Arbeitsschutzgestaltungsgesetz

Sonntag, 20. Januar 2013 - 07:50

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/stress-am-arbeitsplatz-maschinen-sollen-den-mitarbeitern-schwere-koerperliche-taetigkeiten-erleichtern-/7593756-3.html (2013-01-07)

… Eine Gesetzesänderung, die das Bundeskabinett kurz vor Weihnachten beschlossen hatte, soll nun zumindest das Bewusstsein für psychische Erkrankungen schärfen. Künftig soll im Arbeitsschutzgesetz stehen: „Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.“ Zudem wird die Liste der möglichen Gefährdungen um „psychische Belastungen am Arbeitsplatz“ ergänzt. Das heißt, dass die Betriebe die Mitarbeiter nicht nur vor Lärm schützten sollen, sondern auch vor eventuell belastenden Arbeitsabläufen. …

Sehr viel wird das nicht bringen. Denn das Arbeitsschutzgesetz verlangt zusammen mit der Rechtssprechung jetzt schon, dass die Betriebe die Mitarbeiter nicht nur vor Lärm schützten sollen, sondern auch vor eventuell fehlbelastenden Arbeitsabläufen. (Belastende Arbeitsabläufe kann man schlecht verbieten, weil es dann keine Arbeit mehr gäbe.) Auch gibt es z.B. Unternehmen, die psychische Belastungen schon seit längerer Zeit in ihrem Arbeitsschutzmanagementsystem auflisten, aber trotzdem noch keine mitbestimmten Verfahren für diesen Gefährdungsbereich haben. Das Problem besteht also nicht in der bisher fehlenden expliziten Erwähnung psychischer Belastungen im Text des Arbeitsschutzgesetzes, sondern in der fehlenden Umsetzung.

 
http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-D0BDA27E-50FB30AC/internet/style.xsl/pressemitteilungen-2013-11136.htm (2013-01-18)

Pressemitteilung Nr. 02/2013
IG Metall-Vorstandsmitglied Urban: “Bundesregierung springt zu kurz bei Stressprävention”
18.01.2013

Berlin – Die IG Metall hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, arbeitsbedingtem Stress und Burnout mit einer konkreten Anti-Stress-Verordnung entschlossen entgegenzuwirken. “Die vor Weihnachten beschlossenen Änderungen am Arbeitsschutzgesetz greifen viel zu kurz”, sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, am Freitag in Berlin. “Sie sind zwar ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung, im Arbeitsschutzgesetz psychische Belastungen ausdrücklich als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung zu benennen. Aber nur mit einer wirksamen Anti-Stress-Verordnung können Arbeitnehmer besser vor Überlastung und Burnout geschützt werden”.

Ohne eine solche längst fällige Rechtsverordnung bleibe aus Sicht der IG Metall weiterhin unklar, welche psychischen Belastungsfaktoren in eine Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen und nach welchen Maßgaben diese durchzuführen seien. Ebenso erfordere eine angemessene und wirkungsvolle Überwachung durch die Arbeitsschutzverwaltung konkrete Regelungen. “Eine solche Verordnung, wie sie jetzt auch von Seiten der Bundesländer gefordert wird, könnte die vorgenommene Präzisierung im Arbeitsschutzgesetz sinnvoll ergänzen”, sagte Urban. “Erst dadurch kann eine wirksame Praxishilfe und mehr Rechtssicherheit in den Betrieben entstehen.” Urban forderte die Bundesregierung und Ministerin Ursula von der Leyen erneut auf, so schnell wie möglich die Gespräche darüber fortzusetzen, um gemeinsam die eklatante Schutzlücke bei psychischen Gefährdungen schließen zu können.

 
http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article112895356/Deutsche-fuehlen-sich-im-Job-immer-staerker-gehetzt.html (2013-01-19)

… Die BDA lehnt eine “Anti-Stress-Verordnung” ab, auch das Arbeitsministerium ist skeptisch – unter anderem, weil es schwer zu definieren ist, wie genau Stress entsteht. Ende 2012 sind gerade die Begriffe “psychische Belastungen” und “psychische Gesundheit” ins Arbeitsschutzgesetz aufgenommen worden, doch die Gewerkschaften bezweifeln, dass dies eine Wirkung haben wird. …

 

Das Arbeitsschutzgesetz ist vor allem ein Arbeitsschutzgestaltungsgesetz.

Sicherlich ist es schwer zu definieren, wie genau Stress entsteht. Insbesondere muss vereinbart werden, was schädlicher Stress in einem konkreten Betrieb ist und wie er vermieden werden kann. Genau darum haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Aufgabe, das miteinander zu verhandeln. Weil die Mehrzahl dieser Arbeitsschutz-Akteure das seit 1996 nicht hinbekommt, wird nun wieder nach konkreteren Verordnungen gerufen. Solange immer noch zu viele Arbeitgeber die Mitbestimmung als Problem verstehen und nicht als ein Instrument zur Lösung von Problemen, kann das Experiment der Rahmengesetzgebung im Arbeitsschutz keine guten Ergebnisse liefern.

Die Unternehmer scheinen bis heute kaum verstanden zu haben, was die europäische Entbürokratisierungsrichtlinien für sie bedeuten, nämlich mehr Arbeit in den Betrieben. Im Jahr wurde die Aufgabe der Entwicklung von Arbeitsschutzregeln von der Legislative in die Betriebe verlegt - und dort dann offensichtlich weitgehend unberührt liegengelassen. Das Entbürokratisierungs-Experiment scheint am Widerstand der Arbeitgeber gegen die Mitbestimmung gescheitert zu sein. Dazu kommen wohl noch Wissensdefizite nicht nur bei den Arbeitgebern, sondern auch bei den Arbeitnehmervertretern. Deswegen haben wir jetzt ein hübsches Wahlkampfthema.

 


Link zu Änderungen im deutschen Arbeitsschutzgesetz: http://www.buzer.de/gesetz/954/l.htm


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