Schutzlücke beim Arbeitsschutz schließen

Samstag, 5. Januar 2013 - 16:30

Ende November 2012 hatte es die Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) noch geschafft, sich zu einem Enwurf zu einer Art “Anti-Stress-Verordnung” zu entschließen. Ein Zitat aus dem Protokoll:

Erschwerend kommt hinzu, dass die rechtliche Unverbindlichkeit dafür sorgt, dass im Spannungsfeld zwischen Unternehmensleitungen und staatlicher Aufsicht die Durchsetzungsfähigkeit für konkrete Forderungen an die Betriebe stark eingeschränkt ist.

 
Vorweg gleich eine Kritik: Ähnlich wie Arbeitgeber, sprechen anscheinend auch Politiker lieber über Wohltaten für ihre Schutzbefohlenen, als diese selbst bei der Gestaltung ihres Schutzes in den Betrieben mitbestimmen zu lassen. Obwohl es hier um den Schutz von Arbeitnehmern geht und gerade im Arbeitsschutz eine zwingende Mitbestimmungspflicht herrscht, interessieren sich die “Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder” (auch der SPD) in der ASMK kaum dafür, wie die Zielgruppe ihrers Vorschriftenentwurfs in den Betrieben praktisch mitbestimmt und wie man gegen die nicht seltene Straftat der Behinderung der Mitbestimmung vorgeht. Speziell bei Thema der Defizite in den Betrieben hätte die auch Qualifizierung der Arbeitnehmervertreter angesprochen werden müssen.

Die ASMK hat ignoriert, dass gerade die Gewerkschaften und die Betriebsräte (sowie nur vereinzelt auch die Arbeitsschutzbehörden) die aktivsten Impulsgeber beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz waren.

 

http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/3705684/2012-11-29-bgv-asmk-psychische-belastungen.html

… In der Verordnung soll als Konkretisierung des Arbeitsschutzgesetzes der Umgang mit arbeitsbedingten psychischen Belastungen verbindlich geregelt werden. Unternehmen sollen demnach künftig verpflichtend ermitteln, ob und welche Gefährdungen am Arbeitsplatz auftreten, etwa durch die Arbeitsaufgabe, -mittel, -organisation oder durch soziale Bedingungen. Die Verordnung soll Maßnahmen benennen, die eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch psychische Belastungen verringern oder vermeiden. Ebenso sollen Risikofaktoren und Gestaltungsgrundsätze festgeschrieben werden, die in Betrieben zu berücksichtigen sind. Die Verordnung soll die Anforderungen an Betriebe dabei ebenso klar wie verbindlich beschreiben, so dass die Arbeitsschutzbehörden prüfen können, ob Unternehmen diese angemessen erfüllen. …

 

http://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/schutzlücke-beim-arbeitsschutz-schließen

Pressemitteilung
Schutzlücke beim Arbeitsschutz schließen

Stand: 29.11.2012
Dokument Nummer: 1346
Arbeitsgruppen: Arbeit und Soziales
Abgeordnete/r: Anette Kramme, Josip Juratovic
Themen: Arbeit , Soziales

Zum heutigen Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zu psychischen Belastungen bei der Arbeit erklären die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Anette Kramme und der zuständige Berichterstatter Josip Juratovic:

Wir begrüßen diese Initiative ausdrücklich. Bisher ist alles mögliche im Arbeitsschutz per Verordnung geregelt – im Bereich psychische Belastungen fehlt jedoch eine Verordnung. Wir müssen diese Schutzlücke schließen und eine Anti-Stress-Verordnung schaffen. Ähnlich wie beim Lärmschutz muss es belastbare Vorgaben geben, um Angestellte besser vor Stress zu schützen. Wir fordern das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf, zügig eine solche Verordnung zu erlassen.

Die Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen haben stark zugenommen. Im vorletzten Jahr gab es insgesamt 53,5 Millionen psychisch bedingter Arbeitsunfähigkeitstage – das sind 80 Prozent mehr als im Jahr 2001. Diese Zahlen sind alarmierend. Wohlfeile Ankündigungen der Ministerin von der Leyen reichen nicht. Konkrete rechtliche Schritte sind nötig.

Die SPD setzt vor allem auf Prävention. Psychische Belastungen in der Arbeitswelt müssen so weit es geht vermieden werden. Dazu brauchen wir klare Regeln im Arbeitsschutz. Die von den Ländern geforderte Anti-Stress-Verordnung ist ein sinnvoller und gangbarer Weg. Zweitens wollen wir, dass mehr Unternehmen als bisher Gefährdungsbeurteilungen erstellen und dabei auch psychische Belastungen beachten. Drittens muss das betriebliche Gesundheitsmanagement unterstützt und gefördert werden.

 


ASMK-Protokoll: http://blog.psybel.de/wp-content/uploads/2013/01/Protokoll_ASMK_2012.pdf, S. 158-168
TOP 7.29
Psychische Belastungen bei der Arbeit
Antragsteller: Brandenburg, Bremen, Hamburg,
Nordrhein-Westfalen

Beschluss:
Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder haben mehrheitlich beschlossen:

Arbeitsbedingte psychische Belastungen sind zu einem zentralen Thema der gesundheits- und arbeitsschutzpolitischen Diskussion geworden. Nach den Auswertungen der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit gehört arbeitsbedingter Stress zu den wesentlichen gesundheitsgefährdenden Ursachen in der Arbeitswelt. Nach den Berechnungen der Krankenkassen werden die jährlichen Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen in Deutschland auf insgesamt über 43 Milliarden Euro geschätzt, die sich aus etwa 19 Milliarden Euro direkter und 25 Milliarden Euro indirekter Kosten zusammensetzen. Bei den direkten Kosten nehmen die psychischen Störungen mit ungefähr drei Milliarden Euro nach den Muskel-Skelett-Erkrankungen den zweiten Rang ein. Im Hinblick auf die indirekten Kosten lösen die psychischen Störungen mit gut 3 Milliarden Euro die zweithöchsten Kosten aus, bezüglich der indirekten Kosten durch Frühberentung sogar die höchsten. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder:

1. stellen fest, dass ein dringender Handlungsbedarf für den Arbeitsschutz besteht, die negativen Auswirkungen arbeitsbedingter psychischer Belastungen zu vermeiden oder zu verringern. Die gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen, als auch die enormen betriebs- und volkswirtschaftlichen Kosten erfordern Anstrengungen aller Akteure.

2. halten es für erforderlich, dass die Aufsichtsbehörden hinsichtlich arbeitsbedingter psychischer Belastungen mit den in diesem Themenfeld agierenden Akteuren, Netzwerken und Sozialpartnern kooperieren müssen, insbesondere mit den Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern.

3. sprechen sich dafür aus, dass die staatlichen Arbeitsschutzbehörden ihre Aktivitäten im Handlungsfeld „arbeitsbedingte psychische Belastungen“ auf der Grundlage der vorhandenen Konzeptionen und Handlungshilfen weiter intensivieren.

4. sind der Auffassung, dass für arbeitsbedingte psychische Belastungen die rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Grundpflichten der Arbeitgeber, der Anforderungen an die entsprechende Gefährdungsbeurteilung und zur Umsetzung präventiver Maßnahmen nicht hinreichend konkret beschrieben sind. Sie bitten die Bundesregierung, die notwendigen Rechtsgrundlagen für eine angemessene Überwachung und Beratung der Betriebe zu arbeitsbedingten psychischen Belastungen zu schaffen und die Länder an der Erarbeitung zu beteiligen.

Protokollnotiz Baden-Württemberg:
Eine zu erlassende Verordnung sollte gegebenenfalls durch ausreichend bestimmte Rechtsbegriffe die Arbeit der Arbeitsschutzbehörden und das Engagement der Unternehmen erleichtern und die Kooperationsbereitschaft der Arbeitgeber und der anderen Akteure nicht beeinträchtigen. In diesem Sinne und mit dem Ziel der Verschlankung sollte der vorliegende Arbeitsentwurf mit Stand vom 21.09.2012 noch einmal kritisch überprüft und überarbeitet werden.

Anlage zu TOP 7.29 der 89. ASMK
Eckpunktepapier:
Psychische Gesundheit bei der Arbeit schützen und fördern
1 Psychische Belastungen in der Arbeitswelt – Eine Herausforderung für Betriebe und Aufsichtsbehörden …
2 Europäischer Rahmen …
3 Handlungskonzepte der Länder …
4 Umsetzungsdefizite …
    Defizite in Betrieben …
    Defizite im Aufsichtshandeln …

    Gesetzlicher Rechtsrahmen fehlt …
5 Umsetzungsvorschläge …
    Betriebliche Umsetzung stärken …
    Mehr Verbindlichkeit durch Rechtsoffensive schaffen …
    Mehr Wirksamkeit des Aufsichtshandelns erhöhen …
    Ziel der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie Nachdruck verleihen …
6 Grundzüge einer „Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch psychische Belastungen bei der Arbeit“ …

 


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