Nachdenken über Beurteilungssysteme

Mittwoch, 6. Juni 2012 - 06:54

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Beurteilungssystem: Ein potenzielles Veränderungshindernis zum Verbündeten machen

“What gets measured gets done”, lautet eine alte Management-Weisheit. Wenn Sie also das Falsche messen, laufen Sie Gefahr, dass auch das Falsche getan wird – insbesondere, wenn an die “Messung” auch noch Konsequenzen wie Vergütung und Karriere gekoppelt sind oder aus Sicht der Betroffenen davon abhängen könnten. Wenn Sie das eine fordern und das andere zum Kriterium der Beurteilung machen, senden Sie verwirrende Signale an ihre Mitarbeiter und bringen sie in einen Interessenkonflikt: Sollen sie nun tun, was Sie von ihnen fordern, oder sollen sie tun, was ihnen eine gute Beurteilung einbringt? Auch wenn Ihre Mitarbeiter und Führungskräfte professionell und loyal sind, wäre es ein bisschen viel verlangt, dass sie ihre eigenen Interessen hintanstellen und ohne Rücksicht auf eigene Nachteile selbstlos tun, was für den Erfolg des Unternehmens erforderlich ist. Erwartungen und Beurteilungssystem in Einklang zu bringen, ist nicht Aufgabe der Mitarbeiter, sondern die Verantwortung des Managements. …

Aus Betriebsratssicht finde ich den folgenden Absatz interessant:


Mitarbeiterinformation und Mitbestimmung

Sobald die Anforderungen sowie die zugehörigen Indikatoren für die betreffenden Funktionen oder Funktionsgruppen definiert sind, ist das neue bzw. aktualisierte Beurteilungssystem im Prinzip einsatzfähig. Allerdings wäre es unfair, es nun sofort zur Grundlage einer formellen Leistungsbeurteilung zu machen, denn das würde ja heißen, die Mitarbeiter an Maßstäben zu messen, die sie bis vor kurzem noch gar nicht kannten. Statt den Mitarbeitern das System einfach überzustülpen und damit Ängste und Widerstände auszulösen, ist es sinnvoller, ihnen das Konzept und seine Ziele erst einmal vorzustellen und es mit ihnen zu diskutieren. Ebenso sollte der Betriebsrat einbezogen werden.

Zwar kann man arbeitsrechtlich darüber streiten, ob das hier vorgeschlagene Verfahren mitbestimmungspflichtig ist. Prinzipiell unterliegt “die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze” nach § 94 Abs. 2 BetrVG der Mitbestimmung; man kann aber durchaus argumentieren, dass es sich bei diesem Verfahren wegen der starken Ausrichtung an den Besonderheiten der einzelnen Funktionen gerade nicht um “allgemeine Beurteilungsgrundsätze” handelt. Denn allgemeine Beurteilungsgrundsätze sind “Regelungen, die die Bewertung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer verobjektivieren und nach einheitlichen, für die Beurteilung jeweils erheblichen Kriterien ausrichten sollen. Mit ihnen soll ein einheitliches Vorgehen bei der Beurteilung und ein Bewerten nach einheitlichen Maßstäben ermöglicht und so erreicht werden, dass die Beurteilungsergebnisse miteinander vergleichbar sind” (Etzel: Betriebsverfassungrecht, S. 272). Nun soll dieses Verfahren die Leistung zwar ohne Zweifel “verobjektivieren”, doch Vergleichbarkeit ist gerade nicht angestrebt, und deshalb auch kein “Bewerten nach einheitlichen Maßstäben”.

Rein juristisch betrachtet, könnte man es hier auf also einen Rechtsstreit ankommen lassen. Aus praktischer Sicht ist es aber klüger, das Vorhaben “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht”, wie die Juristen dies nennen, mit dem Betriebsrat zu beraten und darüber, wenn gewünscht, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen. Denn erstens sind Betriebsräte oftmals durchaus aufgeschlossen für ein faires, transparentes Beurteilungssystem, zweitens würde es die Einführung enorm erschweren, wenn der Betriebsrat sich querlegen, das Vorgehen öffentlich als unrechtmäßig brandmarken und den Mitarbeitern empfehlen würde, nur pro forma an den Gesprächen teilzunehmen, aber nur das Nötigste zu sagen und nach Möglichkeit einen Betriebsrat zuzuziehen. Umgekehrt nimmt es viel Stress aus der Einführung des neuen Systems, wenn es vom Betriebsrat “freigegeben” wurde oder sogar ausdrücklich von ihm unterstützt wird. …

Schon hier gibt es genug Stoff zum Nachdenken für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wichtig ist bei diesem Beurteilungssystem vor Allem, dass sie sich gegenseitig vertrauen können. Es lohnt sich, den vollständigen Text zu lesen.


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