Wie ein Betriebsrat die Mitarbeiter entrechten kann

Montag, 25. Juni 2012 - 23:44

Mit der steigenden Aufmerksamkeit für das Thema der psychischen Belastung werden zunehmend mehr Unternehmen in diesem Bereich vor Allem Rechtssicherheit anstreben. Arbeitnehmervertreter müssen hier besonders gut aufpassen, dass sie dabei nicht in Projekten das Gesundheits- und Arbeitsschutzes unfreiwillig instrumentalisiert werden.

 
Das Ziel: Die Verbesserung der Rechtssicherheit des Arbeitgebers ist ein legitimes Ziel von erfolgreich abzuschließenden Projekten zur Einführung der Kategorie der psychischen Belastung in den Arbeitsschutz. Erst mit dem wirksamen Einbezug dieser Belastungskategorie wird aus dem Arbeitsschutz der vorgeschriebene ganzheitliche Arbeitsschutz. Dazu muss vor Projektbeginn klar sein, wie der Erfolg des Projektes gemessen wird.

Der Start: Werden die Regeln des Arbeitsschutzes zu Beginn des Projektes noch nicht vollständig eingehalten, dann sollte das in der Betriebsvereinbarung, die solche Projekte regelt, ebenfalls dokumentiert sein. Das Projekt selbst ist nicht notwendigerweise schon eine Verbesserung des Schutzes der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber darf erst dann die von ihm angestrebte Rechtssicherheit bekommen, wenn das Projekt erfolgreich abgeschlossen wurde.

 
Tatsächlich müssen Unternehmen eine mangelhafte Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen nicht sehr fürchten. Zunächst ist das nur eine Ordnungswidrigkeit. Es muss schon viel passieren, bis die Kriterien für eine Straftat erfüllt sind. Worum es den Unternehmen beim Arbeits- und Gesundheitsschutz natürlich auch geht, ist die Beschränkung ihres Haftungsrisikos. Es ist darum auch eine Aufgabe der Arbeitnehmervertretung, sicherzustellen, dass Unternehmen, die ihre Mitarbeiter krank machen, im Einzelfall zur Verantwortung gezogen werden können. Dazu muss der Grad der Einhaltung der Atrbeitsschutzbestimmungen auch dann geklärt werden, wenn das zu Konflikten führt. Oder umgekehrt: Wenn schon die Beschreibung der Vergangenheit und der Ausgangssituation eines Projektes zu Konflikten führt, dann stellt das auch ein gemeinsames und vertrauensvolles Erreichen des Ziels in Frage.

Warum ist die Beurteilung und Dokumentation des Grades der Einhaltung von Bestimmungen zur Vermeidung psychischer Fehlbelastungen immer wieder wichtig? Psychisch Erkrankte werden so gut wie nie nachweisen können, dass wesentliche Ursachen für ihre Erkrankung im Handlungsspielraum des Arbeitgebers liegen, also möglicherweise eine vom Arbeitgeber zu verantwortende Körperverletzung vorliegt. Leichter ist es, einen fehlenden oder einen ungenügenden Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz nachzuweisen, wenn dieser Einbezug tatsächlich ungenügend war oder ganz fehlte.

Wie die Missachtung von Arbeitsschutzbestimmungen im Einzelfall zu einem Urteil über fehlbelastende Arbeitsbedingungen als Auslöser einer psychischen Erkrankung beiträgt, ist natürlich die Frage. Es ist aber auch eine Tatsache, dass Ursula von der Leyens “knallharter Strafkatalog” trotz zunehmender psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz fast völlig ungenutzt blieb. Die Arbeitnehmer haben hier einfach schlechte Karten. Vielleicht haben die Gewerkschaften doch Recht mit ihren Forderungen nach schärferen Arbeitsschutzregeln im Bereich der psychischen Belastungen.

Wenn Betriebs- und Personalräte nicht aufpassen, dann kann ihre unvorsichtige und naïve Beteiligung an Arbeitsschutzprojekten und an Audits (Berufsgenossenschaften, Gewerbeaufsicht, Zertifizierungsunternehmen usw.) dazu führen, dass Unternehmen zwar wichtige Regeln des Arbeitsschutzes weiterhin missachten, davon betroffene Mitarbeiter eine Missachtung von Arbeitsschutzbestimmungen aber praktisch kaum noch nachweisen können. In solch einem Fall hätte die Arbeitnehmervertretung die durch schlechte Arbeitsbedingungen erkrankten Mitarbeiter entrechtet und deren ohnehin schlechten Chancen noch zusätzlich geschwächt. Dann wäre es für diese Mitarbeiter vielleicht besser gewesen, wenn es keine Beteiligung des Personalrats oder des Betriebsrats gegeben hätte, auf die sich der Arbeitgeber berufen könnte. (Dabei ist zu auch beachten, dass die Zeit zwischen arbeitsbedingter psychischer Verletzung und sich manifestierender psychischer Erkrankung viele Jahre betragen kann.)

 
Zusammengefasst das Wichtigste für Projekte zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz: Nicht nur die Kriterien für die Zielerreichung von Arbeitsschutzprojekten müssen zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmervertretungm vereinbart werden, sondern auch die Ausgangssituation und die Vergangenheit muss klar dokumentiert sein. Eine wichtige Messgröße ist dabei der Grad der Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen. Wenn ein Arbeitgeber trotz tatsächlich ungenügender Beachtung dieser Bestimmungen (womöglich noch unter Berufung auf die Mitwirkung des Betriebsrates) behaupten kann, er beziehe psychische Belastungen bereits vorschriftsmäßig in seinen Arbeitsschutz ein, dann schwächt das sowohl die Mitarbeiter wie auch die Bedeutung von Projekten, mit denen der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz erst erreicht werden soll.


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