Kategorie 'Referenzen'

Bewusst falsche Übersetzung in DIN ISO 45001

Donnerstag, 16. August 2018 - 07:29

Nach einem Einspruch beim Spiegelausschuss NA 175-00-02 AA “Arbeitsschutzmanagementsysteme” gegen eine Fehlübersetzung ist in der deutschen Fassung der ISO 45001 trotz der Eindeutigkeit des Fehlers eine falsche Übersetztung des Begriffes “ill health” durchgesetzt worden. Das kann kein Versehen gewesen sein, denn der Ausschuss wusste, dass “ill health” nicht “illness” (“Erkrankung”) ist, sondern das gilt:

Medical Definition of ill-health: a condition of inferior health in which some disease or impairment of function is present but is usually not as serious in terms of curtailing activity as an illnes

Quelle: https://www.merriam-webster.com/medical/ill-health

Die Autoren des Originals der ISO 45001 wie auch die WHO verstehen unter Gesundheitsschutz mehr, als nur die Vermeidung von (eventuell auf die ICD beschränkten) Krankheiten. Meiner Ansicht nach benötigt “ill health” eine eigene (von “injury” bzw. “Verletzung” getrennte) Definition, z.B. “schlechte Gesundheit”. In Deutschland wollte man sich nicht an diese Vorgabe halten und hat darum die Norm verfälscht.

Deutschen Arbeitgeber bekämpfen die WHO-Definition von Gesundheit, in der Gesundheit mehr ist, als nur das Fehlen einer Erkrankung. Aus praktischer Erfahrung weiß ich, dass Arbeitgeber an einer falschen Übersetzung des Begriffes “ill health” als “Erkrankung” interessiert sind. Sie wollen nur ärztlich diagnostizierte Erkrankungen erfassen und haben darum den weiteren Bereich der “schlechten Gesundheit”, den die internationale Norm umfasst, in Deutschland eingeschränkt.

Wenn sich ein Arbeitgeber weigert, einen nicht ärztlich diagnostizierten schlechten Gesundheitszustand zu erfassen, können Betriebsräte (wo es die gibt), die genügend kompetent und durchsetzungsfähig sind, versuchen, auf die Umsetzung des englischsprachigen Textes zu bestehen (insbesondere, wenn englischsprachig auditiert wird). Aber leider kennen sich nur die wenigsten Betriebsräte aus. Darauf setzen die Arbeitgeber.

Reha: Reparaturwerkstatt für die Unternehmen

Sonntag, 4. März 2018 - 12:17

Dank gewollt überforderter Aufsichtsbehörden brauchen Unternehmen die vorgeschriebene Verhältnisprävention zur Minderung psychischer Fehlbelastungen nicht ernsthaft durchzuführen. Ich halte das für kriminell. Aber solange Politiker von den Unternehmen gut gepflegt werden können, wird es keine Gesetzgebung geben, die den Rechtsbruch der großen Mehrheit der Unternehmer kriminell macht.

Reha Maßnahmen wegen psychischer Erkrankungen nehmen zu:

  • B5 aktuell (Start im Podcast: 19m34s): “Von allen Arbeitnehmern, die eine Erwerbsminderungsrente bewilligt bekommen, habe 43% psychische Probleme.” Da geht es dann auch schon nicht mehr um eine Reha, die es den Geschädigten ermöglicht, weiterzuarbeiten.
  • perspektive-online.net
  • Deutsche Rentenversicherung

Das seit etwa 2010 gängige Narrativ ist, dass psychische Erkrankungen inzwischen besser erkannt und damit häufiger diagnostiziert würden, als das früher der Fall war. Zudem sei die Stigmatisierung in der Gesellschaft rückläufig. Auf den nachhaltigen Rechtsbruch der sich seit 1997 über die Vorschriften des Arbeitsschutzes stellenden Unternehmer wird nicht eingegangen. Wir scheinen zu blöd zu sein, zu verstehen, dass dieser Rechtsbruch Folgen hat: Die Täter in der Wirschaft können sich weiterhin ungestraft bei der Gemeinschaft der Versicherten bedienen.

Das Staatsversagen hält schon lange an, ist also Vorsatz. Es funktioniert für die Unternehmen recht gut.

Gefährdungen reichen

Mittwoch, 8. November 2017 - 16:52

https://www.bund-verlag.de/aktuelles~BAG-stärkt-Betriebsrat-im-Arbeitsschutz~?newsletter=BR-Newsletter%2F07.11.2017

[...] Das BAG vertrat seit geraumer Zeit die problematische Auffassung, die Mitbestimmung im Gesundheitsschutz sei eingeschränkt und verlange eine konkrete, im Betrieb nachweisbare Gesundheitsgefahr. Das war vor allem die Auffassung des Urteils vom 11.12.2012 (1 ABR 81/11).

Das neue Urteil [1 ABR 25/15], das diese Auffassung verwirft, ist somit ein Paukenschlag für die Betriebsräte, die im Arbeits- und Gesundheitsschutz tätig sind. Ab sofort brauchen sie nicht mehr eine konkrete Gesundheitsgefahr im Betrieb nachzuweisen, um tätig zu werden. Vielmehr reichen bloße Gefährdungen aus. Damit sind vor allem die Rechte der Betriebsräte im Präventionsbereich deutlich gestärkt. [...]

Fake-Prüfungen

Mittwoch, 11. Oktober 2017 - 18:27

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/vw-audi-zulassungen-101.html

Bei der Zulassung neuer Audi-Modelle haben Prüfer ungeprüft Angaben des VW-Konzerns übernommen. Das belegen Recherchen von NDR, WDR und SZ. Wurden die Typgenehmigungen für Millionen Fahrzeuge des VW-Konzerns auf fragwürdiger Basis erstellt? [...]

Auch die Gewerbeaufsicht und bei der DAkkS akkreditierte Prüfer (CABs) hinterfragen nach meiner Meinung immer noch nicht ausreichend, was ihnen insbesondere Großunternehmen mit ihren aufgebrezelten Präsentationen zeigen.

Im konkreten VW-Fall geht es jedoch um das Unternehmen ATE in Luxemburg.

Wenn BGM zum Arbeitsschutz wird

Dienstag, 19. September 2017 - 11:22

http://www.bund-verlag.de/blog/betriebsrat/psychische-leiden-am-arbeitsplatz-nehmen-zu/?newsletter=BR-Newsletter%2F19.09.2017

AOK-Fehlzeiten-Report 2017
Psychische Leiden am Arbeitsplatz nehmen zu

18 Sep, 2017 Aktuelles ,Kategorie: Aktuelles ,Themen: Arbeitsschutz [...]

Der Schwerpunkt liegt hier auf nicht-arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen, die sich natürlich auch am Arbeitsplatz auswirken. BGM (Betrieblisches Gesundheitsmanagement) hilft hier, aber der Umgang mit persönlichen Lebenskrisen ist erst nachrangig ein Arbeitsschutzthema.

Merke: Bei der Prävention im gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz geht es um die verhältnispräventive Minderung arbeitsbedingter psychischer Fehlbelastungen.

Für Betriebsräte wichtig: BGM kann ein Rahmen für den Arbeitsschutz bieten. BGM kann aber auch dazu missbraucht werden, mitbestimmungspflichtige und nicht mitbestimmungsflichtige Maßnahmen miteinander zu verquirlen und damit die Mitbestimmung zu schwächen. Darum müssen Betriebsräte aufpassen: Alle Maßnahmen, die der Arbeitgeber der Gewerbeaufsicht und externen Auditoren (z.B. OHSAS 18001) als Beitrag zur Umsetzung der Vorschriften des Arbeitsschutz darstellt, sind mitbestimmungspflichtig.

Betriebsräte sollten deswegen mithören und mitlesen können, wie ein Unternehmen seinen Arbeitsschutz gegebnüber der behördlichen Aufsicht und externen Auditoren darstellt.

Read draft and comment: BS 45004 systems. General guidelines on effective application of ISO 45001

Mittwoch, 9. August 2017 - 21:29

https://standardsdevelopment.bsigroup.com/projects/2015-03411/

Comment period start date: 2017-08-07
Comment period end date: 2017-10-10

Zustimmung zum Enwurf der ISO DIS 45001

Montag, 24. Juli 2017 - 08:40

Zwar wurde der Entwurf ISO DIS 45001.2 seitens des deutschen Spiegelausschuss NA 175-00-02 AA “Arbeitsschutzmanagementsysteme” abgelehnt, aber insgesamt wurde er in der internationalen Abstimmung jedoch nun angenommen.

Im deutschen Spiegelausschuss wird u.A. noch ein Hinweis zum Entwurf der deutschen Sprachfassung diskutiert, der die Richtigkeit der Übersetzung des Begriffs “ill health” mit “Krankheit” in in Frage stellt. Der Begriff “Krankheit” beschreibt ja nur eine Teilmenge der Gesundheitszustände, die der Begriff “Ill health” umfasst.

Ein ähnlicher Fehler hatte sich übrigens schon in die deutsche Fassung von OHSAS 18001:2007 eingeschlichen. Dort wurde “ill health” fälschlicherweise mit “Erkrankung” übersetzt.

DIN ISO 45001: Ihre Mitarbeit am Entwurf ist gefragt

Samstag, 13. Mai 2017 - 14:11

Sie können an der Norm ISO/DIS 45001.2:2017 mitarbeiten. Das ist ein Standard zu Anforderungen an Arbeitsschutzmanagementsysten mit Leitlinien zur Anwendung. Der deutsche Text steht Ihnen dazu bis 2017-07-05 in Deutsch zur Verfügung. (Start war 2017-05-07, aber wegen einer technischen Panne funktionierte das erst seit 2017-05-12.) Auf den englischsprachigen Text können Sie über das BSI Einfluss nehmen.

DIN ISO 45001 ist die am heißesten diskutierte Norm in der langen Geschichte der ISO und des DIN. Sie dürfen den Entwurf bis 2017-07-05 auch auch in Deutschland als “Einsprecher” kommentieren, z.B. um Verbesserungen zu bewirken. (Das ist ein wichtiger Unterschied z.B. zum von der Gesundheitsmanagement-Branche durchgedrückten Möchtegernstandard DIN SPEC 91020.)

Aus Deutschland wirken auch Organisationen bei der Gestaltung des Standards auf internationaler Ebene mit, z.B. die Kommission Arbeitsschutz und Normumg (KAN).

Aber auch jeder Einzelne kann auf die Entwicklung der Norm Einfluss nehmen. Wer noch nicht registriert ist, kann sich vorher kostenlos registrieren lassen und dann Einsprecher werden, um damit die Urheberrechte für Einsprüche an das DIN abzutreten. Dazu kann man ein Formular anfordern, seine zwei Seiten ausdrucken und es dann per Post unterschrieben an den DIN e.V. zurücksenden. Nachdem Sie per E-Mail eine Bestätigung vom DIN bekommen, können Sie als Einsprecher loslegen.

Beim DIN kann man nur die eigenen Stellungnahmen lesen. Beim BSI konnten die Einsprecher im Jahr 2016 alle Kommentare und Verbesserungvoschläge lesen. Mal abwarten, wie es in diesem Jahr (2017-05-26 bis 2017-09-27) aussieht.

In https://www.din.de/de/mitwirken/entwuerfe/ne-stellung/wdc-beuth:din21:273150856!full-text geht es dann zum Text des Standards mit Kommentiermöglichkeiten.

Das ist übrigens wohl die letzte Gelegenheit, sich den Arbeitsschutzstandard zumindest als Entwurf kostenlos anzusehen. Das ist insbesondere für Betriebsräte wichtig. Im Gegensatz zu Schutzgesetzen wird DIN ISO 45001 später in den Betrieben leider nicht aushangpflichtig sein, denn solche Standards sind teuer und urheberrechtlich geschützt.

 
Ungesunde deutsche Übersetzung

In einem Punkt ist jetzt schon klar, dass ein Einspruch notwendig ist: Wie bei OHSAS 18001 wurde nun auch wieder in der deutschsprachigen Version des Entwurfs der ISO 45001 der Fehler begangen, “ill health” mit “Krankheit” zu ersetzen (siehe 3.18 Verletzung und/oder Krankheit). Das ist schlicht falsch.

Warum aber soll die Begriffsdefinition für “Ungesundheit” im englischsprachigen Originalstandard in der deutschsprachigen Version mit dem Begriff “Krankheit” verfälscht werden? Vielleicht wird immer noch nicht akzeptiert, dass sowohl die Autoren des Originals der ISO 45001 wie auch die WHO unter Gesundheitsschutz mehr verstehen, als die Vermeidung von (eventuell auf die ICD beschränkten) Krankheiten. Meiner Ansicht nach benötigt “ill health” eine eigene (von “injury” bzw. “Verletzung” getrennte) Definition. “Ill health” ist nicht “illness” sondern es gilt:

Medical Definition of ill-health: a condition of inferior health in which some disease or impairment of function is present but is usually not as serious in terms of curtailing activity as an illnes

Quelle: https://www.merriam-webster.com/medical/ill-health

Dass dieser Übersetzungsfehlerfehler (zum Nachteil der Arbeitnehmer) in OHSAS 18001 in die DIN 45001 übernommen werden soll, ist interessant, denn ein anderer Fehler (über den sich deutsche Arbeitnehmer in nach OHSAS 18001:2007 zertifizierten Betrieben bisher freuen konnten) wurde durchaus korrigiert: In OHSAS 18001 wurde “consultation” (nach intensiveren Debatten in Deutschland) mit “Mitbestimmung” übersetzt. In der DIN 45001 soll nun “Konsultation” stehen. Das ist schwächer als “Mitbestimmung”. Aber diese Übersetzung ist in Ordnung. Warum aber wird die falsche Übersetzung von “ill health” nicht ebenfalls in Ordnung gebracht?

Immer noch unverstandene Gefährdungsbeurteilung

Freitag, 12. Mai 2017 - 20:59

Im Artikel Produktives Arbeitsklima schaffen (Wirtschaft – Das IHK-Magazin für München und Oberbayern – 01/2017, 73. Jahrgang, 2. Januar 2017) von Eva Müller Tauber geht es um die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (S. 55ff):

Die Infineon Technologies AG hat bereits einige Erfahrung mit der Ermittlung psychischer Belastung im Betrieb gesammelt: „Schon 2009 haben wir erstmals an der Mitarbeiterbefragung ‘Great place to Work‘ teilgenommen, bei der auch die Arbeitsplatzqualität unter psychischen wie physischen Gesichtspunkten abgefragt wird“, erläutert Ralf Memmel (53), Sprecher der Betriebsleitung und Leiter HR Talent Marketing, Diversity Management und Health.

Wenn Instrumente von Great Place to Work für eine Gefährdungsbeurteilung verwendet werden sollen, so muss das vor deren Einsatz mit dem Betriebsrat explizit als Arbeitsschutzmaßnahme geregelt werden, weil ansonsten die Arbeit des Betriebsrates behindert worden wäre.

„Man muss versuchen, eine subjektive Empfindung objektiv zu messen und sie Faktoren zuzuordnen, die sich verändern lassen. Um eine Belastung dann abzustellen oder zumindest zu mindern, müssen konkrete Maßnahmen möglich sein“, erklärt Memmel. Die Einschätzung einer Belastung sei nicht nur von der Arbeitsplatzgestaltung abhängig, sondern auch von anderen Dingen, etwa der Persönlichkeit eines Beschäftigten und seiner Tagesform.

Muss man nicht.

  • Was der Arbeitgeber machen muss, ist eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen. Das ist Vorschrift. Die “Persönlichkeit” von Beschäftigten hat mit der Beurteilung der Arbeitsbedingungen (für die der Arbeitgeber verantwortlich ist) nichts zu tun. Es ist hart für Arbeitgeber, aber der Arbeitsschutz ist nun einmal verhältnispräventiv orientiert.
  • Mit der die Gefährdungsbeurteilung müssen keine subjektiven Empfindungen erfasst werden, sondern sie muss sich objektiv den Auslösern (für die der Arbeitgeber verantwortlich ist) von Empfindungen widmen. Dazu müssen alle Führungskräfte, die Arbeitsabläufe gestalten und umsetzen, lernen, die mit diesen Arbeitsabläufen verbundenen Belastungen bewusster und systematischer in Gefährdungsbeurteilungen zu berücksichtigen, als das bisher der Fall war. Ein guter Platz für die Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsabläufen ist der Abschnitt zur Risikoabwägung, den es ohnehin in einer professionellen Prozessbeschreibung gibt.
  • Nicht Belastungen müssen abgestellt oder gemindert werden, sondern Fehlbelastungen. Ohne Belastungen gibt es keine Arbeit, was dann wohl erst recht eine Fehlbelastung ist.

 
 

In dem Artikel kommt auch ein Arbeitsmediziner der bayerischen Gewerbeaufsicht zu Wort:

„Da viele Firmen diese Aspekte [der psychischen Belastung] bisher nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt haben, hat der Gesetzgeber sie im Rahmen des Bundesunfallkassen-Neuordnungsgesetzes im Oktober 2013 nun nochmals explizit im Arbeitsschutzgesetz angesprochen“, erläutert Klaus Volk, Arbeitsmediziner beim Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Oberbayern.

Ein Grund für diesen Zustand ist das Versagen der Gewerbeaufsicht, wuvor vermutlich Klaus Volk nicht verantwortlich ist, sondern Politiker, die die behördliche Aufsicht so führen, dass Aufsichtspersonen leicht unter Druck geraten und systemisch (Zeit, Ausstattung, Befugnisse) überfordert sind. In meinem Geschäft nennt man das “designed to fail.”

Anstelle z.B seit 1996 jahrelange Verlschleppungen des Einbezugs des Arbeitsschutzes in den Arbeitsschutz als Ordnungswidrigkeite (oder bei Vorsatz als Straftat) strenger zu ahnden, geht es zu wie im Kindergarten: Die bayerische Gewerbeaufsicht lobt Unternehmen für ihre Bemühungen, das Arbeitsschutzgesetz umzusetzen. Auch das darf sich gerne wieder über Jahre hinziehen. Das ist nicht gut für die Arbeitnehmer. Mängel müssten gerade bei Großunternehmen deutlicher angesprochen werden, insbesondere wenn sie den verhaltenspräventiven Arbeitsschutz mit einer überwiegend verhaltenspräventiven (aber oft werbewirksameren) Gesundheitsförderung marginalisieren.

Es gibt wohl wegen der Schwäche der Gewerbeaufsicht auch heute noch größere Unternehmen, bei denen ein Drittel der befragten Mitarbeiter angeben, dass sie den Schutz ihrer psychischen Gesundheit nicht gewährleistet sehen. Aus der Sicht der Arbeitnehmer verstößt der Arbeitgeber also gegen das Arbeitsschutzgesetz. Solche Angaben von Arbeitgebern sollte eine Gewerbeaufsicht genau so respektieren, wie die Präsentationen des Arbeitgebers.

Arbeitsmediziner Volk rät zu einem systematischen Prozess. Um Gefährdungen zu erkennen, können Unternehmen auf bereits vorhandene Daten wie etwa Ausfalltage oder die Fluktuation zurückgreifen. Am besten beginnen sie mit einfachen Erhebungsinstrumenten. Je nach Unternehmen können Mitarbeiterbefragungen, Gruppenverfahren – wie zum Beispiel ein Workshop – oder Experten zum Einsatz komme 

Das ist heute der Standardansatz bei der Beurteilung psychischer Belastungen. Der Aufwand wird damit hoch getrieben, weswegen Gefährdungsbeurteilungen leiderleider so herausfordernd sind. Vielleicht käme ein Arbeits- und Organisationspsychologe eher als ein Arbeitsmediziner auf die Idee, dass schon bei der Arbeitsgestaltung auch nicht-technischer Prozesse frühzeitig und kontinuierlich darauf geachtet zu werden hat, psychische Fehlbelastungen zu vermeiden. Besonders wichtig ist das in Großunternehmen, in denen die Mitarbeiter in Matrix-Organisationen in mehreren unterschiedlichen Prozessen arbeiten. Diese Arbeitsabläufe haben gefährdungsbeurteilt zu werden, und zwar möglichst schon bevor in Umfragen Fehlbelastungen festgestellt werden. Die vom Arbeitsmediziner Klaus Volk vorgeschlagenen Befragungsinstrumente eigenen sich eher zur gesetzlich vorgeschriebenen Wirksamkeitskontrolle von Arbeitsschutzmaßnahmen als zur Gefährdungsbeurteilung.

Klaus Volk:

„In der Praxis zeigt sich leider, dass vor allem bei kleinen und mittleren Firmen das Thema Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen nach wie vor nicht auf der Agenda steht“, weiß der Experte. Nach seiner Erfahrung beschäftigen sich auch größere Firmen zum Teil nur ansatzweise damit, nach dem Motto: „Wir haben ein gutes Betriebsklima und keine psychisch erkrankten Mitarbeiter“ oder verweisen auf ihre Maßnahmen zur Gesundheitsförderung. Oft reagieren die Unternehmen auch nur, wenn Aufsichtsbehörde oder Betriebsrat es fordern.

Da hat er recht. Ich glaube aber, dass Großfirmen nicht viel besser sind, als KMUs. Größere Firmen haben jedoch oft eine professionellere Außenkommunikation und können auch ihren Arbeits. und Gesundheitsschutz besser verkaufen. Zudem sind sie politisch besser vernetzt, was ihre Position gegenüber Prüfern der Gewerbeaufsicht stärkt. Das erklärt vieleicht, warum die bayerische Gewerbeaufsicht beim Thema “Zielvereinbarungen” den Schwanz eingezogen hat.

Noch ein Tipp an die Gewerbeaufsicht: Wenn ein Arbeitgeber jahrelange Verzögerungen beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz mit der Komplexität dieses Themas zu rechtfertigen versucht, dann prüfen sie:

  • Wie viele Psychologen beschäftigt das Unternehmen mit Imagepflege? Und wie viele Psychologen beschäftigt das Unternehmen im Arbeitsschutz? Ohne ausreichende Ressourcen kommt man natürlich nicht weiter. Wenn ein Unternehmen noch Mängel im Arbeitsschutz beheben muss, dann reicht eine Budgetierung nach DGUV Vorschrift 2 nicht aus.
  • Hat das Unternehmen mit der Bewältigung komplexer Aufgaben z.B. im HR-Bereich gezeigt, dass es durchaus in der Lage ist, mit komplexen Aufgaben umzugehen, wenn die Unternehmensführung das will?
  • Im Fall, dass das Arbeitsschutzmanagementsystem des Unternehmens zertifiziert ist: Kann man dem Zertifiket trauen (und das gemäß Anhang 5 in der LV 54 berücksichtigen), wenn es innerhalb des Arbeitsschutzmanagementsystems kein reguläres Verfahren zur Beurteilung psychischer Belastungen gibt?

Und bitte mehr Zurückhaltung beim Lob von Bemühungen im Arbeitsschutz. Lob Kann motivieren. Aber ein von der Gewerbeaufsicht gelobtes Unternehmen kann dieses Lob auch gegen Arbeitnehmer einsetzen, wenn deren Vertreter Mängel im Arbeitsschutz kritisieren oder wenn vom Arbeitgeber psychisch verletzte Arbeitnehmer Haftungsansprüche erheben. Es ist nicht die Aufgabe der Gewerbeaufsicht, die Rechtssicherheit von Arbeitgebern mit Lob zu stärken, bevor die Bemühungen des Unternehmens im ganzheitlichen Arbeitsschutz zum Ziel geführt haben.

Mit Lob für Bemühungen ohne klarem Tadel für jahrelange Verzögerungen verwehrt die Gewerbeaufsicht den Arbeitnehmern den Schutz, auf den sie Anspruch haben. Die Gewerbeaufsicht leistet hier einen traurigen Beitrag zum generellen Versagen der behördlichen Aufsicht in Deutschland.

Proposal: BS 45004 Occupational health and safety management systems. General guidelines on effective application of ISO 45001

Samstag, 6. Mai 2017 - 11:49

Proposals on BS 45004: https://standardsdevelopment.bsigroup.com/projects/3a879651ac6d2e245e7c31aa0efebab9

Public Comments start date: 2017-03-13
Public Comments end date: 2017-05-24
2017-05-06: The text seems not to be accessible.

See also: http://blog.psybel.de/stichwort/iso-45001-english/

I don’t know whether any 45004 standard will be necessary. As far as I understand, ISO 45001 already will include guidelines.