Hobbypsychologisch beratene Personaler

Freitag, 1. Juli 2011 - 00:55

Aktuelles Beispiel: Eine (in diesem Artikel nicht namentlich benannte) Beratung für “Personaler” gab kürzlich Tipps, wie ein Vorgesetzter mit einem von Burn-out betroffenen Mitarbeiter umgehen soll. Da beginnt schon das Problem: Es gibt “Burn-out” nicht einmal als Diagnose. Es geht hier häufig um Erschöpfungsdepressionen.

Die Fehlberatung für “Personaler: empfiehlt, dass mit dem Mitarbeiter ein Coaching, eine Kur oder therapeutische Behandlung vereinbart werden soll. Der Mitarbeiter soll überzeugt werden, dass der Betriebsarzt oder ein externer Arzt bzw. Therapeut ihm aus seinem Erschöpfungszustand heraushelfen kann. Dem Mitarbeiter soll zwar einerseits nicht das Gefühl gegeben werden, dass er wegen seiner jüngsten Leistungsschwäche um seinen Arbeitsplatz fürchten muss, aber zur Sicherheit empfehle es sich andererseits, alle Leistungsveränderungen des Mitarbeiters für arbeitsrechtliche Konsequenzen zu dokumentieren.

Für “Personaler” scheint es aus der Sicht dieser Beratungsfirma nicht nötig zu sein, über möglicherweise auch beim Unternehmen liegende Gründe für fehlbelastete Mitarbeiter nachzudenken. Der Beratungsdienst erzählt seinen E-Mal-Abonnenten nur, was sie ohnehin bereits als Hobbypsychologen mit ihren Mitarbeitern machen würden. Für den Personaler-Berater sind die Gefährdungsbeurteilung und der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz vermutlich ein Thema, von dem er meint, dass seine Klienten darüber nichts hören wollen.

Mitarbeiter müssen damit rechnen, dass die für sie zuständigen “Personaler” von ihnen eine hohe Bereitschaft zur Introspektion und Selbstkritik erwarten, aber einer transparenten Beurteilung der Arbeitsverhältnise im Unternehmen versuchen sie unter Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften auszuweichen. Darum sollten sich Mitarbeiter, die vom Arbeitgeber fehlbelastet werden und bei denen der Arbeitgeber seine Pflicht zum Einbezug der psychischen Belastung in den Arbeitsschutz missachtet (oder überhaupt nicht kennen will), zunächst an den Betriebsrat wenden (wenn der genug Kompetenz entwickelt hat) oder sich extern beraten lassen, z.B. von einem Dienst der kirchlichen Betriebsseelsorge oder von der Gewerkschaft, bei der sie Mitglied sind. Im Bereich des Umgangs mit psychischer Arbeitsbelastung haben die Gewerkschaften inzwischen nämlich viel Kompetentenz aufgebaut.

Sind Sie ein möglicherweise fehlbelasteter Mitarbeiter, dann achten Sie darauf, dass ihr Arzt arbeitsmedizinische Kenntnisse hat und ihr Therapeut versteht, einen mangelhaften Arbeitsschutz bei Ihrem Arbeitgeber zu erkennen und in Ihrer Patientenakte zu dokumentieren. Möglicherweise ist sogar Ihre Krankenkasse auf Ihrer Seite: Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen durch die Vernachlässigung des Arbeitsschutzes eine Körperverletzung zufügt hat und diese Vernachlässigung gut dokumentiert ist, dann kann die Kasse Ihren Arbeitgeber für daraus resultierende Behandlungskosten in die Haftung nehmen.


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