Kategorie 'Nachrichten'

Die DAkkS kommt in die Nachrichten

Donnerstag, 24. Dezember 2015 - 09:05

https://magazin.spiegel.de/SP/2015/53/140604225/index.html

Au­to­mo­bi­le
Voll­brem­sung

TÜV, Dekra und Co. könnten ihre Zulassung als Kfz-Prüfer verlieren. Das System der Hauptuntersuchung ist bedroht – mit Folgen für Werkstätten und Millionen Pkw-Halter.
[...]
Auf zwei Sei­ten führ­te DAkkS-Chef Nor­bert Barz auf, war­um sei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on ge­den­ke, den Prü­fern eine Ver­län­ge­rung der Ak­kre­di­tie­rung zu „ver­wei­gern“. Be­su­che vor Ort hät­ten er­ge­ben, dass „im er­heb­li­chen Um­fang“ Mess­ge­rä­te ein­ge­setzt wer­den, die nicht nach den „ein­schlä­gi­gen An­for­de­run­gen“ und dem „Stand der Tech­nik ka­li­briert sind“. [...]

Die DAkkS traut sich was. Dass sie damit im Kfz-Bereich anfängt, hat mindestens zwei Gründe:
(1) Es ist jetzt wirklich schwer geworden, wegzusehen.
(2) Kalibrierungsmängel und andere technisch messbaren Abweichungen und Prozesse lassen sich ziemlich klar nachweisen. Hier kann die DAkkS leichter gegen die “Prüfkonzerne” (Originalton SPIEGEL) vorgehen, als z.B. bei schlampigen Prüfungen von Arbeitsschutzmanagementsystemen, bei denen Abweichungen nicht so klar nachweisbar sind.

[...] Was erlaubt sich dieser Berliner DAkkS den da? Das kleine Unternehmen, zu zwei Dritteln in Staatsbesitz, nahm erst 2010 die Arbeit auf und hatte in den ersten Jahren seiner Existenz nie spürbar aufgemuckt.[...]

Wann muckt die DAkkS gegen unkritische Zertifizierungen von Arbeitsschutzmanagementsystemen auf?

Der Vorgänger der DAkkS war übrigens der ebenfalls nicht allzu aufmüpfige Deutsche Akkreditierungsrat. Die Prüfkonzerne sind eben ziemlich stark und haben eine gute Lobby. Sie wiederum sind gerade so kritisch, wie nötig. Denn heute können sich die Geprüften den laschesten Prüfer aussuchen.

[...] Wenn es ums Prüfen geht, dann lassen sich die Deutschen nicht gerne von aneren übertreffen. [...]

Die Prüferei in Deutschland war schon eine Farce, bevor es die DAkkS gab. Das gilt auch für die politisch kräftig ausgebremste behördliche Aufsicht: Lebensmittelsicherheit, Steuerfahndung (Hessen), Gewerbeaufsicht, Arbeitsschutz usw.

 
http://www.zeit.de/mobilitaet/2015-12/tuev-dekra-akkreditierung-entzug

[...] Die Deutsche Akkreditierungsstelle mit Sitz in Berlin bemängelt laut Spiegel die Arbeit von Organisationen wie Tüv, Dekra und GTÜ. [...]

Wenigstens hier wacht die DAkkS auf, gezwungenermaßen.

 
http://www.focus.de/auto/news/nicht-an-vorgaben-gehalten-kfz-pruefern-droht-der-verlust-der-zulassung_id_5173609.html

[...] Im Sommer hatte der Chef der Akkreditierungsstelle, Norbert Barz, dem Bericht zufolge zahlreiche Verkehrsminister der Länder in einem Brief auf die Probleme hingewiesen. [...]

Da ist noch ein anderer Brief zu schlechten Audits von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) fällig, den die Gewerbeaufsicht machen sich in Betrieben mit einem zertifizierten AMS die Arbeit leichter und müssen sich deswegen auf gute Audits verlassen können.

 
http://www.focus.de/auto/news/die-dakks-mal-wieder-nicht-an-vorgaben-gehalten-kommentar_id_7213120.html

Auch die DAkks ist letztendlich nichts anderes als eine privatwirtschaftlich geführte Organisation, [...] Und ausgerechnet diese Organisation, die selber keiner Kontrolle unterliegt, will bestimmen, wer korrekt handelt und wer nicht?

Na ja, formal wird sie von ihren Geschäftsführern kontrolliert: Bundeswirtschaftsministerium, BDI, Bundesländer.

 
Leider ist das Thema Arbeitsschutz etwas komplexer und zieht nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich. Aber auch hier gibt es Schlampereien bei Audits von Arbeitsschutzmanagementsystemen z.B. nach OHSAS 18001. Es gibt da mindestens einen bei der DAkkS akkreditierten Auditierungsgroßmeister (natürlich auch privatwirtschaftlich geführt), bei dem die DAkkS meiner Ansicht nach immer noch nicht kritisch genug hinschaut.

Außerdem wird in den Redaktionen oft gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes im Bereich der Arbeitsbelastungen verstoßen. Bei einer kritischen Berichterstattung über das Aufsichtsversagen im Arbeitsschutz müssten sich die Medienunternehmen mit ihren eigenen Problemen befassen.

 
Siehe auch:

Hessen sabotierte die Steuerfahndung

Samstag, 12. Dezember 2015 - 07:58

http://www.morgenpost.de/vermischtes/article206817657/Fuer-paranoid-erklaerte-Steuerfahnder-werden-rehabilitiert.html

[...] Angeblich seien sie [vier Steuerfahnder] dem Wahn verfallen, sie dürften nicht mehr gegen Banken ermitteln, deshalb seien sie krank und dauerhaft dienstunfähig, urteilte ein Gutachter im Auftrag der hessischen Finanzverwaltung. Ein Berufsgericht hat den Gutachter deshalb bereits wegen vorsätzlicher Falschbegutachtung zu einer Geldbuße von 12.000 Euro verurteilt. [...]

Warum sollte es bei anderen Aufsichtsbehörden, die die Wirtschaft “belästigen”, anders sein? So arbeiten dann auch die Gewerbeaufsichten wohl sehr freundlich insbesondere mit Großunternehmen zusammen.

Zum Fall: Die hier vom Arbeitgeber verursachte und auf die vier Steuerfahnder wirkende psychische Fehlbelastung war extrem. Der Arbeitgeber müsste auch im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes dafür in die Verantwortung genommen werden können. Hier lag Körperverletzung vor. Spätestens jetzt müssten die für diesen öffentlichen Arbeitgeber (hessische Landesregierung) zuständigen Aufsichtsorgane (Gewerbeaufsicht, Berufsgenossenschaften) aktiv werden. Hier wurden vier Menschen “dauerhaft dienstunfähig” gemacht.

Wie proaktiv dürfen die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaft in Hessen den Fall jetzt verfolgen?

Siehe auch: https://www.google.de/search?q=”Ein+Beamter+packt+aus:+Die+Steuerfahnderaffäre”

Imtech Deutschland ist insolvent

Samstag, 8. August 2015 - 19:52

http://imtech.com/EN/corporate/Newsroom/Press-releases/Imtech-Germany-files-for-insolvency.html

Further to its press releases of 28 July, 4, 5 August and earlier today, Royal Imtech N.V. (‘Royal Imtech’) announces that its subsidiary Imtech Germany (“Imtech Deutschland GmbH & Co. KG”) has filed for insolvency in the relevant German court. This filing only relates to Imtech Germany.

In light of these developments and the resulting potential conflicts of interest, Mr Felix Colsman, chairman of the board of Imtech Germany, has decided to step down as member of the Board of Royal Imtech. Mr Colsman will remain chairman of the board of Imtech Germany. Royal Imtech is grateful for all that Mr Colsman has done for Royal Imtech.

As already announced earlier today Royal Imtech is evaluating the current situation and its consequences and is considering all options.

Royal Imtech will update the market as soon as possible more specifically on the consequences of these developments.

Imtech wurde vor über 150 Jahren von Rudolph Otto Meyer als Heizungsbaubetrieb für die Beheizung von Gewächshäusern in Hamburg gegründet. Die Firma hatte schon eine Zeit lang, sagen wir mal, ethische Probleme, insbesondere im Zusammenhang mit dem Berliner Chaosflughafen. Das Chaos hatte/hat natürlich einen Sinn, und zwar für die, die daran verdienten. Nun ist Imtech Deutschland pleite. Der Hauptsitz ist in den Niederlanden, schon wegen der Steuern.

http://www.imtech.de/en/about-us/values/

We conduct our business with integrity
We are personally accountable for fair and honest behaviour towards all of our stakeholders. We act at all times to the highest ethical standards. We consistently treat customers and company resources with the respect they deserve.

http://www.imtech.de/unternehmen/werte/

Wir führen unsere Geschäfte fair und ehrlich
Wir bekennen uns zu einem fairen und ehrlichen Umgang mit unseren Geschäftspartnern, handeln dabei stets nach höchsten ethischen Maßstäben und begegnen ihnen mit Wertschätzung. Unsere Unternehmensressourcen nutzen wir stets verantwortungsvoll.

Wie geht Imtech mit seinen Mitarbeitern um? Was die Muttergeseschaft in den Niederlanden schreibt, ist das übliche Eigenverantwortungsgewäsch. Im Arbeitsschutz will Imtech nach GRI 4 berichten. Die können da viel erzählen.

Ich weiß nur, dass es in Deutschland Auftraggeber gibt, die sich nicht sonderlich dafür interessieren, wie sich Imtech-Mitarbeiter fühlen, denn Imtech kann ein SCC-Zertifikat vorzeigen. Na, dann muss ja wohl alles in Ordnung sein. Psychische Belastung der Mitarbeiter? Viel Zeit zum Hingucken in Planegg und den anderen Standorten hat auch die Gewerbeaufsicht nicht.

Eine Zertifizierung nach OHSAS 18001 hat Imtech in Deutschland nicht, sondern nur in Ländern, in denen Arbeitgeber mit Arbeitnehmer besser umgehen müssen, als in Deutschland. Meines Wissens nach hat in Deutschland aber auch kein nach OHSAS 18001 zertifizierter Imtech-Kunde trotz der o.g. Probleme bei Imtech Kundenaudits durchgeführt. Das ist ja eben doch viel zu anstrengend und passt zu Imtech-Kunden, die sich wiederum selbst gegen Audits wehren, die ihre eigenen Kunden bei ihnen durchführen wollen. (Die DAkkS stört das wohl auch nicht.) Bei aller Kritik an der kommenden ISO 45001: In einem Punkt ist der kommende Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme besser als OHSAS 18001. Kunden werden für den Arbeitsschutz ihrer Zulieferer und Dienstleister in eine stärkere Verantwortung genommen.

Bundeswirtschaftsministerium unterstützt Kriminalität

Mittwoch, 29. Juli 2015 - 07:13

http://www.br.de/nachrichten/inhalt/lohnbetrug-baustellen-100.html

[...] und ebensowenig in Deutschland. Hier bleibt die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), sobald sie ihre Quoten erfüllt hat, im Büro. Ob Papiere echt oder gefälscht sind, wird kaum geprüft. Schließlich, so ein Ermittler, wolle man die Wirtschaft “nicht kriminalisieren”. [...]

Die Wirtschaft (zumindest Teile davon) kriminalisiert sich doch selbst. Darum kann die Aufdeckung ihrer Straftaten keine Kriminalisierung mehr sein, denn diese bestand ja schon vorher.

Bei Schwarzarbeit muss die Finanzkontrolle wegsehen, wenn vom Bundesfinanzministerium sehr niedrig angesetzten Quoten erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium verhindert effektive Kontrollen von Schwarzarbeit. Mehr dazu gibt es heute abend im Fernseh-Magazin “Kontrovers” des Bayerischen Rundfunks.

Noch leichter ist es, im Arbeitsschutz wegzusehen. Wenn ein Großteil der Unternehmen seit 1996 ungestraft den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz verhindern konnte, dann muss die Gewerbeaufsicht über einen langen Zeitraum nachhaltig weggesehen haben.

Auch die privatisierte Aufsicht von Arbeitsschutzmanagementsystemen arbeitet ziemlich “wirtschaftsfreundlich”. Beaufsichtigt werden die Zertifizierungsgesellschaften von der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS), wenn sie bei der DAkkS akkreditiert sind. Die Gesellschafter der DAkkS sind (a) Das Bundeswirtschaftsministerium, (b) der BDI und (c) die Länder. Ich meine, dass das BMAS ein weiterer Gesellschafter werden sollte, denn die DAkkS muss ja Audits nicht nur im Interesse der Wirtschaft überwachen.

Suche: https://www.google.de/search?q=”Franz+Buckenhofer”+Schwarzarbeit+Polizeii

Den Mensch an die Digitalisierung anpassen?

Freitag, 24. Juli 2015 - 07:11

Die Arbeitgeber wollen angeblich den 8-Stunden-Tag kippen. Der hat aber mit dem Arbeitschutzgesetzt nichts zu tun. Das Arbeitszeitgesetz beschränkt die tägliche Arbeitszeit auf 10 Stunden. Arbeitzeitbeschränkungen dienen z.B. dazu, dass übermüdete Ärzte bei Operationen nicht links und rechts verwechseln.

Die 8 Stunden oder 7 Stunden usw. sind in tariflichen Vereinbarungen geregelt.

Könnte es sein, dass eine Digitalisierung, die eine Änderung des Arbeitsszeitsgesetzes und eine Erweiterung der ja bereits bestehenden Spielräume verlangt, keine menschengerechte Digitalisierung ist? Will die BDA den digitalisierungsgerechten Menschen mit einem entsprechend angepassten Biorhythmus? Länder, in denen die Menschen etwas chinesischer geführt werden, scheinen ja zu zeigen, dass das geht.

Es geht tatsächlich um viel mehr, als nur um die Arbeitszeit. Die BDA will die Digitalisierung als Hebel zur Systemveränderung im Sinn der Arbeitgeber nutzen. Der Mensch hat sich den “Chancen der Digitalisierung” anzupassen. Ich persönlich arbeite an und mit der Digitalisierung seit 1975, kenne also ihre guten und schlechten Seiten recht genau. Mit dieser Erfahrung lese ich dann das BDA-Positionspapier:
Chancen der Digitalisierung nutzen
Positionspapier der BDA zur Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt

Mai 2015

[...] Im Bereich der körperlichen Belastungen und Gefährdungen sind – ausgehend von einem bereits hohen Niveau – auch weiterhin deutliche Verbesserungen zu erwarten, weil ergonomischere Arbeitsmittel zur Verfügung stehen werden. [...]

[...] Etwas anders ist die Situation bei den psychischen Belastungen. Derzeit ist noch nicht umfassend vorhersehbar, wie sie sich im Zuge der Digitalisierung von Wirtschaft verändern werden. Deshalb muss der Arbeitsschutz zeitnah und flexibel auf Veränderungen reagieren können. Dies ist durch die derzeitigen Handlungsspielräume im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen gewährleistet. Hier würde weitere Regulierung – etwa zur Stressvermeidung oder zur Einschränkung der Erreichbarkeit – keinen zusätzlichen Nutzen bringen, sondern nur mehr Bürokratie, Handlungs- und Rechtsunsicherheit. Der geltende Rechtsrahmen bietet alle Möglichkeiten, innerhalb eines Betriebs potenzielle psychische Gefährdungen für einzelne Tätigkeiten zu ermitteln. Dabei ist es sinnvoll, dass in diese Bewertungen nach und nach gesicherte und allgemein akzeptierte Forschungsergebnisse zu psychischen Belastungen einfließen, ohne dass es deshalb neuer Rechtsetzung bedarf. [...]

So wie Forschung inzwischen finanziert wird, werden die Arbeitgeber schon für die von ihnen benötigten Ergebnisse sorgen.

Zu dem obigen Absatz: Die Arbeitgeber fürchten insbesondere die “Anti-Stress-Verordnung”. Tatsächlich glaube ich auch, dass die bestehenden Vorschriften theoretisch reichen. Praktisch hat sich aber viele Jahre lang kaum ein Arbeitgeber daran gehalten. Zu schnell ist vergessen, dass die Arbeitgeber (unter den Augen der ja bereits sehr laxen Gewerbeaufsichts-Bürokratie) fast 20 Jahre lang gebraucht haben, um heute darüber nachzudenken, ob man sich jetzt vielleicht netterweise nicht doch an diese Vorschriften halten sollte. Darum entsteht schon ein gewisses Geschmäckle, wenn die Arbeitgeber nun die Vorschriften für ausreichend halten, gegen die sie viele Jahre lang verstoßen haben. Offensichtlich konnten die Arbeitgeber nicht mit der Entbürokratisierung, die das Arbeitsschutzgesetz bereits seit 1996 einleitete, anständing umgehen.

Wir brauchen eine laufende Diskussion über eine Anti-Stress-Verordnung, damit wir keine Anti-Stress-Verordnung brauchen :-)

Aufsichtsperson gibt
Versagen der Gewerbeaufsicht zu

Freitag, 26. Juni 2015 - 07:01

Die Gewerbeaufsicht ist mit der Prüfung des Einbezugs psychischer Überlastungen in den Arbeitsschutz der Betriebe überfordert. Das wurde im Jahr 2012 im Bundestag festgestellt.

In einem deutschen Bundesland berichtet ein Unternehmen seinen Mitarbeitern ganz stolz, dass die Gewerbeaufsicht es bei der Umsetzung der Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes unter den Top 10 Unternehmen in dem Bundesland einordnet. Damit lobt die Gewerbeaufsicht dieses Landes ein ziemlich verspätetes Pilotprojekt, dem in dem betroffenen Betrieb nun erst Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Betriebsleitung zur Beurteilung psychischer Belastungen folgen werden. Bisher gab es da nichts: Der Abschnitt der Gefährdungsbeurteilung, der psychische Belastungsen betrifft, blieb nämlich bis heute leer, mit dem Hinweis auf das laufende Projekt. Kritik für die Zeit von 1996 bis heute gibt es von der Gewerbeaufsicht nicht, obwohl in dem Betrieb bis heute kein mitbestimmtes Verfahren implementiert ist, mit dem die psychische Belastungen an allen Arbeitsplätzen erfasst und bewertet werden. Treiber war hier der Betriebsrat.

Deutsche Zustände: Eine überforderte Behörde lobt ein Unternehmen, in dem bis zum Jahr 2013 für mehrere tausend Mitarbeiter keine psychische Fehlbelastung so erfasst wurde, wie das Unternehmen es versprach: Es versprach nämlich, dass es selbst solche Vorfälle erfasst, die physische und mentale Erkrankungen nur hätten zur Folge haben können. Nach seiner eigenen Selbstverpflichtung bleibt die Schwere tatsächlicher oder möglicher Erkrankungen dabei unberücksichtigt. Aber nur etwa null Vorfälle wurden selbst seit dem Jahr 2008 erfasst, in dem Mitarbeiter erstmals Mängel im Arbeitsschutz des Unternehmens ansprachen. Die Gewerbeaufsicht berät den Arbeitgeber freundlich und respektvoll, aber beaufsichtigt ihn im Bereich der psychischen Belastungen weiterhin nicht. Im Jahr 2015 wird dann doch Handlungsbedarf für die Arbeitsplätze mehrerer Dutzend Mitarbeiter festgestellt.

Statt den Schutz der Arbeitnehmer zu sichern, schwächt die Gewerbeaufsicht mit ihrem Lob die Position jener Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber über viele Jahre hinweg den Schutz vor psychischen Fehlbelastungen verwehrte – und zwar insbesondere auch, weil die Gewerbaufsicht nicht ordentlich kontrolliert hatte. Das ist wohl das Problem der Gewerbeaufsicht: Wenn korrekt nachkontrollieren würde, dann würde das ihr bisheriges Versagen dokumentieren. Da lässt die Gewerbeaufsicht dann lieber die Arbeitnehmer im Stich.

Die eigentliche Nachricht aber ist, dass sich aus diesem Lob einer extrem verspäteten Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes ergibt, dass auch heute noch fast alle der Unternehmen in diesem feinen Bundesland gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen dürfen, und zwar mit Wissen der netten Gewerbeaufsicht. Dieses Versagen der Gewerbeaufsicht gab nun eine Aufsichtsperson mit ihrem Lob zu.

Wie gesagt: Deutsche Zustände. Wir haben hübsche Gesetze, aber die behördliche Ausicht kritisiert es nicht in einer nachvollziehbaren Dokumentation, wenn das Arbeitsschutzgesetz nicht richtig umgesetzt wird. Der Arbeitgeber kann dann Kritik seiner Mitarbeiter mit dem Argument abwehren, dass die Gewerbeaufsicht keine Fehler festgestellt habe.

Lebensgefährliches Pilotenprekariat

Dienstag, 26. Mai 2015 - 20:56

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/ryanair-109.html

[...] Bei einigen Gesellschaften geht es so weit, dass Copiloten für ihre Einsatzzeiten im Cockpit sogar bezahlen müssen und nicht etwa Geld bekommen. [...]

Piloten als “selbstständige” Unternehmer zu beschäftigen, ist auch ein Weg für eine Fluggessellschaft, den in Europa vorgeschriebenen ganzheitlichen Arbeitsschutz nicht selbst umsetzen zu müssen. Solche Piloten, die sogar das Cockpit, in dem sie arbeiten, selbst anmieten müssen, fliegen unter psychisch wohl eher fehlbelastenden Arbeitsbedingungen. Bei allem Mitgefühl werde ich ihnen mein Leben sicherlich nicht anvertrauen.

2nd ISO 45001 Draft

Dienstag, 7. April 2015 - 07:36

Press Release from BSI
http://www.bsigroup.com/en-GB/about-bsi/media-centre/press-releases/2015/march/Comment-on-the-latest-draft-of-occupational-health-and-safety-standard-ISO-45001/:

Comment on the latest draft
of occupational health and safety standard ISO 45001

31 March 2015

A new international standard on occupational health and safety management is currently under development with publication expected in October 2016. The second committee draft of ISO 45001 – Occupational health and safety management standard systems – requirements with guidance for use is now open, with UK comments requested by 1 May 2015. This follows the re-drafting of the standard to reflect comments received from the September 2014 public consultation.

BSI, the UK’s National Standards Body, has worked with experts from around the world to develop the second draft and now invites interested parties to register their comments online: https://drafts.bsigroup.com/Home/Details/54548. All comments submitted will then be considered by a panel of UK experts before BSI submits the national position to the international committee.

Occupational health and safety continues to be a priority across the world. Despite extensive regulation, existing standards and guidelines, work-related disease still kills millions globally each year, with hundreds of thousands more fatalities caused by workplace accidents. The international committee developing ISO 45001 includes experts from over 55 countries, 14 observer countries and around 20 liaison bodies, all with knowledge and practical experience of occupational health and safety issues and the challenges faced. The new standard is designed to replace the widely-used OHSAS 18001 whilst also taking into account other key documents and discussion points from around the world. Ultimately it intends to provide a single, clear framework  for organizations of all types and sizes who wish to improve their OH&S performance and protect those working on their behalf or who may be affected by the organization’s activities.

ISO 45001 is being developed using a collaborative, consensus-based approach taking into account the views of large and small organizations, government bodies, trades unions and worker representative organizations. To ensure the widest possible input is received from stakeholders BSI has taken the unusual step of making drafts available to the public at every stage of development. Usually, this would only happen once, half way through the process.

ISO 45001 has been written to a core structure and common text defined by ISO for use by all management system standards. The core structure will ensure that the new standard is broadly aligned to the forthcoming revisions of ISO 9001 and ISO 14001 – thus helping those who are implementing multiple management systems.

Anne Hayes, Head of Market Development for Governance & Risk at BSI, said: “Occupational health and safety is a matter of importance for all businesses worldwide, regardless of their size or sector. It is not an issue that can be ignored especially when it can literally mean life and death for many.”

To read and comment on ISO CD2 45001 please visit BSI’s draft review site:

https://drafts.bsigroup.com/Home/Details/54548

The draft is also available from the BSI shop:

http://shop.bsigroup.com/ProductDetail/?pid=000000000030323155

Aufgefrischte Arbeitsschutzverordnung

Freitag, 23. Januar 2015 - 07:45

Mit dem Rechtsetzungsverfahren werden zwei Arbeitsschutzverordnungen geändert. Die Bildschirmarbeitsverordnung ist auch betroffen. Damit gibt es drei Änderungen:

  1. die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in Artikel 1
  2. und die Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung (OStrV) in Artikel 2.
  3. Die Inhalte der Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) werden in die ArbStättV übernommen. Artikel 3 regelt das Inkrafttreten der Änderungen und das Außerkraftsetzen der BildscharbV.

Ich bin durch http://www.tagesschau.de/inland/arbeitsschutzverordnung-101.html auf das Gejammer der Arbeitgeber aufmerksam geworden. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer arbeitet mit einem alten Ablenkungsmanöver: Er kritisiert unwichtigere Punkte, die aber auf den ersten Blick erst einmal lächerlich und bürokratisch aussehen. Die wichtigen Verbesserungen für Arbeitnehmer, um die es in der Hauptsache geht, spricht Kramer natürlich nicht an.

Gemach. Die Tagesschau schreibt: “Ob das Ganze tatsächlich so kommt, soll nun von der Bundesregierung geprüft werden. Das Kabinett hatte die Verordnung zwar bereits verabschiedet, der Bundesrat hat sie nach Prüfung jedoch wieder an die Regierung zurückgeschickt.”

Fast 400 Seiten: BKK-Gesundheitsreport 2014

Dienstag, 9. Dezember 2014 - 20:57

Der http://www.bkk-dv.de/gesundheitsreport hat 389 Seiten. Für den schnellen Überblick gibt es zum Glück ein Faktenblatt (http://www.bkk-dv.de/images/bkk/gesundheitsreport/2014/materialien/Faktenblatt-zur-PK-2014_final.pdf):

[...] Von 1976 bis 2013 Anstieg der Fehlzeiten aufgrund psychischer Störungen um mehr als das Fünffache

Deutlich wird auch im Zeitverlauf, die dominante Rolle der Muskel- und Skeletterkrankungen im Arbeitsunfähigkeitsgeschehen, wobei ausgehend vom Jahr 2006 (3,4 AU-Tage je Pflichtmitglied) bis 2013 (4,5 AU-Tage) eine stetige Steigerung um 31% zu erkennen ist. Betrachtet man den gleichen Zeitraum für die psychischen Störungen, so ergibt sich eine Steigerungsrate von 110% – zwischen den Jahren 1976 und 2013 haben sich die psychischen Störungen mehr als verfünffacht.[...]

[...] Psychische Störungen weisen mit ca. 40 AU-Tagen
je Fall die längste Falldauer auf

Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei der Betrachtung der durchschnittlichen Falldauer bei Arbeitsunfähigkeit. Mit mehr als 40 AU-Tagen je Fall verursachen die psychischen Erkrankungen die längsten Krankschreibungen – nahezu doppelt so lang wie durch die Muskel- und Skeletterkrankungen verursachte Ausfallzeiten. Diese beiden Krankheitsgruppen sind bei den beschäftigten Pflichtmitgliedern zudem für 53,9% aller AU-Tage mit Krankengeldbezug verantwortlich.[...]

[...] Burn-out-Syndrom – Tendenz abnehmend

Für das Burn-out-Syndrom zeichnet sich im Gegensatz zum Anstieg in den letzten Jahren erstmals eine Abnahme der AU-Tage ab. Neben einer reellen Abnahme, ist auch ein geändertes Kodierverhalten der niedergelassen Ärzte hin zu psychischen Störungen denkbar. Ein indirektes Indiz hierfür sind die weiter ansteigenden Fehlzeiten aufgrund psychischer Störungen.[...]

 
(Meine früheren Links zu den Reports der Betriebskankenkassen sind vermutlich nicht mehr aktuell.)