änderung des Arbeitsschutzgesetzes angeregt (http://blog.humanresourcesmanager.de/2013/03/08/psychische-belastungen-bei-der-arbeit/):

[...] Auch wenn es zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Grundlage dafür schafft, dass das betriebliche Gesundheitsmanagement auch auf psychische Belastungen ausgeweitet werden kann, bleiben in der Praxis weiterhin viele Fragen offen. Insbesondere ist es für das Unternehmen nach wie vor schwer, zu erkennen, ob ein Arbeitnehmer tatsächlich psychisch erkrankt ist oder unter dem Deckmantel eines Burn-outs eine Krankheit lediglich vortäuscht und hierdurch umfangreiche Kosten verursacht [...] 

Jens Ginal erläutert auch,

  • dass bereits in der Vergangenheit galt, dass der Arbeitgeber auch dafür Sorge tragen muss, die Arbeitnehmer vor allen Faktoren zu schützen, die eine psychische Erkrankung auslösen können und
  • dass nach der vorgesehenen Änderung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) im Rahmen der nach § 5 Abs. 3 ArbSchG zu berücksichtigenden Gefährdungsfaktoren auch „psychische Belastungen bei der Arbeit“ einzubeziehen sind.

Weil gemäß Arbeitsschutzgesetz Arbeitsplätze beurteilt werden und nicht Erkrankte, geht Jens Ginals Hinweis auf offen bleibenden Fragen in die falsche Richtung. Ob ein Arbeitnehmer tatsächlich psychisch erkrankt ist oder eine Krankheit lediglich vortäuscht, ist kein Problem des Arbeitsschutzgesetzes. Das Arbeitsschutzgesetz ist so konstruiert, das Arbeitgeber genau auf diese Frage nicht ausweichen können. Da kann es dann z.B. darum gehen, ob bei einem Arbeitsplatz vorgetäuscht wird, ob er psychisch fehlbelastend sei, oder nicht ;-) Es kann ja auch vorkommen, dass Gefährdungsbeurteilungen falsch und Arbeits(platz)beschreibungen nicht realistisch sind. Es gibt Unternehmen, die selbst krasse Fälle psychischer Fehlbelastungen vor Audits verstecken.

Außerdem schafft der Gesetzgeber keine gesetzliche Grundlage dafür, dass das “Betriebliche Gesundheitsmanagement” (BGM) auch auf psychische Belastungen ausgeweitet werden kann. Diese Grundlage gibt es schon seit 1996. Sondern der Gesetzgeber schafft nun nur noch eine Grundlage für weniger Streit bei der Umsetzung der geltenden Vorschriften des Arbeitsschutzes: Spätestens im Jahr 2004 machte das BAG klar, dass der vorgeschriebene Arbeits- und Gesundheitsschutz (das freiwillige BGM ist hier kein Thema) seit Bestehen des Arbeitsschutzgesetzes auch auf psychische Belastungen ausgeweitet wurde. Die Arbeitgeber sollen nicht so tun, als ob das jetzt erst nach einer Änderung des Arbeitsschutzgesetzes klar werden würde.

 
Tatsächlich bleiben aber auch im geänderten Arbeitsschutzgesetz Fragen offen, und zwar mit Absicht: Wie sollen “psychische Belastungen bei der Arbeit” als Gefährdungsfaktoren berücksichtigt werden? Wo ist die Grenze zwischen Belastung und Fehlbelastung? Dass diese Fragen offen bleiben, liegt daran, dass das Arbeitsschutzgesetz (im Gegensatz zu der von den Ländern vorgeschlagenen “Anti-Stress-Verordnung”) ein Rahmengesetz geblieben ist, innerhalb dessen der Arbeitgeber den Arbeitsschutz betriebsnah gestalten muss. So wollten die Arbeitgeber das Ende des letzten Jahrhunderts. Sie argumentierten, dass bei zu engen konkreten Vorgaben in den unterschiedlichen Unternehmen keine betriebsgerechten Lösungen möglich seien. Die Erarbeitung konkreter Normen wurde also aus der Legislative in die Betriebe verlagert. Dass das Arbeitsschutzgesetz seit 1996 viele Fragen offen lässt, ist die logische Konsequenz aus diesem von den Arbeitgebern gewünschten und in einer eropäischen Richtlinie entsprechend bestimmten Vorgehen. Genau aus diesem Grund gehört zur Gestaltungspflicht der Arbeitgeber die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertreter.

Der weite Rahmen, den das Arbeitsschutzgesetz bietet, bedeutet nun aber nicht, dass ein Arbeitgeber beispielsweise einfach fünf Punkte zur psychischen Belastung (wobei der letzte Punkt 10.5 ein noch auszugestaltendes “Sonstiges” ist) aus einer Leitlinie der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzinitiative (GDA) in Vordrucke zur Gefährdungsbeurteilung eintragen und dann behaupten kann, es gäbe keine festen Vorgaben, mit denen sich Pflichtverletzungen nachweisen ließen. Manche Arbeitgeber “vergessen” hier nämlich das Betriebsverfassungsgesetz und die Urteile des BAG (z.B. 2004) zur Gefährdungsbeurteilung. Wendet der Arbeitgeber in einem Betrieb mit Arbeitnehmervertretern ein derart zusammengebasteltes Formular ohne Respekt für die Mitbestimmung an, dann stellt sich sogleich die Frage, ob er ein Straftäter ist, weil er die Mitbestimmung behindert hat. Einsetzen darf der Arbeitgeber solche Formulare erst, wenn er auch Prozesse gestaltet hat, mit denen dieses Formular nachvollziehbar ausgefüllt werden können. Die Arbeitnehmervertreter können bei der Gestaltung mitarbeiten, in jedem Fall müssen sie aber nach Abschluss der Gestaltung und vor der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen mitbestimmen.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können z.B. mit einer Betriebsvereinbarung regeln, wie psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung (und auch in die vorgeschriebene Unterweisung der Mitarbeiter) einbezogen werden sollen. Können sie sich nicht einigen, dann hilft zunächst eine Einigungsstelle. Wie auch immer, auf die Mitbestimmung darf keinesfalls verzichtet werden. Sie ist auch für die Arbeitnehmervertreter nicht nur ein Recht, sondern eine unabdingbare Pflicht, denn im Betriebsverfassungsgesetz steht nicht, dass sie mitbestimmen dürfen, sondern dass sie mitzubestimmen haben. Das ist sogar manchen Pesonal- und Betriebsräten immer noch nicht klar.

Übrigens: Die GDA hat nicht von Null angefangen. Der LASI leistete eine enorme Vorarbeit.

Unterschied zwischen Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit

Mittwoch, 6. März 2013 - 13:08

http://komnet.nrw.de/ccnxtg/frame/ccnxtg/danz?zid=public&did=1753&lid=DE&bid=ARB&

[...]

  • Arbeitsschutz: “Schutz des Beschäftigten vor berufsbedingten Gefahren und schädigenden Belastungen (Über- und Unterforderungen). Auf den Beschäftigten bezogen wirken sich Gefahren in Form von Personenschäden (Verletzungen, Berufskrankheiten und sonstigen Gesundheitsschädigungen), schädigende Belastungen in Form von schädigenden Beanspruchungen (Über- und Unterbeanspruchung) aus. Ziel des Arbeitsschutzes ist Arbeitssicherheit und Arbeitserleichterung.” (Skiba, 2000).
  • Arbeitssicherheit: “Arbeitssicherheit ist ein anzustrebender gefahrenfreier Zustand bei der Berufsausübung. Die auf den Menschen bezogenen Auswirkungen von Gefahren sind Personenschäden als Folge von Verletzungen (Unfällen), Berufskrankheiten und sonstigen schädigenden Einflüssen auf die Gesundheit.
    Die Vermeidung berufsbedingter gesundheitlicher Schädigungen ist ein Interesse, das jeder Beschäftigte von Natur aus besetzt, weil davon sein Wohlbefinden und seine wirtschaftliche Existenz abhängen. Insofern liegt zunächst ein grundlegendes Bedürfnis der Selbsterhaltung vor.
    Davon ausgehend ergibt sich auch die gesellschaftsorientierte Begründung der Notwendigkeit des Schutzes vor berufsbedingten Personenschäden. Zu unterscheiden sind humane (moralisch-ethische) sowie wirtschaftliche und volkswirtschaftliche Gründe.” (Skiba, 2000).

[...]

Beim Arbeitsschutz kommt also zum Schutz vor Gefahren noch der Schutz vor schädigenden Belastungen (Fehlbelastungen) hinzu.

Komnet weist auch noch auf ein Referat des Fachgebietes Arbeitspsychologie der Universität Duisburg-Essen hin, dass sich mit Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit befasst: http://fogs.uni-duisburg.de/asi_referat. Die beiden Anmerkungen (s.o.) zum Arbeitsschutz und zur Arbeitssicherheit (aus der Sicht der Arbeitspsychologie) hat Komnet wohl dieser Seite entnommen.

Klarer wird ein für die betriebliche Praxis wichtiger Unterschied nach einem Blick in zwei Gesetze:

  • “Arbeitsschutzgesetz”: Das “Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (ArbSchG)” fokussiert auf Prozesse.
    § 1 Zielsetzung und Anwendungsbereich

    (1) Dieses Gesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Es gilt in allen Tätigkeitsbereichen und findet im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1799) auch in der ausschließlichen Wirtschaftszone Anwendung.

    (2) Dieses Gesetz gilt nicht für den Arbeitsschutz von Hausangestellten in privaten Haushalten. Es gilt nicht für den Arbeitsschutz von Beschäftigten auf Seeschiffen und in Betrieben, die dem Bundesberggesetz unterliegen, soweit dafür entsprechende Rechtsvorschriften bestehen.

    (3) Pflichten, die die Arbeitgeber zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit nach sonstigen Rechtsvorschriften haben, bleiben unberührt. Satz 1 gilt entsprechend für Pflichten und Rechte der Beschäftigten. Unberührt bleiben Gesetze, die andere Personen als Arbeitgeber zu Maßnahmen des Arbeitsschutzes verpflichten.

    (4) Bei öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften treten an die Stelle der Betriebs- oder Personalräte die Mitarbeitervertretungen entsprechend dem kirchlichen Recht.

    Es wird gleich im ersten Absatz geregelt, dass Betriebs- oder Personalräte bzw. Mitarbeitervertretungen für das Arbeitsschutzgesetz relevant sind. Die Aufgabe dieser Organe sind Mitbestimmung und Aufsicht. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG)

  • “Arbeitssicherheitsgesetz”: Das “Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG)” fokussiert in seinem Titel auf Akteure.
    § 1 Grundsatz

    Der Arbeitgeber hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen. Diese sollen ihn beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung unterstützen. Damit soll erreicht werden, daß

    1. die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Vorschriften den besonderen Betriebsverhältnissen entsprechend angewandt werden,

    2. gesicherte arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Erkenntnisse zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung verwirklicht werden können,

    3. die dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung dienenden Maßnahmen einen möglichst hohen Wirkungsgrad erreichen.

Größere Unternehmen haben öfters schon ein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS). Gelegentlich findet sich auch der Begriff des Arbeitssicherheitsmanagementsystems. Jedoch gilt beispielsweise der Standard OHSAS 18001, nach dem AMS zertifiziert werden können, ganz klar den “Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsystemen”. “OHSAS” bezeichnet eine “Normenreihe zur Bewertung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes”.

Wichtig werden auch die anstehenden Änderungen des Arbeitsschutzgesetzes werden. Dabei geht es um die Gefährdungskategorie der psychische Belastungen. Beim ASiG wird sich nicht mehr viel tun.

Das Arbeitssicherheitsgesetz gilt den Akteuren im Arbeitsschutz. Das Arbeitsschutzgesetz beschäftigt sich mit der Vorgehensweise im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Insofern ist die Arbeitssicherheit nur ein Teil des Arbeitsschutzes. Darum kann sich ein Unternehmen z.B. Bei seinen generellen Richtlinien für Mitarbeiter nicht nur auf “Arbeitssicherheit” beschränken, sondern es muss alle Rechte und Pflichten berücksichtigen, die sich aus den Vorschriften des Arbeitsschutzes ergeben.

Es wird beim Arbeitsschutzgesetz auf die einzelnen Arbeitsplätze abgestellt

Donnerstag, 7. Februar 2013 - 15:59

http://www.dir-info.de/beruf-bildung/arbeitsschutzgesetz.html

… Das deutsche Arbeitsschutzgesetz geht von einem zweistufigen Verfahren aus, wenn der Arbeitsschutz garantiert werden soll.

  1. Zunächst findet eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen statt, die der Arbeitgeber durch geeignete Personen umzusetzen hat. Es wird beim Arbeitsschutzgesetz auf die einzelnen Arbeitsplätze und nicht auf die einzelnen Mitarbeiter abgestellt. Gefahren liegen also in der äußeren Umständen der Arbeit
  2. und sind zeitnah durch geeignete Maßnahmen abzuwehren, die zweite Stufe in der Anwendung des Arbeitsschutzgesetzes.

(Text zur besseren Lesbarkeit etwas umgestellt. Link nachträglich eingefügt.)

Tatsächlich sind das vier Schritte in einem Kreislauf, wobei nach dem letzten Schritt wieder zum ersten zurückgekehrt wird. Die Gefährdungsbeurteilung kann man (z.B. gemäß OHSAS 18001) wieder in zwei Schritte unterteilen, um Dispute darüber zu vermeiden, ob eine Gefährdung überhaupt bedeutend genug für eine Beurteilung ist. Dabei werden mit der Gefährdungserkennung mindestens die Voraussetzungen dokumentiert, auf denen basierend dann über die Notwendigkeit einer weitergehenden Risikobeurteilung zu entscheiden ist.

Die vier Schritte sind:

  1. Gefährdungsbeurteilung
        1.1.  Gefährdungserkennung
        1.2.  Risikobeurteilung
  2. Maßnahmenfestlegung
  3. Maßnahmenumsetzung
  4. Wirksamkeitskontrolle

Begleitet wird der der Zyklus von zwei weiteren Aufgaben:

  • Dokumentation
  • Unterweisung (basierend auf der Gefährdungsbeurteilung)