Kategorie 'Gewerbeaufsicht'

Lästiger Kontrolldruck

Dienstag, 3. Februar 2015 - 16:51

Dass bayerische CSU-Politiker die ersten sind, die sich beim Mindestlohn gegen endlich einmal ernst zu nehmende Kontrollen wehren, ist überhaupt keine Überraschung. Strunzdumm schwafeln sie von “Planwirtschaft” und “überbordender Bürokratie”.

Im Arbeitsschutz kann man beobachten, wie ein Gewerbeaufsichtler ein Unternehmen als “Vorreiter” bezeichnet, das immer noch keine mitbestimmten Prozesse hat, mit der psychische Belastungen beurteilt werden. Freundlich wird das kontrollierte Unternehmen außerdem darauf hingewiesen, dass man bei den vielen Unternehmen, für die die Gewerbeaufsicht zuständig ist, sowieso nicht so genau hinsehen kann.

Im Bereich der privatisierten Kontrolle stufen akkreditierte Auditoren eine mangelhafte Vorfallserfassungen im Arbeitsschutzmanagement nur als “Beobachtung” und nicht als “Abweichung” ein, obwohl damit eine der Grundlagen des Arbeitsschutzes nicht funktioniert.

Es schmerzt im Umgang mit Vorschriften kreative Unternehmer natürlich besonders, wenn sie für Regelverstöße ihrer Subunternehmer verantwortlich gemacht werden sollen. Das Outsourcing von Verantwortung war schließlich ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells “Subunternehmen”. Unterstützt wurde das z.B. im Arbeitsschutz durch Zertifikate, mit denen Subunternehmer ihre Auftraggeber schützen, aber nicht wirklich die in den Subunternehmen arbeitenden Menschen. Und nun soll die Party vorbei sein? Haben kreative Unternehmer vielleicht sogar Angst, dass möglicherweise wirkungsvolle Kontrollen des Mindestlohnes irgendwann einmal auch im Arbeitsschutz stattfinden könnten?

In Deutschland durften 80% der Betriebe gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen. Als ein Hauptgrund wurde im Bundestag die überforderte Aufsicht erkannt. Mehr als ein Jahrzehnt der Überforderung ist aber auch kein Versehen mehr, sondern System.

Es gibt natürlich auch anständige Arbeitgeber, also 20% weiße Schafe neben 80% schwarzen Schafen.

Wer die Zustände bei der Aufsicht (behördliche und akkreditierte private Auditoren) im Arbeitsschutz kennt, wünscht sich die Kontrollqualität, die beim Mindestlohn vorgesehen ist (oder vorgesehen war?). Leider sind in in der deutschen Arbeitswelt potentielle Gesetzesbrecher anscheinend immer noch stark genug, gegen Kontrollen vorgehen zu können.

GDA: Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Dienstag, 14. Oktober 2014 - 05:55

Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes Ende 2013 wird gerne mißverstanden. Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes ist eine Klarstellung bereits geltenden Rechts. Diese Klarstellung entlässt die Arbeitgeber also nicht aus ihrer Verantwortung für ihre von den Gewerbeaufsichten tolerierten Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz in der Vergangenheit. Wie man richtig darstellen kann, dass die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes nur eine Klarstellung bereits zuvor geltender Vorschriften ist, zeigen die Arbeitgeber (BDA) selbst (2013-08):

[...] Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt werden. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 27. Juni 2013 verabschiedet. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz wird voraussichtlich Ende September 2013 den Bundesrat passieren. [...] 

Mit diesem Hintergrundwissen zur Änderung des Arbeitsschutzgesetzes Ende 2013 können wir uns nun einer Pressemeldung der GDA zuwenden: http://www.gda-portal.de/de/PresseAktuelles/PresseAktuelles.html

11.09.2014 

Neue GDA-Publikation gibt Hilfestellung bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes Ende 2013 hatte es verdeutlicht: Arbeitgeber müssen psychische Belastungen bei der Arbeit in der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Aber wie kann das in der Praxis umgesetzt werden? Eine neue Broschüre der GDA liefert Antworten.

Die im Rahmen des Arbeitsprogramms Psyche erarbeiteten “Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung” erläutern in sieben Schritten die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, ihre Methoden und Instrumente. Mit den Empfehlungen wird ein Korridor beschrieben, innerhalb dessen sich die konkrete Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung bewegen sollte. Die Broschüre richtet sich insbesondere an Unternehmen und betriebliche Arbeitsschutzakteure (u.a. Arbeitgeber, Betriebs-/Personalräte, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit).

Man sollte nun aber nicht so tun, als ob es bisher keine Hilfestellungen für die Arbeitgeber gegeben hätte. Ein Blick in die jüngere Geschichte des Arbeitsschutzes in Deutschland zeigt, dass sie schon im Jahr 2009 in der LASI-Veröffentlichung 52 nachlesen konnten (wenn es sie interessiert hätte), wie die behördliche Aufsicht psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einbeziehen sollen. Die LV 28 und die LV 21 zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz erschienen bereits in den Jahren 2002 und 2003. Auch von der DGUV gab es genügend viel Informationen und Hilfestellungen.

Wenigstens die großen Unternehmen kannten also die Pflichten, gegen die sie verstießen, und die Möglichkeiten, die sie ungenutzt ließen, schon seit vielen Jahren. Da aber auch die überforderten (und z.T. politisch ausgebremsten) Gewerbeaufsichten ihre eigenen Vorgaben kaum umsetzten, konnten die meisten Arbeitgeber zum Nachteil ihrer Mitarbeiter weiterhin ungeniert gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen. Hier begingen einige große Unternehmen, die es wissen mussten, über viele Jahre hinweg vorsätzlich Rechtsbruch. Noch schlimmer: Die Arbeitsschutzmanagementsysteme dieser Unternehmen wurden nach Audits (ohne Beteiligung der Arbeitnehmervertreter) durch unaufmerksame Zertifizierer abgesegnet, obwohl psychische Belastungen in den Gefährdungsbeurteilungen weder prozesshaft noch mitbestimmt erfasst und beurteilt wurden.

Man sieht: Hilfestellungen alleine helfen nicht, denn ohne Kontrolle werden Schutzbestimmungen ganz locker und souverän ignoriert.

Update 2016-01: http://blog.psybel.de/dr_lists_blog_2016021/

Schläft die Gewerbeaufsicht in Gladbeck?

Samstag, 5. Juli 2014 - 06:49

http://arbeitsunrecht.de/interclean-im-centro-oberhausen_dreckiger-geht-es-nicht/

… Starker Tobak im Herzen des Ruhrgebiets: Ein autoritärer Chef setzt eine breite Palette von Union Busting Methoden gegen neu gewählten Betriebsrat ein. Gewerkschafter werden systematisch aus der Firma gemobbt. Hinzu kommt eine ungute Verfilzung der Putzfirma mit dem Management des CentrO Oberhausen – laut wikipedia die größte Shopping-Mall Europas, rund 23 Millionen Besucher im Jahr. Wir fragen uns: Was macht eigentlich die zuständige Staatsanwaltschaft? …

Aber dann wird doch noch über den richtigen Weg berichtet:

… Die Interclean-Beschäftigten sollten sich trotzdem zur Wahl aufstellen lassen, denn Helmuth Barkowski und sein Anwalt Martin Löbbecke werden demnächst vermutlich Nachhilfe bezüglich des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) bekommen. Gewerkschaftssekretärin Gerlinde Schenk bereitet einen Strafantrag wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit nach §119 des BetrVG vor. …

Wenn die Betriebsratsarbeit behindert wird, macht die Staatsanwaltschaft von sich aus nichts. Der Betriebsrat muss klagen. Das ist nicht einfach. Soweit der Grund, warum Arbeitgeber auch in Deutschland oft ganz ungehemmt strafbare Handlungen begehen können ohne dass sie bestraft werden. Besser sieht es aus, wenn sich die Gewerkschaft darum kümmert. Das darf sie. Massiv unter Druck gesetzt, würden sich auf sich alleine gestellte Betriebsratsmitglieder in der Praxis kaum ohne Nachteile gegen Schikane wehren können.

Während die Staatsanwaltschaft unbeteiligt zusehen darf, hätte aber eine andere Institutionen die Pflicht, proaktiv einzuschreiten, wenn ein Arbeitgeber Mitarbeiter mit psychischen Fehlbelastungen unter Druck setzt. Physische Fehlbelastungen (ungeheiztes Betriebsratsbüro im Container) entsprechen auch nicht den Anforderungen des modernen Arbeitsschutzes. Die zuständigen Aufsichtsbehörden haben dafür zu sorgen, dass der Arbeitgeber sich an die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetztes hält und sowohl psychische wie auch physische Fehlbelastungenbelastungen mindert anstatt damit Druck auf Mitarbeiter auszüben. Vorsätzliche Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz sind strafbar. Wir fragen uns: Was machen eigentlich die zuständige Gewerbeaufsicht und die zuständige Berufsgenossenschaft?

 


2014-07-07: Habe heute erfahren, dass inzwischen der Bruder des Arbeitgebers der Arbeitnehmervertreter ist…

DAkkS-Beschwerdeverfahren

Sonntag, 15. Dezember 2013 - 10:23

Unser heutiges Arbeitsschutzgesetz trat im Jahr 1996 in Kraft. Es war als Rahmengesetz konzipiert und sollte somit einen Freiraum für betriebsgerechte Lösungen bieten. Eine wichtige Grundlage war die Annahme, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander vereinbaren, wie der Arbeitsschutz in einem Betrieb konkret umgesetzt wird. Insbesondere im Bereich der psychischen Belastungen hat das nicht funktioniert. Es kann immer noch passieren, dass ein Betrieb sein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) ohne Betriebsrat aufbaut und anschließend externen Auditoren angeblich bereits implementierte Prozesse zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz präsentiert, die die Betriebsleitung unter Umgehung der Mitbestimmung gestaltet hatte.

Wenn unkritische Auditoren trotz dieser strafbaren Missachtung des Betriebsverfassungsgesetzes ein Zertifikat nach OHSAS 18001 erteilen, kann der Arbeitgeber anschließend der immer noch überforderten Gewerbeaufsicht dieses Zertifikat vorlegen. Die Gewerbeaufsicht prüft dann nur “entlastet”. Sie merkt zum Beispiel nicht, dass der Betriebsrat dem AMS nicht zugestimmt hat. Zudem lassen sich unerfahrene Betriebsräte von dem Zertikat (sowie von der vom Zertifikat beeindruckten Gewerbeaufsicht) beeindrucken, obwohl sie ja gar nicht wissen, was der Arbeitgeber den Auditoren erzählt hatte.

Betriebsräte dürfen sich nicht von einem Zertifikat einschüchtern lassen, sondern gerade wenn es von bei der DAkkS akkreditierten Auditoren nach einer Missachtung der Mitbestimmung erteilt wurde, wird es Zeit, sich bei der DAkkS als Aufsicht der Auditoren zu beschweren.

 
Nehmen Sie (z.B. als Mitglied eines Betriebsrates oder eines Personalrates) einmal an, dass Ihre Betriebsleitung bei externen Audits ihres AMS darstelle, dass psychische Belastungen in dem Arbeitsschutz ihres Betriebes ordungsgemäß implementiert seien. Wenn Sie dem nicht zugestimmt haben und die Betriebsleitung trotzdem auf ihrer Position besteht, dann behindert die Betriebsleitung die Mitbestimmung. Rufen sie die Einigungsstelle an.

Damit Betriebs- und Personalräte kompetent mitbestimmen können, haben sie das Recht, sich von einem qualifizierten Sachverständigen ihrer Wahl beraten zu lassen. Die Kosten für solche Sachverständige trägt der Arbeitgeber. Erfahrene Sachverständige können der Arbeitnehmervertretung auch helfen, die Übernahme der Beratungskosten durch den Arbeitgeber bei einer Einigungsstellt oder vor Gericht durchzusetzen.

Erst wenn die Arbeitnehmervertretung zugestimmt hat oder der Spruch einer Einigungsstelle eine fehlende Zustimmung ersetzt hat, kann die psychische Belastung als in den Arbeitsschutz einbezogen dargestellt werden.

Selbst die Gewerbeaufsicht kann ohne vollzogene Mitbestimmung nicht behaupten, psychische Belastungen seien in den Arbeitsschutz eines Betriebes mit einbezogen. Natürlich muss die Arbeitnehmervertretung (oder die Einigungsstelle) das Urteil der Gewerbeaufsicht berücksichtigen. Aber die Gewerbeaufsicht darf nicht entscheiden, dass der Arbeitsschutz in dem Betrieb ausreichend vollständig implementiert sei, wenn die Mitbestimmung behindert wurde. Eine wichtige Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes ist doch, dass es betriebsnah umgesetzt wird. Dass können nur Leute machen, die sich in dem Betrieb auskennen. Darum hat der lokale Betriebsrat oder Personalrat mitzubestimmen.

Wenn die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz von der Betriebsleitung missachtet wird, dann bricht die Betriebsleitung auch dann gesetzliche Vorschriften, wenn die Gewerbeaufsicht keine Abweichungen festgestellt hat. Darum darf der Betrieb nicht nach OHSAS 18001 zertifiziert werden. Außerdem: Ohne vollzogene Mitbestimmung darf sich die Gewerbeaufsicht nicht von AMS-Zertifikaten “entlastet” fühlen, an deren Zustandekommen der Betriebsrat nicht beteiligt war.

Eine Nachlässigkeit der Gewerbeaufsicht und der externen Auditoren kann man daran erkennen, dass sie sich nicht für eine Überprüfung der Mitbestimmtheit der Gestaltung und Durchführung des Arbeitsschutzes in einem Betrieb interessieren. Bei Audits nach OHSAS 18001 müsste die Mitbestimmung sogar Gegenstand der Audits sein. Auch bei großen Zertifizierungsgesellschaften ist hier Nachlässigkeit und Desinteresse nicht ausgeschlossen. So geht’s halt zu im Zertifizierungsgeschäft.

Sollte einem Betrieb trotz einer Missachtung der Mitbestimmungspflicht von einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifikator ein AMS-Zertifikat erteilt worden sein, dann können sich Arbeitnehmer und ihre Vertretungen bei der DAkkS beschweren. In einem entsprechenden Verzeichnis der DAkkS finden sie eine Beschreibung des DAkkS-Beschwerdeverfahrens.

Übersicht 2013: Psychische Belastungen im Betrieb

Donnerstag, 12. Dezember 2013 - 15:04

http://www.regierung.oberpfalz.bayern.de/download/gewerbeaufsicht/medz_arbeitsschutz/psych_belastungen/psych_belast_betrieb.pdf ist eine aktuelle Übersicht von Joachim Beitner (Gewerbearzt), Regierung der Oberpfalz/von Niederbayern, Gewerbeaufsichtsamt, Dateidatum: 2013-11-21

“Kriegen Sie da nichts raus!”

Dienstag, 10. Dezember 2013 - 22:12

Heute im NSU-Prozess: Ein Ermittler soll von einem höherrangigen Beamten aufgefordert worden sein, nicht allzu genau nachzufahnden. Könnte das auch in der Gewerbeaufsicht passieren? Die Defizite im Aufsichtshandeln sind eine Tatsache.

Schüchterne Gewerbeaufsicht

Montag, 18. November 2013 - 07:30

Die Gewerbeaufsicht in Bayern kneift immer noch: In http://www.stmas.bayern.de/arbeitsschutz/arbeitsmedizin/psychologie.php war einmal (2011-07-13) zu lesen:

[...] Arbeitspsychologie

In der heutigen Arbeitswelt spielen psychische Belastungen eine immer größere Rolle. Angst vor Arbeitsplatzverlust, hoher Zeitdruck, Zunahme der Arbeitsmenge, Informationsmangel- oder Informationsüberflutung, Kommunikationsbarrieren, geringe Qualifizierungsmöglichkeiten oder zu wenig Handlungsspielraum können Kopfschmerzen, Lustlosigkeit, “Ausgebranntsein”, Schlafstörungen oder Erkrankungen verursachen.

Psychische Fehlbelastungen lassen sich vermeiden. Die bayerische Gewerbeaufsicht überprüft die Betriebe und legt die Abhilfemöglichkeiten in einer Zielvereinbarung fest.

In Fällen von Bournout, Mobbing, Gewalt am Arbeitsplatz oder posttraumatischer Belastungsstörung führt die Gewerbeaufsicht keine Konfliktberatungen durch. Sind keine Verstöße im arbeitsschutzrechtlichen Sinne festzustellen, so wird auf externe Berater und Beratungsstellen oder auf das Präventionsnetzwerk verwiesen. [...]

(Hervorhebungen wurden nachträglich vorgenommen)

Mitte 2012 verschwand die “Zielvereinbarung” von der Seite der bayerischen Gewerbeaufsicht. War das Versprechen der Gewerbeaufsicht an die Arbeitnehmer zu mutig? Hielten die Unternehmen in Bayern Zielvereinbarungen für eine Respektlosigkeit? Tatsächlich habe ich heute den Eindruck, dass es für die Gewerbeaufsicht in Bayern gerade bei großen und politisch gut vernetzten Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung ist, in diesen Unternehmen das Fehlen mitbestimmter Prozesse zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen als Abweichung zu erkennen. Nicht nur, dass es dann keine Sanktionen gab, sondern nun traute sich die Aufsicht nicht einmal mehr, öffentlich zu schreiben, dass bei Abweichungen Zielvereinbarungen zur Verbesserung der Situation getroffen werden.

Kann es vorkommen, dass die Gewerbeaufsicht Verbesserungsprojekte im Arbeitsschutz lobt und sie dabei mit einem bereits ordentlich implementierten Arbeitsschutz verwechselt? Lob ist eine feine Sache, aber wie dokumentiert die Gewerbeaufsicht, dass in der Übergangszeit von einem bisher unvollständigen Arbeitsschutz zum ganzheitlichen Arbeitsschutz für die Mitarbeiter ein erhöhtes Gefährdungsrisiko besteht?

Falls es das Instrument der Zielvereinbarung noch geben sollte, so kann man auch heute nichts darüber im Webauftritt der bayerischen Gewerbeaufsicht nachlesen. Wer hat den Hinweis streichen lassen? Wie sehen in den Behörden der Gewerbeaufsicht eigentlich die Gefährdungsbeurteilungen für die Arbeitsbedingungen der Aufsichtspersonen aus?

Wann ist betriebliche Gesundheitsförderung Arbeitsschutz?

Freitag, 19. April 2013 - 06:54

http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/gesundheitsvorsorge/betriebliche_gesundheitsfoerd/bgf.htm

[...]
Ziele
Betriebliche Gesundheitsförderung zielt darauf ab, gesundheitliche Belastungen am Arbeitsplatz abzubauen. Dadurch wird das Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten und gefördert. Das schließt Unfall- und Krankheitsverhütung ein, will aber darüber hinaus die Kräfte des einzelnen stärken und all das, was bei der Arbeit fit hält bspw. eine inhaltlich befriedigende Tätigkeit. 

Ansatzpunkte
Gesundheitsförderung nimmt in erster Linie die Arbeitsbelastungen ins Visier. Aber auch gesundheitsschädigende Verhaltensweisen der Beschäftigten können bspw. durch Rückenschulen, Kurse zur Stressbewältigung, Ernährungsberatung usw. positiv beeinflusst werden. So findet eine Verknüpfung von verhältnis- und verhaltensorientierter Prävention statt.
[...]

Die Minderung gesundheitlicher Fehlbelastungen am Arbeitsplatz ist das Ziel des Arbeitsschutzes, der in die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) eingebettet sein kann. In der Wirklichkeit setzen die Arbeitgeber in der betrieblichen Gesundheitsförderung derzeit noch andere Schwerpunkte. Die Kräfte der einzelnen Mitarbeiter zu stärken erhöht deren Beanspruchbarkeit. Das ist eine feine Sache, verändert aber nichts an der Belastung der Mitarbeiter.

In der heutigen betrieblichen Praxis der betrieblichen Gesundheitsförderung wird die Arbeitsbelastung erst in zweiter Linie ins Visier genommen. Statt dessen wird der Verhaltensprävention Vorrang vor der Verhältnisprävetion gegeben. Der Schwerpunkt liegt auf individuellem Resilienzaufbau: Dabei fordern Arbeitgeber, die ihrer Verantwortung für den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz seit 1996 mehrheitlich nicht gerecht wurden, nun umgekehrt ihre Mitarbeiter auf, ihrerseits eigenverantwortlich ihre Gesundheit zu erhalten. Die Chuzpe kann so weit gehen, dass individuelle Maßnahmen, für die Mitarbeiter auch noch eigene Zeit und eigenes Geld aufbringen müssen, der Öffentlichkeit, den Auditoren der Aufsichtsbehörden und den Zertifizierungsgesellschaften als Arbeitschutzmaßnahme verkauft werden.

Für die Arbeitgeber freiwillige Maßnahmen müssen von den vorgeschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen unterschieden werden. Auditoren der Aufsichtsbehörden, Berufsgenossenschaften und Zertifizierungsgesellschaften können nur solche Maßnahmen als Maßnahmen der Arbeits- und Gesundheitsschutzes enerkennen,

  • die vorrangig arbeitsplatzbezogen und verhältnispräventiv sind (weil im Arbeitsschutz individuelle Maßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen sind) und
  • deren Kosten (Zeit und Geld) vollständig vom Arbeitgeber getregen werden und
  • die mitbestimmt festgelegt, durchgeführt und kontrolliert werden.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dann können die Maßnahmen nicht als Nachweis für eine Umsetzung der Arbeitsschutzvorschriften herangezogen werden. Eine Maßnahme, die der Betriebsrat (oder die Einigungsstelle oder schließlich ein Gericht) nicht als Arbeitsschutzmaßnahme anerkennt, ist kein Beitrag zur Erfüllung der Arbeitsschutzvorschriften.

Haftung für psychische Verletzungen

Donnerstag, 31. Januar 2013 - 07:06


http://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/1339019/Neue-Pflicht-zur-Praevention

Neue Pflicht zur Prävention

30.01.2013 | 18:13 | von Katharina Braun (Die Presse)

Arbeitnehmerschutz. Dienstgeber müssen künftig mehr auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter achten. von Katharina Braun …

Tatsächlich gehen die Anfang des Jahres umgesetzten Änderungen des österreischen Arbeitnehmerschutzgesetzes weiter, als die anstehenden Klarstellungen im deutschen Arbeitsschutzgesetz. Aber auch in Österreich hatten die Arbeitgeber psychische Belastungen schon vorher in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Der Vorteil der österreichischen Nachbesserungen gegenüber den deutschen Klarstellungen: In Österreich ist durch konkrete Vorgaben zur Umsetzung der Vorschrift die Überprüfbarkeit der Vorschriftenbefolgung einfacher geworden.

Auch Folgendes wird nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland festgestellt werden können:

… Anwälte orten einen erhöhten Beratungsbedarf im Zusammenhang mit psychischen Belastungen in der Arbeitswelt …

Deutschland gehört zu der Art von Ländern, in denen Arbeitgeber ungestraft gegen Arbeitsschutzbestimmungen verstoßen dürfen. Die große Mehrheit der Unternehmen tut das dann auch, und zwar (angesichts des inzwischen vorhandenen Wissens) vorsätzlich. Wenn manche Unternehmen psychische Fehlbelastungen vermindern, dann geschieht das nicht basierend auf einer Gefährdungsbeurteilung, sondern gerade zur Vermeidung einer Gefährdungsbeurteilung. Dass das eine Missachtung von Vorschriften (und ggf. von Selbstverpflichtungen z.B. nach OHSAS 18001) ist, stört die Gewerbeaufsicht nicht.

Unternehmen verstoßen gegen ihre Pflichten wohl auch, weil Gefährdungsbeurteilungen Haftungsgründe dokumentieren könnten. Da kann es für Unternehmen kostengünstiger sein, einfach das Gesetz zu missachten. In der Diskussion um die Hemmnisse, ernsthaft psychische Belastungen in Gefährdungsbeurteilungen zu evaluieren, wird in den Medien das Thema “Haftung” bzw. “Entschädigung” erstaunlich selten thematisiert. In Österreich spricht Die Presse das Thema an:

… Rechtsanwältin Ulrike Kargl weist außerdem darauf hin, dass Leiharbeiter diesbezüglich jetzt ebenfalls gleiche Rechte wie die Stammbelegschaft haben: „Bei erlittenen persönlichen Beeinträchtigungen kann man laut Gesetz eine Entschädigung fordern. Bisher konnte das einfach dadurch umgangen werden, dass die Überlassung beendet und das Dienstverhältnis anschließend vom Überlasser gekündigt wurde.“

Die derzeit vorgesehenen Änderungen im deutschen Arbeitsschutzgesetz stellen nur Pflichten klar, die auch bisher schon bestanden. Die Durchsetzbarkeit des Arbeitsschutzgesetzes verbessert sich dadurch also nicht. Unter Anderem mangels ausreichender Kontrolle durch die Gewerbeaufsicht können geschädigte Arbeitnehmer auch weiterhin nur mit großen und kräftezehrenden Anstrengungen nachweisen, dass ihr Arbeitgeber die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes ignoriert. Darum ist die “Anti-Stress-Verordnung” wohl nicht vermeidbar. Vielleicht werden auch Verbesserungen im Betriebsverfassungsgesetz durchsetzbar sein, aber es reicht nicht, die Betriebsräte zu stärken, sondern im Arbeitsschutz muss in den Betriebsräten ein besseres Wissen um psychische Belastungen aufgebaut werden.

Schluss mit lustig

Mittwoch, 30. Januar 2013 - 07:25

http://www.landeszeitung-rlp.de/2013/01/29/arbeitsschutzgesetz-gegen-psychische-belastungen-nutzen/

… Der DGB-Landesvorsitzende Dietmar Muscheid hat die Landesregierung angesichts der zunehmenden psychischen Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu strengeren Kontrollen des Arbeitsschutzes aufgefordert. „Nur etwa jeder zehnte Beschäftigte wird im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung seines Arbeitsplatzes überhaupt nach psychischen Stressfaktoren befragt“, sagte Muscheid am Dienstag in Mainz. … „Die Nichteinhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen muss auch in Bezug auf psychische Belastungen sanktioniert werden“…

Kleiner Tip: Arbeitgeber haben sich in jedem Fall an die Vorschriften zu halten, egal ob die Belastungen zunehmen oder nicht.