Kategorie 'IT'

BAuA: Verhältnisprävention geht vor Verhaltensprävention

Mittwoch, 5. Oktober 2016 - 06:29

http://www.baua.de/de/Publikationen/BAuA-AKTUELL/2012-2/pdf/ba2-12-s06-07.pdf?__blob=publicationFile&v=2

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Die Verhaltensprävention setzt bei der Vermeidung und Minimierung gesundheitsriskanter Verhaltensweisen sowie der Förderung von Gesundheitskompetenz und gesundheitsgerechtem Verhalten am Individuum an: Informations- und Aufklärungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Vermittlung von Bewältigungstechniken, wie beispielsweise Anti-Stress-Trainings, zählen dazu. Solche auf das Individuum bezogene Maßnahmen können jedoch nur dann nachhaltig Erfolg haben, wenn sich an der arbeitsbedingten Belastung, wie Führungsstil, Unternehmenskultur oder Arbeitsorganisation, also an den Verhältnissen, ebenfalls etwas ändert. Und ohnehin gilt: Verhältnisprävention geht vor Verhaltensprävention!

Die Verhältnisprävention zielt darauf ab, Gesundheitsrisiken, die sich aus der Arbeitsumwelt ergeben – wie zum Beispiel mangelhafte Gestaltung von Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit – zu kontrollieren, zu verringern und idealerweise zu beseitigen. Sie setzt bei den Arbeitsbedingungen an. In der betrieblichen Umsetzung können beispielsweise Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, mit denen sich häufige Arbeitsunterbrechungen vermeiden lassen. Hier können störungsfreie Zeiten vereinbart werden. Von zunehmender Bedeutung sind Maßnahmen im Bereich der Arbeitszeit- und Schichtplangestaltung. Im Bereich der Arbeitsmittel kann das eine software-ergonomische Überprüfung und gegebenenfalls Nutzer- und Aufgabenanpassung bedeuten. Und auch das Beseitigen oder Reduzieren von störenden Geräuschen wie das des PC-Lüfters oder des Telefonklingelns kann zur Verminderung von psychischer Belastung beitragen.

[...]

Nach meiner Erfahrung wird der größte Teil psychischer Fehlbelastungen durch unrealistische Aufgabenbeschreibungen verursacht, leider auch wissentlich. Hier versagt die Verhältnisprävention. Es geht mir dabei nicht um Aufgabenbeschreibungen im Detail, sondern um oft völlig fehlende Bemühungen, bei der Planung von Prozessen und Projekten überhaupt zu dokumentieren, wie die Arbeitsbelastung der von diesen Prozessen und Projekten betroffenen Akteure und Kunden eingeschätzt(!) wird. Wenn bei diesen Planungen ordentlich vorgegangen würde, dann könnte der Aufwand für Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen erheblich verringert werden.

Leider zieht das Argument nicht so richtig, weil dank überforderter Gewerbeaufsichten sich viele Unternehmen immer noch um eine ehrliche Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen herumdrücken können. Außerdem lassen sich behördliche Prüfer (auch nach einer einwöchigen Schulung zu psychischen Belastungen) immer noch zu leicht von fürsorglich aussehenden verhaltenspräventiven Maßnahmen beeindrucken.

Es gibt zu viele Arbeitsschützer, die ein “Die Bildschirmarbeitsverordnung wird eingehalten” schon als Vorgabetext in Gefährdungsbeurteilungen stehen haben, ohne sich z.B. um die wirklich in ihrem Betrieb praktizierte Arbeit in der IT und in den Büros verhältnispräventiv zu kümmern. Sie meinen, es reiche aus, gute Software einzukaufen, kümmern sich aber nicht um das Zusammenwirken verschiedener Applikationen untereinander und um die Umgebungsbedingungen, in denen die Mitarbeiter arbeiten. Solche Arbeitsschützer betreiben einen Checklisten-Arbeitsschutz ohne genau hinzusehen und hinzuhören. Sie kümmern sich damit vorrangig um die Rechtssicherheit des Arbeitgebers und erst danach um den verhältnispräventiven Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter.

Dem entsprechend gibt es nur wenige Arbeitsschützer, die die Mitarbeiter in ihren Betrieben über die Pflichten in Kenntnis setzen, die sich für die Verhältnisprävention aus dem Arbeitsschutzgesetz und der Bildschirmarbeitsverordnung ergeben. Anstelle sich wenigstens um eine ehrliche Abschätzung(!) von Arbeitsbelastungen zu bemühen, veranstalten zu viele Unternehmen lieber verhaltenspräventive Wohlfühlaktionen bis hin zum Einsatz von Bachblüten. Das sieht gut aus und mag sogar gut gemeint sein, ist aber nur ein unprofessionelles Herumkurieren an auch geschäftlich unnötigen Fehlbelastungen.

Sim4BGM ohne Arbeitsschutz?

Sonntag, 6. Juli 2014 - 08:53

In http://www.smartliving.com.de/sim4bgm

BGM-Prozesse unternehmensspezifisch entwickeln und simulieren

Das Vorhaben Sim4BGM (Simulation für Betriebliches Gesundheitsmanagement)
von SmartLiving GmbH, GeoMobile GmbH und paluno – The Ruhr Institute for
Software Technology wurde auf der CeBIT 2014 von Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes und Ministerialdirektor Professor Dr. Wolf-Dieter Lukas vom BMBF mit dem Förderpreis AOK-Leonardo ausgezeichnet. …

Sehr geehrter Herr Lothar Schöpe, sehr geehrter Herr Dr. Matthias Book, sehr geehrter Herr Jochen Meis,

Warum bieten sie nichts zum Arbeits- und Gesundheitsschutz an, z.B. “Arbeitsschutz-Prozesse im Bereich der psychischen Belastungen unternehmensspezifisch entwickeln und simulieren”? Hier gibt es im IT-Bereich viel größere Defizite (Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz) als im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Es ist ziemlich ärgerlich, wenn sich Unternehmen werbewirksam mit der Kür des freiwilligen und vorwiegend verhaltenspräventiven Betrieblichen Gesundheitsmanagements befassen ohne vorher ihre Pflichten im verhältnispräventiven Arbeits- und Gesundheitsschutz zu erledigt zu haben.

Aus Sicht der Unfallversicherung ist eine grundlegende Voraussetzung für einen »gesunden Betrieb« ein funktionierender Arbeitsschutz, in dem die gesetzlichen Vorgaben des Arbeitsschutzes und weitere relevante öffentlich-rechtliche Verpflichtungen eingehalten werden. Bietet Sim4BGM Arbeitnehmervertretungen die Möglichkeit, vor dem Einsatz des Werkzeug zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind?

Welche Informationen stellen Sie Betriebsräten zur Verfügung, die beim Arbeits- und Gesundheitsschutz, bei der Verhaltenskontrolle mit technischen Mitteln und bei Fragen des Verhaltens und der Ordnung im Betrieb mitbestimmen? Bitte geben Sie einen Link dazu an.

Mit freundlichen Grüßen
Götz Kluge
2014-07-06

 


Subject: AW: Offener Brief zu Sim4BGM
Date: Tue, 8 Jul 2014 11:08:37 +0200

Sehr geehrter Herr Kluge,

vielen Dank für ihre Nachricht.

Nach A. Oppolzer “Gesundheitsmanagement im Betrieb” VSA Verlag Hamburg, 2010 umfasst das betriebliche Gesundheitsmanagement 3 Ebenen (Abbildung 3 auf Seite 31) und die drei Säulen “Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz”, “Betriebliche Gesundheitsförderung” und “Integriertes Management”.

Auf allen Ebenen und in allen Säulen gibt es sicher noch Handlungsbedarf, denn wie sie dargelegt haben sind längst nicht alle Probleme gelöst und der Spagat zwischen Kür und Pflicht längst noch nicht geschlossen.

In unserem aktuellen Vorhaben können wir diese Lücke leider auch nicht schließen; wir haben uns auf ein anderes Problem – der Schaffung einer generellen Akzeptanz für das Thema BGM – fokussiert. Bei Defiziten beim gesetzlich geregelten Bereich “Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz” in Betrieben ist der Gesetzgeber gefragt, damit diese Pflicht auch ordnungsgemäß erfüllt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Lothar Schöpe

In seiner freundlichen Antwort weist Lothar Schöpe auf die Rolle des Gesetzgebers hin. Man könnte meinen, dass es die Aufgabe der Überwachungsbehörden (z.B. Gewerbeaufsicht) sei, die Pflichterfüllung der Arbeitgeber zu überwachen. Das ist aber nur Theorie. Lothar Schöpe hat also eigentlich recht, denn praktisch sind die Aufsichtsbehörden mit ihrer Aufgabe seit vielen Jahren und auch heute noch überfordert. Vor zwei Jahren machte ja sogar der Bundestag deutlich, dass 80% der Betriebe psychische Belastungen nicht ordnungsgemäß beurteilten, also ziemlich ungehemmt gegen das Arbeitsschutzgesetz und gegen die im IT-Bereich besonders wichtige Bildschirmarbeitsplatzverordung verstoßen konnten. Da muss nachgearbeitet werden.

Der kürzlich in das Arbeitsschutzgesetz eingearbeitete Einbezug der psychischen Gesundheit in das Arbeitsschutzgesetz war ja keine wirkliche Änderung, sondern nur eine Klarstellung geltenden Rechts. Da die gesetzlichen Regeln also offensichtlich nicht ausreichen, wäre die viel diskutierte “Anti-Stress Verordnung” eine Möglichkeit, das seit 1996 geltende Recht auch zu einem durchgesetzten Recht werden zu lassen.

Eine weitere Möglichkeit ist die Stärkung der Betriebs- und Personalräte. Besonders wichtig ist dabei die Förderung ihrer Kompetenz - bis hin zur Fähigkeit, Arbeitsschutzmanagementsysteme auditieren zu können. Gemäß Betriebsverfassungsgesetz ist die Überwachung der Einhaltung von Schutzgesetzen nämlich auch eine Pflicht der Arbeitnehmervertretungen. Die sind oft ebenfalls überfordert. Da es in Deutschland außerdem in der Praxis immer noch möglich ist, straflos die Straftat der Behinderung der Bildung von Betriebsräten zu begehen und existierenden Betriebsräte bei ihrer Arbeit zu behindern, hat der Gesetzgeber auch hier eine bisher noch nicht erledigte Aufgabe.

Dem Sim4BGM-Projekt wünsche ich viel Erfolg. Arbeitnehmer im IT-Bereich können das gut gebrauchen. Solche Tools können die Mängel im Arbeitsschutz nicht beheben, aber Arbeitnehmervertreter, in deren Betrieben diese Tools eingesetzt werden, müssen darauf achten, dass die Voraussetzungen stimmen: ein funktionierender Arbeitsschutz, in dem die gesetzlichen Vorgaben des Arbeitsschutzes und weitere relevante öffentlich-rechtliche Verpflichtungen eingehalten werden.

Kienbaum Fragebogen: IT-Systemeinführung im Mittelstand

Mittwoch, 26. März 2014 - 07:15

Fragebogen zur Studie “IT-Systemeinführung im Mittelstand: Dreiklang Mensch – Prozess – System”:
https://survey.kienbaum.com/studio/050220141505/IT_Einfuehrung/index.php

Softwareergonomie verhindert Stress

Sonntag, 31. März 2013 - 21:59

http://www.sifatipp.de/fachwissen/fachartikel/arbeitsmittel/software-ergonomie-verringert-stress

Na ja, gute Softwareergonomie verhindert nicht Stress, sondern sie mindert schädlichen Stress.

Burnout in der IT-Branche (2)

Donnerstag, 15. November 2012 - 23:36

http://www.heise.de/resale/artikel/Burnout-in-der-IT-Branche-1736491.html

Burnout in der IT-Branche
Was Arbeitgeber tun können und müssen

Marzena Sicking – 29.10.12

Diplom-Ingenieur Tim Sturm hat im Rahmen seines Studiums “Supervision & Coaching” an der Donau-Universität Krems eine Studie über das tatsächliche Ausmaß der Burnout-Gefährdung in der IT-Branche durchgeführt. Mit Heise Resale sprach er über die Ergebnisse. 

Für ihre Masterarbeit zum Thema “Burnout in der IT-Branche: Sind Reflexion, Coaching und Supervision wirksame Instrumente zur erfolgreichen Prävention?” haben Sie die Daten von 1.155 Arbeitnehmern aus der IT-Branche ausgewertet. Wieso haben Sie ausgerechnet die IT-Branche unter diesem Aspekt beleuchtet?

(“Supervision” kann sich hier wohl nicht auf jene Supervisoren beziehen, die in Deutschland langjährig ausgebildete und erfahrene Psychotherapeuten sind, die die offizielle Befähigung haben, angehende Psychotherapeuten in der Ausbildung anzuleiten. Diese Befähigung kann erst einige Zeit nach dem Studium erlangt werden.)

… Wie können Unternehmen Ihrer Meinung nach die MitarbeiterInnen unterstützen, Burnout zu vermeiden?

Sturm: Ich halte einen Aufklärungs- und Maßnahmenprozess für essentiell und fasse diesen unter dem Begriff “Burnout Management” zusammen:

  1. Eine kompetente Aufklärungskampagne, mit der Unternehmen und MitarbeiterInnen ein Basiswissen über Burnout vermittelt wird.
  2. Mechanismen zur Prävention, wie etwa Workshops zur Förderung des Selbst-Bewusstseins und der Selbstwahrnehmung.
  3. Ein gezieltes Informationsprogramm für Betroffene, KollegInnen und ManagerInnen um die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben nach längerer Abwesenheit konstruktiv und auf offener Basis zu gestalten.
  4. Notwendig erscheint ein Evaluierungssystem wie den Fragebogen meiner Arbeit, um gefährdete Personen zu identifizieren und diesen Hilfeleistungen anbieten zu können.

Als “Burnout-Management” mag das vielleicht reichen. Aber “Notwendig erscheint ein Evaluierungssystem wie den Fragebogen meiner Arbeit, um gefährdete Personen zu identifizieren und diesen Hilfeleistungen anbieten zu können” ist nicht der Ansatz des (auch in Österreich) vorgeschriebenen Arbeitsschutzes. Entsprechend auch der Kommentar eines Lesers bei Heise:

1. November 2012 08:36
“Fragebogen [...], um gefährdete Personen zu identifizieren”
Codehunter (mehr als 1000 Beiträge seit 26.09.02)

Ganz ehrlich, bekäme ich von meinem Arbeitgeber einen Fragebogen zu
meinem Geisteszustand, er würde doch in hohem Bogen in die kreisrunde
Ablage fliegen.

Die Leute mögen keine fürsorgliche Belagerung.

Ein dem vorgeschriebenen Arbeitsschutz entsprechender Ansatz ist: “Notwendig erscheint ein Evaluierungsverfahren, um gefährdende Aufgabenstellungen und Arbeitssituationen zu identifizieren und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen anbieten zu können”. Es gibt hier ein reichhaltiges Angebot getesteter Verfahren zur Verhältnisprävention. In seiner Hompage schreibt Tim Stark: “Als besondere Dienstleistung biete ich anonymisierte, individuelle Unternehmens- sowie Betriebsanalysen mittels online Fragebogen an….”. Wichtig dabei wäre es, verhältnispräventive Verfahren zu verwenden, die den Kriterien der BAuA gerecht werden. Individualisierungen (Anpassung an die Bedürfnisse einzelner Betriebe) sind dabei möglich. Das kann meiner Ansicht nach aber nur zusammen mit kompetenten und von erfahrenen Arbeitspsychologen beratenen Arbeitnehmervertretern funktionieren.

“Eine kompetente Aufklärungskampagne, mit der Unternehmen und MitarbeiterInnen ein Basiswissen über Burnout vermittelt wird” ist eine feine Sache als ein Element der im Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebenen Unterweisung. Vermittelt werden muss vor Allem, wie durch eine menschengerechte Arbeitsgestaltung psychische Fehlbelastungen zu vermeiden sind.

Der Schwerpunkt von Tim Sturms “Institut für Individuelles Wachstums” liegt logischerweise auf dem Individuum. Es ist auch klar, dass ein Coach für Coaching wirbt. In seiner Homepage schreibt Tim Stark allerdings auch, sein Ziel sei, “ein fundiertes Verständnis zum Begriff Burnout zu vermitteln sowie die Achtsamkeit und Verantwortung gegenüber MitarbeiterInnen neu zu entdecken.” In Deutschland ist das Problem jedoch, dass Firmenleitungen das Thema der psychischen Belastungen oft schon längst entdeckt haben (spätstens seit 2005), aber sich sehr unwohl fühlen, wenn sie durch transparente und nachvollziehbare Arbeitsschutzprozesse für Fehlbelastungen tatsächlich verantwortlich gemacht werden können. Ein guter Coach sollte keine Betriebe betreuen wollen, die sich weigern, ernsthaft vor (oder spätestens parallel) zu individiellem Coaching einen vorschriftsmäßigen, mitbestimmten, prozesshaft organisierten und verhältnispräventiv orientierten Arbeitsschutz zu implementieren. Die Stärkung der Resilienz einzelner Mitarbeiter kann nicht funktionieren, wenn gleichzeitig die Regeln des ganzheitlichen Arbeitsschutzes missachtet werden.

Links:

Gesund altern in High-Tech-Branchen

Montag, 30. Juli 2012 - 12:45

Gesund altern in High-Tech-Branchen?
Im Spannungsfeld von Innovation und Intensivierung
2010-04
Anja Gerlmaier, Angelika Kümmerling, Erich Latniak
http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/2010/report2010-04.php

  • Wegen des demografischen Wandels nimmt auch in ‚jungen’ Innovationsbranchen wie dem IT-Bereich die Zahl der älteren Mitarbeiter zu: Zwischen 1999 und 2009 stieg der Anteil der über 50-Jährigen von 12,5% auf 18,5%, während der Anteil der 25- bis 39-jährigen Beschäftigten von 55,9% auf 41,8% sank. (Bundesagentur für Arbeit, 2010, eigene Berechnungen).
  • In der Branche zeichnet sich parallel dazu eine verschärfte Belastungssituation ab, die die Beschäftigten zunehmend in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Lediglich 29% der Befragten gaben an, nach der Arbeit problemlos “abschalten” zu können – sich nicht mehr erholen zu können ist ein Anzeichen für “Burnout”. Nur noch 37% der IT-Spezialisten glauben, ihre Tätigkeit sei auf Dauer durchzuhalten. Letztlich riskieren die Firmen erhebliche Umsatzeinbußen, wenn diese Mitarbeiter ernstlich erkranken und ausfallen.

Der Report ist auch ein Bericht zum Thema der psychischen Belastungen allgemein. Ein Beispiel ist die Häufigkeit der Nennungen psychischer Belastungsarten von 331 Befragten(Ab. 3, S. 7):

54%: Arbeitsunterbrechungen durch Personen, Telefonate
51%: Zeitdruck
41%: Aneignungsbehinderungen
36%: ungeplanter Zeitaufwand
17%: soziale Spannungen
15%: emotionale Spannungen
12%: widersprüchliche Arbeitsbedingungen

Übrigens, ich persönlich bin vorwiegend durch “ungeplanter Zeitaufwand” schon im Jahr 1996 in das Thema der psychischen Belastungen hineingeraten. Was mich dabei besonders gestört hatte, war nicht die Ungeplantheit an sich, sondern die sich nachhaltig immer wiederholende Vorsätzlichkeit bei der Ausklammerung absehbarer Probleme in der Softwareentwicklung. Damals - im Geburtsjahr des Arbeitsschutzgesetzes - war Arbeitsschutz ein Fremdwort für mich.

Ausrede Burn-out

Samstag, 28. Juli 2012 - 13:43

Dr. Herbert Hanselmann schrieb dem manager magazin zu dessen “Burn-out-Ranking” (2012-06). Das Magazin veröffentlichte das dann als Leserbrief (2012-08). Wo Hanselmann sich auskennt, hat er recht: Der High-Tech-Unternehmer beherrscht Statistik und hinterfragt die Methode, auf der das “Ranking” basiert. (Ich halte die Extrapolationen des Magazins auch für gewagt.)

Seine Haltung zum Burnout-Thema war kritisch. Er gab ein Beispiel für zwei Burn-out-Fälle in seinem schon ziemlich großen Unternehmen, mit denen verantwortlich umgegangen wurde. Der Unternehmer wies aber auch darauf hin, dass “Burn-Out” Gelegenheit für Ausreden böte. Ich meine, dass das zutrifft. Gerade darum ist es aber wichtig, dass ein guter Arbeitsschutz existiert, in den auch psychische Belastungen einbezogen sind. Der ganzheitliche Arbeitsschutz deckt auch den Bereich der psychischen Belastungen ab und sorgt so dafür, das Burn-out nicht als Ausrede verwendet werden kann.

In Herbert Hanselmanns Unternehmen gibt es keinen Betriebsrat, der beim Einbezug psychischer Belastungen mitbestimmen könnte. Es gibt Unternehmen, in denen die Mitarbeiter so zufrieden sind, dass sie sich keinen Betriebsrat wünschen. Häufig sind das Firmen, die einem Chef gehören, der sich für seine Mitarbeiter verantwortlicher fühlt, als das in Unternehmen der Fall ist, in denen die Top-Manager firmenfrenden Investoren untergeordnet sind. Es gibt jedoch auch Unternehmen, bei denen der fehlende Einbezug psychische Belastung in den Arbeitsschutz sogar der Grund für eine Betriebsratsgründung war.

Überarbeitet: 2012-08-05

Agile Software-Entwicklung

Freitag, 6. Juli 2012 - 21:41

http://www.heise.de/developer/artikel/Agile-Software-Entwicklung-braucht-auch-ein-agiles-Projektmanagement-1598135.html

… Die Managementkultur in Unternehmen muss sich wandeln

Es ist viel zu oft Gang und Gebe, dass agile Verfahren auf klassische Projektmanagementmethoden wie PMI oder Prince2 stoßen, die auf einer starreren Planung und einem klaren Prozessdenken basieren. Hier besteht enormes Konfliktpotenzial. Denn viele Verantwortliche verkennen, dass die Umsetzung agiler Ansätze nicht nur aus dem Lernen und Anwenden handwerklicher Tools und Techniken besteht. Agilität erfordert gravierende Anpassungen in der Kultur der Organisation, um wirklich zu funktionieren. Die Managementkultur des Unternehmens muss auf die Anforderungen von Agilität eingerichtet sein. Die Projektmanager müssen sich wirklich – nicht nur formal – darauf einlassen. Dazu gehört beispielsweise, dass die Menschen mit ihren individuellen Ideen und Methoden einen größeren Stellenwert als das Befolgen von Abläufen besitzen (“People over Process”, wie im agilen Manifest gefordert). Die damit verbundene Freisetzung von Zeit und kreativer Kraft wird jedoch nicht gelingen, wenn die tatsächlichen Entscheidungen dann doch nach strengen Vorgaben des Projektmanagementhandbuches fallen und kreative Querdenker kaum Chancen haben, sich durchzusetzen, sondern eher ihre Karriere gefährden. …

Burnout in der IT-Branche (1)

Freitag, 22. Juni 2012 - 08:15

http://www.heise.de/resale/artikel/Burnout-in-der-IT-Branche-1589637.html

Service-Personal besonders gefährdet.
Marzena Sicking – 08.06.12

Diplom-Ingenieur Tim Sturm hat im Rahmen seines Studiums “Supervision & Coaching” an der Donau-Universität Krems einen Fragebogen entwickelt, mit dessen Hilfe er eine wissenschaftlich fundierte Aussage über das tatsächliche Ausmaß der Burnout-Gefährdung in der IT-Branche machen wollte. Weiteres Ziel war es, zu überprüfen, ob Reflexion, Coaching und Supervision tatsächlich wirksame Präventions-Instrumente sind. Teilgenommen haben insgesamt 1.155 IT-Mitarbeiter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Damit handelt es sich bei der Studie um eine der bisher größten und aussagekräftigsten Arbeiten zum Thema Burnout im IT-Bereich.

Beide Artikel: http://blog.psybel.de/stichwort/tim-sturm/

Arbeitgeber knausrig mit flexiblen Arbeitszeitmodellen

Mittwoch, 13. Juni 2012 - 23:35

http://www.tagesspiegel.de/meinung/kontrapunkt-ausgleichende-gerechtigkeit/6747134.html

Kontrapunkt
Ausgleichende Gerechtigkeit
14.06.2012 00:00 Uhr
von Anna Sauerbrey …

… Laut dem IT-Branchenverband Bitkom sind bereits 88 Prozent der Arbeitnehmer auch in ihrer Freizeit erreichbar, der DGB spricht von 60 Prozent, die nach Dienstschluss noch verfügbar sind.

Das kann Fluch oder Segen sein, zurzeit ist es für die Arbeitnehmer eher noch ein Fluch. Zwar erwarten viele Arbeitgeber ein hohes Maß an Flexibilität (Reisen, unorthodoxe Arbeitszeiten, lebenslanges Lernen), sind aber mit flexiblen Arbeitszeitmodellen eher knausrig. Zu lesen war dieser Tage die Geschichte der Leiterin des Marburger Kulturdezernats. Die Alleinerziehende möchte sich den Job gern teilen, der Oberbürgermeister ist einverstanden, doch das Regierungspräsidium sagte nein. Das ist Alltag.

Hier sollte Arbeitsmarktpolitik ansetzen. Statt den Chefs Anrufe bei ihren Mitarbeitern nach 18 Uhr zu verbieten, sollte von der Leyen sie dazu bewegen, bei Arbeitszeitmodellen endlich kreativer zu werden. …