Verantwortungssuche

Mittwoch, 13. Juni 2012 - 08:01

http://www.welt.de/wirtschaft/article106426981/Burnout-und-der-Druck-zur-Selbstverwirklichung.html

06.06.12

Psychotherapie

Burnout und der “Druck zur Selbstverwirklichung”

Die Zahl der Krankschreibungen wegen “Burnout” ist von 2004 bis zum vergangenen Jahr um 1400 Prozent gestiegen. Experten sagen: Dafür ist längst nicht nur der Druck im Berufsleben verantwortlich. …

Ein Beispiel dafür, wie über das Thema Burn-out berichtet wird: Die WELT meint, für Burn-out sei längst nicht nur der Druck im Berufsleben verantwortlich.

Aber:
(1) Das “nur” der Druck im Berufsleben für Burn-out verantwortlich sein, behaupten nicht einmal die Gewerkschaften.
(2) Die Mehrheit (etwa 70%) der Arbeitgeber ist so überzeugt von ihrer Unbeteiligtheit am Burn-out von Mitarbeitern, dass sie die Vorschriften missachten, bei deren Beachtung eine objektivere Beurteilungen von psychischen Belastungen möglich wäre. Für Burn-out ist längst nicht nur der Druck im Privatleben verantwortlich.
(3) Der Kopftext des Artikels setzt den Schwerpunkt einseitiger, als der Artikel selbst.

… Kammerpräsident [der Psychotherapeutenkammer BPtK] Rainer Richter sagte aber: “Der Trend ist ungebrochen. Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund seelischer Leiden steigt weiter.”

Als Grund nannte Richter höhere “emotionale und kommunikative Anforderungen” in den Dienstleistungsberufen. Auch nehme die Unsicherheit des Arbeitsplatzes zu. Eine zusätzliche Belastung resultiere aus dem “Druck zur Selbstverwirklichung” im Beruf und im Privatleben. “Viele Menschen geben sich selbst die Schuld, wenn sie den eigenen oder fremden Ansprüchen nicht genügen.” …

So ist das schon differenzierter ausgedrückt. Aber Philipp Neumann, der Autor des Artikels, gibt seinem Artikel vorher lieber eine einseitige Richtung.

Der Streit, ob nun die Arbeitswelt oder ob “persönliche Probleme” der Grund für Burn-out und/oder die damit oft verbundenen Depressionen (die eigentliche Erkrankung) sei, ist ein Dauerbrenner. Das Dreiebenenmodell bietet eine Möglichkeit, sich vernünftig mit dem Thema zu befassen.

Braucht Philipp Neumann die Richtung, die er seinem Artikel einleitend gibt, für seine eigene Argumentation? Wieweit sind sowohl ihre Mitarbeiter belastende wie auch als Mitarbeiter selbst belastete Journalisten in ihren Redaktionen selbst von dem Streit betroffen, und wie könnte das ihre journalistische Arbeit beeinflussen? Argumentieren sie auch in eigener Sache?

Was meinen Berufsgenossenschaften? BGFE und TBBG (jetzt in der BG ETEM), 2006:

… Andere Belastungsquellen wirken aus der Freizeit in die Arbeit hinein: aus dem Privatleben (Familie, Freunde), aus nebenberuflicher Betätigung (z.B. Verein) sowie aus den Problemen von Nachbarschaft, Kommune und Gesellschaft (siehe Außenkreis des Modells). Arbeits- und Freizeitbelastungen lassen sich in ihren Wirkungen heute noch nicht völlig trennen. Studien belegen aber, dass die Arbeitsbelastungen das Privatleben nachhaltiger stören als umgekehrt! …

Gerne weise ich hier auch wieder einmal auf Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen hin. Eine Arbeitsgruppe um Rolf Haubl vom Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt und Günter Voß von der TU Chemnitz hatte im Auftrag der DGSv ausgewählte SupervisorInnen nach ihren Einschätzungen gegenwärtigen Veränderungen von Arbeitsbedingungen in Organisation befragt und die Ergebnisse der Befragung auf acht Seiten veröffentlicht. Dort ist sehr anschaulich beschrieben, wie sich die moderne Arbeitswelt auf die Menschen auswirkt.

 
Siehe zur BPtK: http://blog.psybel.de/2012/06/13/bptk-studie-zur-arbeitsunfaehigkeit-2012/


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