Segeltherapien als Luxus und Burnout als Waffe?

Sonntag, 20. Mai 2012 - 21:59

Claudia Tödtmann (2012-05-20): Unternehmen müssen sich vor Burnout-Klagen fürchten – Gastbeitrag von Arbeitsrechtler Jörg Podehl
http://blog.wiwo.de/management/2012/05/15/unternehmen-mussen-sich-vor-burnout-klagen-furchten-gastbeitrag-von-arbeitsrechtler-jorg-podehl/

… Anfang Mai 2012 wurde beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Fall einer Wuppertaler Betriebsrätin mit einem widerruflichen Vergleich abgeschlossen. Sie war wegen Burnouts krankgeschrieben, hatte während ihrer Krankschreibung jedoch eine Segelreise unternommen und war hierfür zur Strafe gleich fristlos gekündigt worden. …

Diese beliebte Geschichte wird gerne von Leuten erzält, die weder Ahnung vom Segeln noch Ahnung von Verhaltenstherapie haben. Tatsächlich kann eine Segelreise das Gehirn sehr wohl gut durchputzen. Bei Therapien für Top-Manager funktionierte das bekanntlich schon recht gut. Wo ist also das Problem, wenn auch Betriebsratsmitglieder Methoden anwenden, die sich bei Managern bewährt hatten?

 

… Gefahr für Unternehmen: Burnout als Waffe

Es besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmer das Argument „Burnout“ missbräuchlich einsetzen …

Es geht zugegebenermaßen noch schlimmer: http://blog.psybel.de/esoterik/

 

… Ist für den Arbeitgeber eine außergewöhnliche Stressbelastung des Arbeitnehmers im Vergleich zu den gewöhnlichen Anforderungen erkennbar oder liegen bereits Anzeichen einer drohenden Krankheit vor, dann muss der Arbeitgeber wegen dieser deutlichen Anzeichen handeln und den Arbeitnehmer vor übermäßiger Stressbelastung schützen. …

Das ist zu reaktiv. Vor 1996 konnte man vielleicht noch so argumentieren. Der ganzheitliche Arbeitsschutz schreibt jetzt Vorbeugung vor.

… Eine Pflicht zum Einschreiten des Arbeitgebers sollte dem Arbeitgeber nur dann auferlegt werden, wenn erkennbare Störungen und Überlastungen bei den Arbeitnehmern vorliegen. Die Eigenverantwortung der Mitarbeiter darf nicht am Arbeitsplatz aufhören. Jeder muss dazu beitragen, seine psychische Gesundheit beizubehalten. …

Nein, auch dann ist es oft schon zu spät. Speziell nach OHSAS 18001:2007 zertifizierte Unternehmen können nicht abwarten, bis Störungen und Überlastungen erkennbar sind, denn sie haben sich ja selbst verpflichtet, arbeitsbezogene Ereignisse zu erfassen und zu untersuchen, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge hatten oder hätten(!) zur Folge haben können. Erkrankungen sind hierbei als erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände definiert, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden. Die “Außergewöhnlichkeit” der Stressbelastung ist kein Kriterium, dass ein Auditor oder ein Richter akzeptieren würde. Wer denkt sich so etwas denn aus? Stimulierender Stress kann außergewöhnlich, und außergewöhnlicher Stress kann stimulierend sein.

Wer entscheidet, welche Ereignisse z.B. Erkrankungen hätten(!) zur Folge haben können? Natürlich kann das der Arbeitgeber nicht alleine entscheiden. Auch das Vorliegen von Fehlbelastungen davon abhängig zu machen, ob sie ausgerechnet vom Arbeitgeber erkennbar sind, wäre ein eher unintelligenter Ratschlag. Aber natürlich kann man das Erkennen auch den Arbeitnehmern nicht alleine überlassen. Unkenntnis, Voreingenomenheit, Parteilichkeit oder (im schlimmsten Fall) auch Missbrauch ist auf beiden Seiten nicht ausgeschlossen. Darum gibt es die Mitbestimmung und Mitwirkung (bei OHSAS 18001:2007 im Absatz 4.4.3.2), die Jörg Podehl mit keinem Wort erwähnt.

Zur Eigenverantwortung der Mitarbeiter: Ja, die Eigenverantwortung der Mitarbeiter darf nicht am Arbeitsplatz aufhören. Jeder muss dazu beitragen, seine psychische Gesundheit beizubehalten. Gerne stimme ich dem zu, denn dazu gehört natürlich auch, sich gegen ansteigende psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen zu wehren. Warum aber kommt die Forderung nach der Eigenverantwortung der Mitarbeiter immer wieder ausgerechnet aus den Kreisen, in denen die Mehrheit der Unternehmer jahrelang ihrer eigenen Verantwortung nicht gerecht geworden sind?

Re-editiert: 2012-11-12


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