Ein neues Argument für die Anti-Stress-Verordnung

Samstag, 10. November 2012 - 13:10

Bisher noch nicht diskutiert: FDP, CDU/CSU und die Arbeitgeber setzen darauf, dass sich die Wirtschaft selbst überwacht. Immer wichtiger werden dabei Standards wie OHSAS 18001. Sie haben (abgesehen von ILO-OSH) einen Nachteil: Es ist für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen umständlicher, sich Normen zu beschaffen als im Intranet kostenlos Gesetze zu lesen. Das ist eine kleine, aber effektive Hürde. Wir brauchen also Regelungen, die die Bürger einfach, schnell und kostenlos nachlesen können.

Es scheint aber so, dass die Vertreter der Selbstüberwachung auch im Arbeitsschutz die Überwachung gerne so gestaltet sehen, das sie dekorativ wirkt, aber ansonsten die Unternehmen nicht wirklich mit dem ihnen lästigen Arbeitsschutz belastet. Der verhältnispräventiv angelegte Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz stört sie dabei besonders. Es gibt ja auch kaum Unternehmen, die sich ernsthaft für den Arbeitsschutz ihrer Zulieferer interessieren: Die Unternehmen verlassen sich auf Zertifizierungsgesellschaften (die z.T. unaufmerksam und oberflächlich arbeiten und deswegen z.B. immer noch in wichtigen Punkten an OHSAS 18001:1999 orientierte Unternehmen nach OHSAS 19001:2007 zertifizieren), aber führen selbst bei ihren Zulieferern keine Lieferanten-Audits (bzw. Kunden-Audits) durch. Solche Audits gibt es durchaus für die ISO 9001 und gelegentlich für die ISO 14001, aber ernsthafte Lieferanten-Audits nach OHSAS 18001 sind sehr rar. Kunden interessieren sich eben doch nicht allzusehr für den Arbeitsschutz ihrer Lieferanten. (Machen wir es als Konsumenten besser? Woran denken Sie denn so bei der Schnäppchenjagd?)

Darum glaube auch ich inzwischen, dass der Arbeitsschutz für die Arbeitnehmer ohne weitere kostenlos nachlesbare gesetzliche Konkretisierungen für das Thema der psychischen Belastungen nicht funktioniert. Genau auf diese Schwäche scheinen jedoch die Unternehmer (und deren Vertreter) zu setzen, die die “Anti-Stress-Verordnung” ablehnen. Eine wirksame innerbetriebliche Überwachung des Arbeitsschutzes durch eine kompetente Mitbestimmung als Alternative zu externen Verordnungen mögen sie übrigens auch nicht so sehr.


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