Kategorie 'arbeitstattstress'

Tun und Lassen

Dienstag, 19. Juni 2012 - 00:28

In http://www.arbeitstattstress.de/tag/verhaeltnispraevention/ gibt es gute Blog-Artikel zur Verhaltensprävention und zur Verhältnisprävention. Stephan List bringt es auf den Punkt:

Man muss die Verhältnisprävention tun, ohne die Verhaltensprävention zu lassen.

Ursula von der Leyens “knallharter Strafenkatalog”

Dienstag, 12. Juni 2012 - 07:22

Die Arbeitsministerin nutzt in der BILD das anschauliche “jederzeit erreichbar”-Thema um ihr Engagement im Arbeitsschutz zu zeigen:
http://www.bild.de/digital/handy-und-telefon/arbeitsrecht/firmen-stoppen-handystress-24604238.bild.html

11.06.2012, 23:57 | Handy
Muss ich wirklich immer erreichbar sein? Firmen stoppen Handy-Stress
Ständig erreichbar, Mails und Anrufe vom Chef auch nach Feierabend – immer mehr Arbeitnehmer macht der Handy-Stress krank. Damit soll nun Schluss … mehr…

Volkswagen hatte da ja schon etwas zum Vorzeigen. Wer sagt denn, dass die Arbeitgeber hier nichts tun? Allerdings auch: Wer sagt schon, dass bei Volkswagen die große Mehrheit der Mitarbeiter gewerkschaftlich sehr gut organisiert ist? Da ist es einfach, den Arbeitgeber zur Beachtung der Vorschriften des Arbeitsschutzes zu bewegen. Die Bundesarbeitsministerin hängt sich hier an eine Errungenschaft an, die der VW-Betriebsrat bereits im Dezember 2011 durchsetzen konnte.

Mehrere deutsche Topunternehmen führen jetzt Regeln zur Erreichbarkeit in der Freizeit ein.

Bei genauem Hinsehen sind viele dieser “Regeln” allerdings nur das, was die Arbeitsschutz- und Arbeitszeitvorschriften ohnehin vorschreiben. Dass sich Arbeitgeber an gesetzliche Vorschriften halten, kann man heute eben schon als menschenfreundliche Großtat verkaufen.

Wird es nun bedrohlich für die Arbeitgeber?

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU): “Auch das Arbeitsschutzgesetz verlangt mit seinem knallharten Strafenkatalog von jedem Chef, dass er Körper und Geist seiner Mitarbeiter aktiv schützt – werktags genauso wie am Wochenende. …”

Das ist albern, und dann auch noch im Wiederholungsprogramm. Was nützt ein “knallharter Strafkatalog”, der nach über 16 Jahren Mißachtung des ganzheitlichen Arbeitsschutzes so gut wie nie zum Einsatz kam? Außerdem sind Verstöße gegen Arbeitsschutzregeln in den meisten Fällen erst einmal nur eine Ordnungswidrigkeit. Und das ist gut so, denn über Ordnungswidrigkeiten kann man unverkrampfter reden, als über Straftaten. Sinnvollerweise wird es erst bei Wiederholung, bei grober Fahrlässigkeit und bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Arbeitsschutzvorschriften strafrechtlich ernst für Arbeitgeber.

Was soll der Lärm der Ministerin jetzt? Es lag an Politikern, die die Aufsichtsdienste immer mehr der Haushaltslage wegen abgebaut hatten, dass die Mehrheit der Unternehmen den ganzheitlichen Arbeitsschutz bis heute noch nicht implementiert haben. Und nun fuchtelt Ursula von der Leyen zur Ablenkung mit einem Strafenkatalog herum. Das ist natürlich viel einfacher, billiger und populistisch wirksamer, als - eine Anregung an die Arbeitsministerin - es den Gewerbeaufsichten und den Berufsgenossenschaften endlich zu ermöglichen, Unternehmen kompetenter und aufmerksamer kontrollieren zu können. Das kostet nämlich richtiges Geld.

Und wer sind die “Chefs”, die ihre Mitarbeiter nun auch noch in den Wochenenden schützen sollen? Ein Großteil der Chefs will keine Mitarbeiter quälen, sondern mit ihnen mindestens ordentlich umgehen. Dazu kommt noch, dass viele Chefs außerdem selbst Opfer von Arbeitgebern sind, die seit 1996 den Arbeitsschutz in wichtigen Punkten nachhaltig (und zum Teil auch recht “aktiv”) mißachten. Dem unteren Management wird dabei vom höheren Management gerne Verantwortung für Arbeitsschutz, Gefährdungsbeurteilungen usw. zugeschoben, ohne dass die Menschen im unteren Management die im Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebene Unterweisung erhalten haben. Es gibt genug untere Führungskräfte (Teamleiter, Projektleiter usw.), die sich nach einem starken und ernsthafteren Arbeitsschutz sehnen, der es dem höheren Managements verbietet, “stretched Targets” zu setzen, die nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch diese Führungskräfte krank machen können. Statt dessen muss sich nun “jeder Chef” Drohungen von Politikern anhören, die den Kontakt zum heutigen Arbeitsalltag verloren haben.

Politik: Erst schlafen, nun viel Gedöns machen und dann auch noch Leute bedrohen, die ohnehin selbst schon genug psychisch fehlbelastet sind. Das ist zu billig und zu langweilig.

 
Siehe auch:

FEMA

Montag, 4. Juni 2012 - 18:23

Fragebogen zur Erfassung Mentaler Arbeitsbelastungen (FEMA): http://www.arbeitstattstress.de/2012/06/jetzt-online-der-fragebogen-zur-erfassung-mentaler-arbeitsbelastungen-fema/

Überraschung: Gewerbeaufsicht prüft

Sonntag, 29. April 2012 - 10:01

In http://www.arbeitstattstress.de/2012/04/die-gewerbeaufsicht-und-psychische-belastungen/ berichtet Dr. List über eine Aktion der Gewerbeaufsicht, mit der auch der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz in den Betrieben des Main-Tauber-Kreises überprüft wurde.

… Ich gebe zu, es ist das erste Mal, dass ich in der Presse über eine derartige Aktion der Gewerbeaufsicht lese. …

So geht es mir auch. Mal sehen, wie nachhaltig die Gewerbeaufsichtenaufsichten am Ball bleiben dürfen.

Übrigens: Die Zeit, nach der schädliche Folgen psychischer Fehlbelastungen auftreten können, kann sehr lang sein. Darum reicht eine Überprüfung der gegenwärtigen Qualität des Arbeitsschutzes in den Betrieben nicht aus, sondern auch die Vergangenheit muss untersucht werden. Dass hier nicht nur die meisten Arbeitgeber versagt hatten, sondern auch die Aufsichten und viele Arbeitnehmervertreter, verlangt von allen Beteiligten eine große Bereitschaft zur Selbstkritik ab. Aber können wir das realistisch erwarten?

Führungskräfte unter Druck

Donnerstag, 23. Februar 2012 - 22:12

Die INQA behauptet: “Studie: Führungskräfte versagen im Umgang mit Mitarbeitern”. Einen angemessenen Kommentar dazu finden sie hier: http://www.arbeitstattstress.de/2012/02/die-fuehrungskraefte-koennen-es-mal-wieder-nicht/

Der Großteil der Führungskräfte steht mindestens so unter Druck, wie die von ihnen geführten Mitarbeiter. Übrigens: Sofern Führungskräfte keine leitenden Angestellten sind, sind sie ebenfalls Klienten des Betriebsrates oder des Personalrates.

Beim Thema “Leadership” muss ich auch an die Veröffentlichungen von Richard Dawkins dazu denken. Dazu gibt es zum Beispiel diesen Link:
http://leaderswedeserve.wordpress.com/2007/10/21/a-brief-history-of-leadership/

A Brief history of leadership

October 21, 2007

Leaders and leadership continue to capture the public imagination. But there have been few attempts to trace the history of leadership to its earliest manifestations. What can be learned from the hard-wired behaviors of insects, the territorialism of reptiles, the disciplinary schooling of horses, and the social capitalism of chimpanzees?

This post [under development] is based on a presentation to Manchester Business School Alumni in October 2007. You can access the presentation entitled A brief history of leadership here, …

Die Probleme beginnen also schon bei Adam und Eva - wenn nicht sogar davor. Dass die Enwicklung von Arbeitsorganisation und Arbeitsmitteln möglicherweise schneller voranschreitet als die mentale Entwicklung der nackten Affen selbst, ist eine interessante Herausforderung, die es so auf unserem Planeten wohl noch nicht gegeben hat. Andere Tierarten haben es da einfacher (soweit sie nicht ausgestorben sind).

BMAS: Psychische Gesundheit im Betrieb

Dienstag, 21. Februar 2012 - 18:43

http://www.arbeitstattstress.de/2012/02/broschuere-psychische-gesundheit-im-betrieb/

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine arbeitsmedizinische Empfehlung zur psychischen Gesundheit im Betrieb veröffentlicht: Psychische Gesundheit im Betrieb – Arbeitsmedizinische Empfehlung.

Die Schrift wendet sich in erster Linie an Betriebsärzte. …

http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a450-psychische-gesundheit-im-betrieb.html, S. 23


Ebenso unverzichtbar für das Gelingen ist die gründliche Bedarfsanalyse im Vorfeld. Sie ermöglicht es erst, unternehmensspezifische Programme für alle Interventionsebenen „maßzuschneidern“, die nachweisbar effektiver und nachhaltiger sind. Das Arbeitsschutzgesetz hat 1996 die systematische Beurteilung der Arbeitsbedingungen als zentrale Verantwortung des Unternehmers herausgestellt. Die Gefährdungsermittlung und -beurteilung wird vom Gesetzgeber im § 5 des Arbeitsschutzgesetzes gefordert und ist Aufgabe des Arbeitgebers. Betriebs und Personalräte haben ein Recht auf Mitbestimmung. Unterstützend können betriebliche Experten mitwirken, insbesondere der Betriebsarzt, die Fachkraft für Arbeits-sicherheit und, sofern vorhanden, andere innerbetrieblichen Ratgeber (Sozialberatung, psychologischer Dienst, Sicherheitsbeauftragte, u.a.).

S. 33


Seit langem schon setzt sich der Staatliche Arbeitsschutz mit den Veränderungen in der Arbeitswelt auseinander und spricht die unterschiedlichen thematischen Aspekte psychischer Gesundheit im Betrieb aktiv an, zum Beispiel im Rahmen von Betriebsrevisionen. Der Staatliche Arbeitsschutz zielt im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes auf verhältnispräventive Maßnahmen, denn sein Adressat ist in erster Linie der Arbeitgeber, der seinerseits für eine gesundheitsgerechte und sichere Gestaltung der Arbeitsplätze und –abläufe in seinem Betrieb Sorge tragen muss. Entsprechend stehen Primär- und Sekundärprävention im Fokus. Im Blickfeld sind dabei innerbetriebliche Strukturen und Prozesse, die zu einer Verbesserung des Arbeitsschutzes führen. Der staatliche Arbeitsschutz kooperiert aber auch bei flankierenden verhaltenspräventiven Maßnahmen und Konzepten: er ermutigt zu innerbetrieblicher Gesundheitsförderung und dem Aufbau von Gesundheitskompetenz, um so den Präventionsgedanken zu stärken. Die Aufsichtspersonen werden in Zukunft noch stärker prüfen, ob in den Gefährdungsbeurteilungen die im Betrieb existierenden psychischen Belastungen angemessen aufgegriffen werden und die entsprechenden Maßnahmen veranlasst und umgesetzt sind.

(Links und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

Diese Veröffentlichung des BMAS behandelt auch den Arbeitsschutz recht ausführlich.

Siehe auch:

Schlag nach im Arbeitschutzgesetz

Freitag, 6. Januar 2012 - 22:22

Bei Otto haben sie’s wohl noch nicht ganz begriffen: Individuelle Schutzmaßnahmen sind im Arbeitsschutz nachrangig zu allen anderen Maßnahmen. Verhältnisprävention hat Vorrang vor Verhaltensprävention. Bevor man Mitarbeitern fürsorglich beibringt, wie sie eigenverantwortlich Burn-out vermeiden, muss erst einmal der Arbeitgeber seine Hausaufgaben machen. Weiter geht es hier: http://www.arbeitstattstress.de/2011/11/artikel-so-koennen-arbeitgeber-bei-burn-out-helfen/. Dr. List hat in seinem Blog die Hoffnung, dass diese Mitarbeiterbetreuung nur eine unter den vielen Maßnahmen ist, die auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung ergriffen worden sind. Vielleicht hat er ja recht und ich habe zu unrecht über Otto gemeckert.

Übertarifliche, sofort ans Telefon!

Freitag, 6. Januar 2012 - 21:41

Im seinem abeitstattstress-Blog hat macht Dr. Stephan List auf eine putzige Betriebsvereinbarung bei VW aufmerksam: http://www.arbeitstattstress.de/2012/01/verhaeltnis-statt-verhaltenspraevention/

Kurz vor dem Jahreswechsel erreichte uns die Meldung über eine bemerkenswerte Betriebsvereinbarung: Bei VW haben Blackberrys Feierabend. Diese besagt, dass 30 Minuten nach Feierabend keine E-Mails mehr an Mitarbeiter versendet werden, für die ein Tarifvertrag gilt. …

Auch mich macht diese Meldung etwas stutzig. Gilt das Arbeitszeitgesetz bei VW nur für tarifliche Mitarbeiter? Es macht doch erst bei leitenden Angestellten eine Ausnahme. (Es gibt da noch andere ausgenommene Arbeitnehmergruppen, aber die wird man bei VW wohl nicht finden.)

Übrigens: Im Gegensatz zum Arbeitszeitgesetz gilt das Arbeitsschutzgesetz für alle Beschäftigten im Betrieb. Geschützt werden also nicht nur tarifliche und außertarifliche Mitarbeiter, sondern selbst leitende Angestellte dürfen nicht krank gemacht werden.

Burnout – The Latest Fashion?

Freitag, 9. September 2011 - 18:42

http://www.arbeitstattstress.de/podiumsdiskussion-ist-burnout-die-neueste-mode/

Auf dem Weltwirtschaftsforum 2011 fand eine Podiumsdiskussion zum Thema “Burnout – The Latest Fashion?” statt…

Zwei Blogs

Freitag, 19. August 2011 - 18:12

http://www.arbeitstattstress.de/2011/08/der-unterschied-zwischen-verhaltens-und-verhaeltnispraevention-mal-anders-ausgedrueckt/

Dr. Stephan List macht in seinem Blog auf das Blog von Johannes Thönneßen (Geschäftsführer und Chefredakteur von Managementwissen online, http://mwonlineblog.blogspot.com/2011/08/burn-out-diagnostizieren.html) aufmerksam, mit einem Zitat zum Thema Gesundheitsmanagement und Verhaltensprävention vs. Verhältnisprävention.

Hier ein anderer Ausschnitt aus dem Artikel in MW-online:

Wenn doch der Druck am Arbeitsplatz die Ursache für die psychischen Belastungen ist – wieso kümmert man sich nicht darum? Warum analysiert man nicht mal, warum der Druck stetig wächst? Vermutlich würde man dann feststellen, dass zu viel Arbeit auf zu wenigen Schultern ruht, aber neue Mitarbeiter einzustellen ist offenbar weitaus weniger attraktiv als Experten mit der Entwicklung von Gesundheitsprogrammen zu beschäftigen, entsprechende Beratungen einzukaufen und externe Anlaufstellen einzurichten, an die sich die überforderten Mitarbeiter wenden können. Da kann man schöne Projekte mit wunderbarer Außenwirkung aufsetzen, fröhliche Mitarbeiter beim Rückentraining zeigen und feine Seminare zur Stressreduktion durchführen.
Merkwürdig…

(Hervorhebung nachträglich eingefügt)

Anmerkungen dazu:
(1) Druck ist einer der Gründe für Belastungen am Arbeitsplatz. Zuviel Druck ist einer der Gründe für Fehlbelastungen am Arbeitsplatz.
(2) Dass zu viel Arbeit auf zu wenigen Schultern ruht, wird ja möglicherweise schon im Betrieb erkannt, aber wenn externe Experten mit ihrem Blick von Außen in das Unternehmen das auch herausfinden, dann ist das Argument leichter zu vermitteln. Außerdem könnten Experten auch Alternativen zum Personalaufbau finden, z.B. dann, wenn Prozesse im Unternehmen in der Wirklichkeit ganz anders funktionieren, als sie in schönen Handbüchern beschrieben sind. Experten können Betriebsblindheit kompensieren.
(3) Ein gutes Gesundheitsprogramm, in dem die Verhaltensprävention nicht vorwiegend dazu dient, der Pflicht zur Verhältnisprävention auszuweichen, kann durchaus hilfreich sein.
(4) Der letzte Satz gefällt mir am besten: “Da kann man schöne Projekte mit wunderbarer Außenwirkung aufsetzen, fröhliche Mitarbeiter beim Rückentraining zeigen und feine Seminare zur Stressreduktion durchführen.” So ist es. Nicht nur “Medien” fallen regelmäßig darauf ‘rein, sondern auch Benchmarker können dem auf den Leim gehen.