Von wegen geringe Eigeninitiative der Mitarbeiter: Sie bestimmen sogar mit!

Montag, 24. Oktober 2011 - 21:21

booz&co
Vorteil Vorsorge
Die Rolle der betrieblichen Gesundheitsvorsorge
für die Zukunftsfähigkeit des
Wirtschaftsstandortes Deutschland

Felix Burda Stiftung / netzwerk gegen darmkrebs
(00178_Preventive Medicine DE_Final_25.5.indd, 2011-05-25)
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S. 12

… Ganzheitlichkeit

Betriebliche Gesundheitsvorsorge zielt inzwischen verstärkt darauf ab, neben Maßnahmen, die auf rein physische Indikationen ausgerichtet sind, die Ursachen und Gegenmaßnahmen für psychisch bedingte Krankheiten zu adressieren. Zahlreiche Studien haben sich mit dem Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit, guter Führung und einem niedrigen Krankenstand beschäftigt und die positiven Auswirkungen von Führung und Mitarbeiterzufriedenheit auf den Gesundheitsstand bestätigt.

Laut Gesetzgeber sind Unternehmen seit Anfang 2011 verpflichtet, neben der Grundbetreuung und dem gesetzlichen Mindestmaß an betriebsärztlichen Stunden auch eine jährliche betriebsspezifische Betreuung durchzuführen. Laut Unfallverhütungsvorschrift beinhaltet diese eine betriebsindividuelle Gefährdungsbeurteilung (Beurteilung der Arbeitsbedingungen). Arbeitspsychologische Aspekte sind hierbei ausdrücklich eingeschlossen. Diese umfassen neben Arbeitsaufgaben, Arbeitsrhythmus, Arbeitszeit- und Pausengestaltung sowie Personaleinsatz sogenannte gesundheitsstärkende Faktoren wie gegenseitige Unterstützung bei der Arbeit.

Am Beispiel der RWE AG wird deutlich, wie stark die psychosoziale Verfasstheit der Mitarbeiter und der Gesundheitsstand korrelieren. Unter anderem deutet eine Mitarbeiterbefragung von RWE darauf hin, dass Aspekte, die mit wirksamer Führung zusammenhängen, eine signifikant hohe Korrelation (0,62 bis 0,73) mit dem Gesundheitsstand der Mitarbeiter aufweisen.13

Ganzheitliches Gesundheitsmanagement wendet sich an alle Mitarbeiter. Besonders für Menschen, die außerhalb des Berufs aufgrund mangelnder Informationen oder geringer Eigeninitiative keine entsprechenden Angebote wahrnehmen, spielt das Arbeitsumfeld eine entscheidende Rolle, denn dort können Kollegen und Führungskräfte den richtigen Umgang mit der eigenen Gesundheit vorleben. Das Gesundheitsbewusstsein des einzelnen Mitarbeiters hängt deshalb in hohem Maße auch von dem Stellenwert ab, den der eigene Arbeitgeber dem Wohlbefinden aller beimisst. …

(Links nachträglich eingefügt)

S. 14

… Eine enge Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten und dem Betriebsrat ist für die reibungslose Durchführung von präventiven Maßnahmen unerlässlich. Vor allem von der Unterstützung des Betriebsrats hängt es ab, ob die Mitarbeiter Vertrauen in die betrieblichen Vorsorgeprogramme fassen. …

Wie man sieht, sind den Beratern von booz&co Betriebsräte durchaus bekannt. Aber dass sie schon auf Seite 12 bei der Ganzheitlichkeit eine Mitbestimmungspflicht haben und nicht erst ab Seite 14 beim Datenschutz, das müssen die Berater noch lernen.

Nett, wie fürsorglich sich Unternehmen “besonders für Menschen, die außerhalb des Berufs aufgrund mangelnder Informationen oder geringer Eigeninitiative keine entsprechenden Angebote wahrnehmen” einzetzen wollen. Schwupps, schon ist der schwarze Peter wieder bei den ach so passiven Mitarbeitern, deren Arbeitsplätze seit 2011 “eine jährliche betriebsspezifische Betreuung” erfahren müssen. Im Arbeitsschutzgesetz steht jedoch ganz klar, dass der Arbeitgeber verantwortlich ist. Und die Arbeitnehmer (Arbeitgebende) werden dabei nicht nur entgegenkommend eingebunden, sondern sie bestimmen mit. BAuA/GRAziL:

Fehlende Handlungsbereitschaft: Unternehmen greifen ohne die Impulsgebung durch Gewerkschaften, Betriebsräte bzw. Arbeitsschutzbehörden (vereinzelt) das Thema “Psychische Belastungen” als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung (GB) i. d. R. nicht auf.

Den Mitarbeitern fehlt die Initiative, sondern es waren die Unternehmen, die das Thema jahrelang verschleppten und aufgrund ihrer Sorge vor Veränderungen, ihres mangelnden Wissens und ihrer geringen Eigeninitiative die Angebote der Arbeitnehmervertreter nicht annehmen wollten.

Das Thema ja nicht erst seit 2011 auf dem Tisch. Dass es spätestens seit 2004 (eigentlich schon seit 1997) klar war, dass in den Betrieben auch die psychisch wirksamem Belastungen in den Arbeitsschutz (und damit in die ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung) einbezogen werden mussten, schreibt booz&co seinen Auftraggebern anscheinend nicht so gerne in das Hausaufgabenbuch.


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