Kategorie 'Betriebsrat'

IGM muss noch dazulernen

Donnerstag, 1. Oktober 2015 - 21:17

Ich bin Mitglied der IGM und bat meine Gewerkschaft, mir Kollegen zu benennen, die sich mit OHSAS 18001 auskennen. Das ist ein Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme. Ich bekam keine Hilfe.

Währenddessen kenne ich inzwischen mehrere Mitglieder von Betriebsräten, die zeigen, wie man kompetent und professionell mit solchen Standards im Interesse der von Ihnen vertretenen Mitarbeiter umgehen kann. In einem Fall kennt sich das Betriebsratsmitglied besser mit dem Standard aus, als die zuständige SiFa. In einem anderen Fall (ein Tochteruntrenehmen von Daimler) haben das Betriebsratsmitglied, die SiFa und der Zertifizierungsauditor von Anfang an gut miteinender zusammengearbeitet. Es geht also. In beiden Fällen braucht man die Gewerkschaft dabei nicht, sondern nur Betriebsratsmitglieder, die sich persönlich Kompetenz (z.B. Befähigung zu internen Audits) erarbeitet haben.

Gewerkschaften, die eine Anti-Stress-Verordnung fordern, aber über von ihnen nicht verstandene Standards die Nase rümpfen und deswegen in zertifizierten Betrieben nicht einmal die Selbstverpflichtungen der Arbeitgeber nutzen können, müssen noch viel dazulernen.

Betriebsräte: Wenn sie es denn wollen

Sonntag, 16. August 2015 - 06:53

http://www.bund-verlag.de/zeitschriften/arbeitsrecht-im-betrieb/zeitschrift/zeitschrift-archiv/ausgabe/2015/7/Kurz-gefasst-10012284/

Annette Morisch [Dr. med.], Jürgen Markowski [RA]
Psychische Fehlbelastungen
Depressionen, Burnout, Angstzustände – werden Beschäftigte wegen der Psyche krankgeschrieben, gehen auch Betriebsräte oft von falschen Voraussetzungen aus. Drei Hauptirrtümer lesen Sie hier.

Darum geht es:

1. Betriebsräte werden immer häufiger damit konfrontiert, dass Kollegendem Arbeitsdruck nicht mehr standhalten und krank werden.

2. Beschäftigte sind durch Zeitdruck, Arbeitsverdichtung und flexibles Arbeiten oft chronisch über- oder unterfordert – das stresst.

3. Aufgabe des Gesundheitsschutzes ist es, Ursachen für psychische Fehlbelastungen zu erkennen und zu beseitigen.

AiB 7-8/2015, S. 48 – 50.

[...] Betriebsräte sind im Rahmen ihrer Mitbestimmungsrechte vor allem nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sehr wohl in der Lage, Gefährdungen durch psychische Fehlbelastungen zu erfassen und zu bekämpfen - wenn sie es denn wollen.[...]

Im § 87 wird deutlich, dass es nicht nur um Mitbestimmungsrechte geht, sondern um die Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates im Arbeitsschutz.

Guter Rat, aber um fast 20 Jahre zu spät

Donnerstag, 16. April 2015 - 08:08

Eine heutiges Rundschreiben von “Personal und Arbeitsrecht aktuell” hat den Betreff “Gefährdungsbeurteilung: Beziehen Sie jetzt auch psychische Belastungen mit ein”. Jetzt?? Die haben immer noch nicht begriffen, dass keine neuen Bestimmungen zur Berücksichtigung psychischer Belastungen in das Arbeitsschutzgesetz hineingeschrieben wurden, sondern dass sogar in der Begründung der Gesetzesänderung nachgelesen werden kann, dass hier bisher schon geltendes Recht nur klarer formuliert wurde.

Die Plicht zur Beurteilung psychischer Belastungen im Arbeitsschutz besteht seit 1996.

Zu Recht wird in der Email die Firma SICK AG gelobt. Die SICK AG ist ihrem Betriebsrat dafür sicherlich dankbar. Der Betriebsrat des Unternehmens griff das Thema der psychischen Belastungen bereits um die Jahrhundertwende herum auf und trieb es dann mit großen Einsatz voran. Andere Betriebsräte konnten davon lernen.

Wird die Aufsicht besser?

Mittwoch, 1. April 2015 - 07:10

Im Herbst 2014 wurden von der GDA die “Empfehlung zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung” veröffentlicht. Die GDA hat jetzt ihre Webesite überarbeitet.

Seit Anfang dieses Jahres sollen Betriebe die Möglichkeit haben, sich von speziell qualifizierten Aufsichtspersonen bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung unter Einbeziehung der psychischen Belastungen unterstützen zu lassen. Ich bezweifele jedoch, dass es ausreichend viele Spezialisten sind. Allzu kritisch durften sie ja bisher nicht sein. Betriebe, die seit 1996 erst noch auf dem Weg sind, die Vorgaben des Arbeitsschutzes zu erfüllen, werden für ihre Anstrengungen sogar gelobt. (Bei kleinen Kindern wäre das eine akzeptable Mitivationstechnik.) Die noch bestehenden Mängel werden nicht dokumentiert, obwohl sie Ordnungswidrigkeiten sind. Mit ihrer freundlichen Zurückhaltung hilft die Gewerbeaufsicht den Betrieben, ihre Haftungsrisiken zu mindern.

Deutsche Zustände: In Deutschland durften Unternehmer weitgehend unbehindert gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen. Im Juli 2012 behauptete Ursula von der Leyen noch, dass es “strenge” Strafen gebe. Davon hatte aber kein Unternehmer etwas gespürt. In vielen europäischen Staaten müssen Arbeitgeber mit deutlich empfindlicheren Sanktionen rechnen, wenn sie der Pflicht der Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz nicht nachgehen. So kam es, dass im Jahr 2012 immer noch 80% der Unternehmen ganz locker auf die von ihnen geforderte Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes im Bereich der psychischen Belastung verzichten konnten.

Leider gibt es auch Betriebsräte, die sich von dem Lob der Gewerbeaufsicht bei der Mängelbeseitigung selbst dann beeindrucken lassen, wenn es in ihrem Betrieb noch gar keinen Prozess für die Beurteilung psychischer Belastungen gibt. Fehlt die im Arbeitsschutz erforderliche Kompetenz, dann trauen sich Betriebsräte nicht, der Gewerbeaufsicht die Mängel im Betrieb darzustellen. Kein Wunder, wenn es Lob gibt. Wenn Betriebsräte dann noch an Besichtigungen durch die Gewerbeaufsicht mit teilnehmen und den Mund dabei nicht aufkriegen, kann der Arbeitgeber stolz darauf hinweisen, dass der Betriebsrat mit der Beurteilung durch die Gewerbeaufsicht einverstanden sei. So kann Mitbestimmung leider auch aussehen: Der Betriebsrat liefert das Alibi.

Eine ungerechtfertigte Abmahnung ist eine psychische Fehlbelastung

Dienstag, 24. März 2015 - 07:15

Ein Mitarbeiter im Betrieb yyyyy des im deutschsprachigen Raum angesiedelten Unternehmens xxxxx reichte beim Betriebsrat seines Betriebes den folgenden Antrag zur Abstimmung durch das Gremium dieses Betriebsrates ein:

Antrag eines Mitarbeiters des xxxxx-Betriebes yyyyy an den Betriebsrats dieses Betriebes:
Erfassung und Dokumentation einer ungerechtfertigten Abmahnung als Fehlbelastung.

Fallbeschreibung:
Ein Mitarbeiter wurde im Betrieb yyyyy vom Leiter der Personalabteilung abgemahnt. Nachdem der Mitarbeiter eine Klage androhte, zog der Arbeitgeber die Abmahnung zurück, da sie sich als gegenstandlos erwies. Der Fall wurde damit zwar arbeitsvertragsrechtlich abgeschlossen, nicht jedoch arbeitsschutzrechtlich.

Die Abmahnung enthielt die folgende Kündigungsdrohung:

„Zu unserem Bedauern mussten wir feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt haben. [...] Wir fordern Sie hiermit ausdrücklich auf, das oben geschilderte Verhalten zukünftig zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen. Im Fall einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich fristlos, zu kündigen. [...]“

Diese Drohung wirkte auf den Mitarbeiter über einen Zeitraum von drei Monaten.

Hiermit beantrage ich, dass das Gremium des Betriebsrats des xxxxx-Betriebes yyyyy den folgenden Beschluss fassen möge:

Der Betriebsrat setzt sich dafür ein, dass die Leitung des Betriebes yyyyy Vorfälle, die dem oben beschriebenen Vorfall gleichen, wie folgt kategorisiert, dokumentiert und in der Arbeitsschutz-Statistik erfasst.

  1. Gemäß Arbeitsschutzvorschriften: „Arbeitsbedingte psychische Fehlbelastung“
  2. Gemäß Selbstverpflichtung der Betriebsleitung nach OHSAS 18001:2007: „Arbeitsbezogenes Ereignis, das eine Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) zur Folge hätte haben können. (Erkrankung: Erkennbarer, nachteiliger physischer oder mentaler Zustand, der durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation hervorgerufen und/oder verschlechtert wurde.)“

Das Gremium des Betriebsrates stimmte dem Antrag zu und hat damit einen Fall arbeitsbedingter Fehlbelastungen konkretisiert. Der Fall ist ein generisches Beispiel für eine auschließlich im Verantwortungs- und Handlungssbereich des Arbeitgebers aufgetretene psychische Fehlbelastung.

Anmerkungen:

  • Sind ungerechtfertigte Abmahnungen immer eine psychische Fehlbelastung?
    Abmahnungen sind die stärkste Drohung, die ein Arbeitgeber legitim gegen einen Arbeitnehmer richten kann. Sie setzen den Arbeitnehmer im Bereich seiner beruflichen Existenz massiv unter Druck. Die ungerechtfertigte Abmahnung ist ein gutes Beispiel für eine generische psychische Fehlbelastung im Sinn des Arbeitsschutzgesetzes. Außerdem kann hier ein Einfluss betriebsfremder Belastungsfaktoren weitgehend ausgeschlossen werden: Die Verantwortung für eine ungerechtigte Abmahnung liegt eindeutig beim Arbeitgeber.
  • Beendet die Rücknahme einer ungerechtfertigten Abmahnung den Abmahnungsfall?
    Der arbeitsvertragsrechtliche Abschluss eines Abmahnungsfalls und der arbeitsschutzrechtliche Abschluss dieses Falls zwei unterschiedliche Dinge. Die Rücknahme einer Abmahnung macht die zuvor auf den Mitarbeiter wirkende Fehlbelastung nicht ungeschehen. Die Wirkungen psychischer Fehlbelastungen können sehr langfristig sein. Folglich endet die Verantwortung des Arbeitgebers für die Fehlbelastung noch lange nicht mit der Rücknahme der Abmahnung. Es wäre im Gegenteil ein klares Zeichen von Verantwortungslosigkeit und eine Missachtung der Erfordernisse des heutigen Arbeitsschutzes, wenn ein Arbeitgeber einen Abmahnungsvorgang alleine schon mit der Rücknahme der Abmahnung als abgeschlossen betrachten würde.
  • Sind Abmahnungen nun wegen des Arbeitsschutzes “verboten”?
    Keine Sorge: Nur ungerechtfertigte Abmahnungen (die deswegen z.B. als “gegenstandlos” zurückgenommen werden mussten) sind eine psychische Fehlbelastung. Gerechtfertigte Abmahnungen sind also immer noch möglich - und gegebenenfalls auch ein zur Sicherstellung des Arbeitsschutzes erforderliches Instrument. Gerechtfertigte Abmahnungen sind ein Beispiel für eine erhebliche, aber legitim auf Mitarbeiter wirkende psychische Belastung.

Personalführung: Das Personal führt

Sonntag, 28. Dezember 2014 - 21:25

In https://www.dgfp.de/wissen/personalwissen-direkt/dokument/91358/herunterladen berichtet die Deutsche Gesellschaft für Personalführung unter anderem über den guten Einbezug psychischer Belastungen in den ganzheitlichen Arbeitsschutz der SICK AG. Der Bericht ist korrekt. Nicht erwähnt wird aber, dass der Betriebsrat der SICK AG in dieser Sache der Initiator war. Hier führte das Personal. (Wenn SICK von sich aus darauf hingewiesen hätte, dann würde ich das in meinem Blog nicht thematisieren.)

Der Titel der DGFP-Veröffentlichung ist: Viele Unternehmen stehen noch am Anfang – mit der Beurteilung psychischer Belastungen betreten Unternehmen Neuland.

Anfang – ja, neu – nein. So neu ist das Land nicht. Die Betriebsleitungen wollten eben anfangs nur nicht hören, welche Pflichten sie haben. Mitarbeiter, die ihre Unternehmensleitungen darauf aufmerksam machten, ernteten dafür in der Regel keinen Dank. Einige tragen auch Verletzungen davon.

Zur Statistik:

[...] Nur etwa jeder zweite Betrieb (51 %) konnte laut den Ergebnissen eine Gefähr­dungsbeurteilung vorweisen. Am besten schnitten dabei die Großbetriebe ab. [...]

Wirklich? Ich bin mir da nicht so sicher. Großbetriebe mit Compliance-Abteilungen wissen besser als Kleinbetriebe, was eigentlich im Arbeitsschutz von ihnen verlangt wird. Dass sie psychische Belastungen nicht in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen haben, geben Großunternehmen deswegen weniger offen zu, als kleinere Unternehmen, die es wirklich nicht genau wissen. KMUs, die Mängel bei sich nicht erkennen, verstecken diese Mängel natürlich auch nicht.

Großbetriebe können außerdem oft mit beeindruckenden Zertifikaten für Arbeitsschutzmanagementsystemen herumwinken, die von Auditoren erteilt wurden, die über mehrere Audits (ohne Betriebsratsbeteiligung) hinweg ganz offensichtliche Mängel ignorierten. Das ermöglicht auch unwahre Angaben von Großunternehmen im offiziellen Jahresgeschäftsbericht.

Und die Gewerbeaufsicht ist auch ziemlich nett zu Großunternehmen. Betriebsräte, die sich dort von der Gewerbeaufsicht beeindrucken lassen, trauen sich dann nicht, die unkritischen Feststellungen der Behörde in Frage zu stellen. Da ist es für die Arbeitnehmervertretung schwerer, zu führen.

Versteht B.A.D den Arbeitsschutz?

Freitag, 19. Dezember 2014 - 07:22

http://www.healthatwork-online.de/themen/mit-stress-leben/

[...] Manager, Lehrer, Pflegepersonal – sie alle müssen mit Stress umgehen können. „Wir haben keinen Einfluss auf die Aufgaben, die an uns herangetragen werden“, sagt Diplom-Psychologe Dr. Rolf Merkle. „Wir haben jedoch einen Einfluss darauf, wie wir auf diese reagieren. Wir können uns über die Aufgaben beklagen, schimpfen und uns bemitleiden und uns so schlechte Gefühle machen.“ [...]

Kurzfassung: Wehret euch nicht! Das ist Desinformation. Dass der Arbeitgeber die Gesundheit von Managern, Lehrern und Pflegepersonal zu durch die Gestaltung gesunder Arbeitsbedingungen achten hat, ist im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben. Wie man das macht, kann B.A.D. in Standards zum Arbeitsschutzmanagement nachlesen.

B.A.D. imarginalisiert wider besseren Wissens den verhältnispräventiven Arbeitsschutz, in dem individuelle Maßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen sind, denn für das Geschäft von B.A.D. scheinen individuelle verhaltenspräventive Vorgehensweisen das interessantere Geschäft zu sein.

B.A.D. bietet sich jedoch auch als Dienstleister in Arbeitsschutz an. Also müssen die Arbeitnehmervertreter hier gut aufpassen. Betriebsräte müssen (ja, nicht “können”, sondern “müssen”) im Arbeitsschutz mitbestimmen und sollten darauf achten, dass Arbeitsschützer wissen, wie man Einfluss auf die Aufgaben ausübt, die an die Mitarbeiter herangetragen werden. Sie sollten genau prüfen, ob ein Dienstleister im betrieblichen Gesundheitswesen den Arbeitgeber dabei unterstützt, vorschriftswidrig individuelle Verhaltensprävention (“positives Denken”?) über die Verhältnisprävention zu stellen.

ArbMedVV und Mitbestimmung

Donnerstag, 13. November 2014 - 22:26

Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) gilt für die arbeitsmedizinische Vorsorge im Geltungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes. Sie gehört zum Arbeitsschutz. Darum wird unter Anderem nach § 87 BetrVG mitbestimmt.

Schon im Jahr 2008 wies die Hans-Böckler-Stiftung auf die Mitbestimmung bei der ArbMedVV hin. Das ist heute noch wichtig.

http://www.boeckler.de/13742_38736.htm

Kurzauswertungen
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen

Ausgewertet: 35 betriebliche Vereinbarungen aus den Jahren 1972 bis 2011

Arbeitsmedizinische Vorsorge ist ein wichtiges Thema im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Viele Fragen der Vorsorge werden seit dem 18.12.2008 gesetzlich in der ArbMedVV zusammenfasst und zum Teil neu geregelt.

Die vorliegende Auswertung analysiert Betriebsvereinbarungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge. Sie zeigt, dass die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben zahlreiche Fragen aufwirft. Einige der vorliegenden Vereinbarungen müssten den Bestimmungen der ArbMedVV angepasst werden.

Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist Teil des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Gefährdungen am Arbeitsplatz vorbeugend zu reduzieren, hat Vorrang vor arbeitsmedizinischen Untersuchungen. Eine stärkere Verknüpfung der arbeitsmedizinischen Vorsorge mit kollektivrechtlichen Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes wäre wünschenswert.

Auch die Organisation des Arbeitsschutzes und die erforderliche Verzahnung mit Mitbestimmungsverfahren könnte stärker berücksichtigt werden. Eine echte Kooperation von Betriebsräten mit Betriebsärzten lässt sich in den Vereinbarungen kaum nachweisen.

Die ArbMedVV unterscheidet zwischen Pflicht-, Angebots- und Wunschuntersuchungen. Ihre datenschutzrechtlichen Bestimmungen ermöglichen einen ordnungsgemäßen Umgang mit der ärztlichen Bescheinigung, die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht und die korrekte Dokumentation und Archivierung von Ergebnissen und Befunden. Zudem schreibt sie konkret vor, wie die arbeitsmedizinischen Untersuchungen durchgeführt und organisiert werden. Die Einhaltung der ArbMedVV ist ein wichtiges betriebspolitisches Thema. Hierzu eignen sich Betriebsvereinbarungen grundsätzlich hervorragend.

Ein Ergebnis der Untersuchung lautet: Die Interessenvertretungen können einige Inhalte der Vereinbarungen noch konkreter und im Interesse der Beschäftigten regeln und betrieblich kommunizieren: z. B. den Beschäftigtendatenschutz, die freie Arztwahl, das Recht auf Wunschuntersuchungen, die Verpflichtung des Arbeitsgebers zu Angebotsuntersuchungen, die Grundrechte bei Pflichtuntersuchungen und Beschäftigungsverbote.

Man könnte die Umsetzung der ArbMedVV beispielsweise auch dazu nutzen, die ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung unter Einbezug der psychischen Belastungen voranzubringen, und dadurch insgesamt die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes im Betrieb forcieren.

Gerade unter dem Aspekt Gesundheitsdatenschutz zeigt sich auch, dass Eignungs- und Einstellungsuntersuchungen sorgfältig von der arbeitsmedizinischen Vorsorge abgegrenzt werden.

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

Die Einhaltung der ArbMedVV ist ein wichtiges betriebspolitisches Thema. Nicht nur hierzu eignen sich Betriebsvereinbarungen grundsätzlich hervorragend, sondern auch bei der Umsetzung ser ArbMedVV.

 


Einleitung zitiert aus http://www.arbrb.de/38070.htm zum Beitrag von Christoph Legholz und Anke Schmidt in Die Arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung (ArbMedVV), Arbeitsmedizinische Prävention zwischen Pflicht- und Wunschvorsorge (ArbRB 2014, Seiten 317-320):
Die ArbMedVV ist wesentlicher Bestandteil des Arbeitsschutzrechts. Mit der Ersten Änderungsverordnung vom 23.10.2013 hat der Gesetzgeber insbesondere das Ziel verfolgt, die Inanspruchnahme der Wunschvorsorge nach § 11 ArbSchG zu erhöhen. In § 5a ArbMedVV wurde daher (klarstellend) die Pflicht zur Gewährung der Wunschvorsorge aufgenommen. Zugleich wurde der Anhang zur ArbMedVV aktualisiert und die arbeitsmedizinische Vorsorge insgesamt an den Stand der Wissenschaft angepasst. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Inhalte der ArbMedVV und weist auf ein erhebliches Problem für die Praxis hin.

“Klarstellend” impliziert, dass die Pflicht zur Gewährung der Wunschvorsorge bereits geltendes Recht war, aber wohl in der vorigen ArbMedVV noch nicht deutlich genug gefordert wurde.

 


http://www.sifaboard.de/index.php?page=Thread&postID=64299#post64299
Unser Betriebsarzt hatte schon erst mal Bedenken, die Schweigepflicht des Arztes per Betriebsvereinbarung “auszuhebeln”. Seiner Meinung nach ist dafür das Einverständnis jedes einzelnen Mitarbeiters notwendig – kollektiv könnte man sowas nicht vereinbaren.
Wir werden uns dazu in den nächsten Tagen auch noch mit dem Betriebsrat abstimmen – mal sehen wie deren Meinung ist.

Traumhaft, wie hier mit etwas umgegangen wird, das wohl ein Vorschlag des Arbeitgebers für eine Betriebsvereunbarung war: Hier ziehen eine Sifa und ein Betriebsarzt an einem Strang und stimmen sich dann noch mit dem Betriebsrat ab. Bravo.

Die ganze Diskussion im Sifasboard ist interessant.

 


Google: https://www.google.de/search?q=ArbMedVV+Betriebsvereinbarung+2013

ASA: Gefährlicher Ausschuss

Donnerstag, 13. November 2014 - 06:17

Soweit in einer sonstigen Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, hat der Arbeitgeber gemäß § 11 ASiG in Betrieben mit mehr als zwanzig Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuß (ASA) zu bilden.
(Bei der Feststellung der Zahl der Beschäftigten sind Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.)

Dieser Ausschuß setzt sich zusammen aus:

  • dem Arbeitgeber oder einem von ihm Beauftragten,
  • zwei vom Betriebsrat bestimmten Betriebsratsmitgliedern,
  • Betriebsärzten,
  • Fachkräften für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragten nach § 22 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch.

Der Arbeitsschutzausschuß hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten. Der Arbeitsschutzausschuß tritt mindestens einmal vierteljährlich zusammen.

Der Ausschuss ist gefährlich, wenn sich die beiden Betriebsratsmitglieder dazu missbrauchen lassen, die Mitbestimmung des gesamten Betriebsrates zu umgehen, ohne dass der Betriebsrat das so richtig merkt. Schlaue Arbeitgeber können den ASA nutzen, die beiden Betriebsratsmitglieder im ASA mit Themen zu überraschen, auf die sie nicht vorbereitet sind. Sind die beiden Betriebsratsmitgglieder nicht erfahren genug, stimmen sie Vorschlägen des Arbeitgebers zu, ohne die Gelegenheit zu nutzen, diese Themen erst einmal in die entsprechenden Ausschüsse des Betriebsrates oder das Betriebsratsgremium zu tragen und dort besonnen zu beraten. Andernfalls kann der Arbeitgeber versuchen, die Entscheidungen der Beiden Betriebsrats-Mitglieder im ASA als Mitbestimmung durch des ganzen Betriebsrates darzustellen.

Betriebsräte sollten sich gut überlegen, mit welchen Befugnissen sie ihre beiden Kollegen in den ASA schicken. Die Entscheidungen, die im ASA heute insbesondere im Bereich der psychischen Belastungen getroffen werden, setzen eine gute Vorbereitung voraus. Es kann auch im Interesse der beiden Betriebsratskollegen im ASA sein, wenn sie verpflichtet werden, Entscheidungen nicht im ASA zu treffen, sondern sie in einen geeigneten Betriebsratsausschuss zu tragen und dort zu beraten. Alternativ kann auch sichergestellt werden, dass der Betriebsrat eine ausreichend detaiilierte Tagesordnung des ASA-Treffens erhält und vor der Sitzung des ASA entscheidet, wie welche Positionen des Betriebsrates im ASA vertreten werden sollen. Auch müssen die Betriebsrats-Mitglieder im ASA gewieft genug sein, unschlüssige Argumentationen des Arbeitgebers durchschauen zu können. Andernfalls besteht die Gefahr, dass schlecht vorbereitete Betriebsratsmitglieder von einem gut vorbereiteten Arbeitgeber im ASA über den Tisch gezogen zu werden.

Arbeitgeber fürchtete Beratung durch Betriebsrat

Freitag, 17. Oktober 2014 - 23:06

Deutsche Zustände: http://www.dgbrechtsschutz.de/recht/arbeitsrecht/arbeitsvertrag/dumpingloehne-und-union-busting-bei-werkvertragsunternehmen/

[...] Bedingung für diesen Job, so schwarz auf weiß, ist der Austritt aus der Gewerkschaft und ein Verzicht auf Beratung durch den Betriebsrat! [...]

Der Arbeitgeber lernte aber dazu: http://www.verdi.de/themen/nachrichten/++co++d3a8c2c8-5454-11e4-a129-5254008a33df

Interessiert sich die Gewerbeaufsicht überhaupt ernsthaft dafür, ob in einem geprüften Betrieb die Betriebsräte ihrer Pflicht zur Mitbestimmung im Arbeitsschutz wirklich gerecht werden können?