Ist Bosch wirklich ein Vorreiter?

Dienstag, 5. Februar 2013 - 21:46

http://www.haufe.de/arbeitsschutz/sicherheit/bosch-gilt-als-vorreiter-bei-der-arbeitssicherheit_96_156746.html

09.01.2013
Arbeitsschutzmanagementsystem
Bosch gilt als Vorreiter bei der Arbeitssicherheit

Mit Hilfe eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) lassen sich Arbeitsunfälle sowie arbeitsbedingte Verletzungen vermeiden. Potenzielle Unfall- und Gesundheitsrisiken lassen sich systematisch erkennen. Sind die Gefahrenquellen bekannt, können frühzeitig geeignete Präventionsmaßnahmen eingeleitet und die Mitarbeiter gezielt geschützt werden.

Ereignisse wie Unfälle oder Arbeitsausfälle werden dokumentiert. Anhand der Dokumentation lassen sich Zahlen und Werte vergleichen und Erfolge messen. Außerdem lassen sich neue Ziele vereinbaren und kontrollieren.

Bosch gehört international zu den Vorreitern bei der Umsetzung des Standards OHSAS 18001.

Haufe scheint hier einfach eine Pressemeldung von Bosch unkritisch übernommen zu haben. Der Fokus liegt hier auf Unfällen und Verletzungen. Bei Gesundheitsrisiken fehlt der Hinweis auf den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Dieser Einbezug ist vorgeschrieben, wird aber immer noch zu oft missachtet. Wenn Bosch sich von der Mehrheit der Pflichtverletzer abgrenzen will, dann müsste das Unternehmen explizit beschreiben, wie es psychische Belastungen in seinen Arbeitsschutz einbezieht und wie dabei die Mitbestimmung der Arbeitnehmer beachtet wird. Denn auch die Mitbestimmung wird in OHSAS 18001 thematisiert. Hoffentlich kennen sich die Bosch-Betriebsräte mit OHSAS 18001 aus.

Beim Arbeitsschutz loben sich viele Unternehmen kräftig selbst. (In diesem Fall lobt haufe.de Bosch.) Es geht um Employer Branding. Darum ist Vorsicht angebracht: Nach OHSAS 18001 zertifizierte Unternehmen verdienen erst dann Lob, wenn sie der Öffentlichkeit und ihren Mitarbeitern deutlich mitteilen, dass sie nicht nur “klassische” Unfälle vermeiden, sondern alle Vorfälle nach Definition 3.9 in OHSAS 18001:2007. Dazu gehören natürlich auch psychische Belastungen, damit es keine “nachteiligen mentalen Zustände” gibt.

Wie definiert der Standard derartige “Vorfälle”? Das sind alle arbeitsbezogene Ereignisse, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können. Bei Erkrankungen gibt es demzufolge keine Schwelle, unterhalb derer sie aus der Beobachtung und der Statistik herausfallen. Dadurch entfallen Diskussionen über die Relevanz von Erkrankungen. Die Unternehmen unterwerfen sich dem Standard ja freiwillig. OHSAS 18001 erläutert weiter: Erkrankungen sind erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden.

Die Kunden eines Arbeitsschutzmanagementsystems sind die Arbeitnehmer. Warum nur wissen in den nach OHSAS 18001 zertifizierten Betrieben die wenigsten Beschäftigten von den Segnung des Standards? Warum werden Unternehmen plötzlich schüchtern, wenn es darum geht, ihren Mitarbeitern OHSAS 18001 verständlich zu machen?

Die meisten Mitarbeiter zertifizierter Unternehmen werden sich OHSAS 18001 (besser OHSAS 18002, das ist OHSAS 18001 mit Hinweisen zur Umsetzung) kaum durchlesen. Da ist zum Beispiel eine Hürde: der Preis. Zu den aushangpflichtigen Vorschriften gehört der Standard leider nicht. Wenn also ein zertifiziertes Unternehmen nicht deutlich nach innen und nach außen kommuniziert, wozu sich das Unternehmen mit seinem Bezug auf OHSAS 18001 selbstverpflichtet hat, dann können die Mitarbeiter das Top-Management (in OHSAS 18001 als oberstes Führungsgremium bezeichnet) dieses Unternehmens nicht an seinen Ansprüchen messen. Ist das der Grund, warum man in den AMS-Handbüchern und in der Werbung zertifizierter deutscher Unternehmen vom “Geist” des Standards OHSAS 18001 so wenig spürt? Wenn eine Zertifizierungsgesellschaft einem Unternehmen das durchgehen lässt, sollten sich die Arbeitnehmer vielleicht einmal an die Deutsche Akkreditierunsstelle wenden.

Siehe auch: http://www.bosch.com/de/com/sustainability/issues/corporate_leadership/managementsystems/managementsystems_1.html


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