Lieber Herr Daniel Bahr …

Donnerstag, 19. Mai 2011 - 05:59

Sehr geehrter Herr Bundesgesundheitsminister,

Wenn man den Nachrichten glauben schenken kann, werden Sie die Politik ihres Vorgängers fortsetzen. Wie diese Politik aussieht, wurde am 3.8.2010 in der Süddeutschen Zeitung gut dargestellt:

… Die Vorbehalte [der Firmen] gegenüber guter Prävention zeigen auch wieder, dass die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler [FDP] falsch sind, den Arbeitgeberanteil am Krankenkassenbeitrag einzufrieren. Damit würden künftig die Arbeitnehmer alleine dafür zahlen, dass Firmen durch schlechte Vorsorge die Gesundheit ihrer Belegschaft gefährden.

(Anmerkungen in eckigen Klammern nachträglich eingetragen)

Tatsache ist, dass Unternehmen in Deutschland massenhaft gegen die Arbeitsschutzbestimmungen verstoßen dürfen. Politiker wie Sie sehen dabei untätig zu oder helfen sogar den Arbeitgebern dabei, im betrieblichen Gesundheitsmanagement der Verhaltensprävention Vorrang vor der Verhältnisprävention zu geben und damit die vorgeschriebenen Prioritäten des Arbeitsschutzes umzudrehen.

Ich halte die Politik ihres Vorgängers für unredlich, weil sein Ministerium den Anschein erweckte, dass es die Vorbehalte der Firmen gegenüber guter Prävention (d.h. in der Praxis: Missachtung des Arbeitsschutzes durch die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland) billige: Die Darstellung des Themas “Gesundheitsmanagement” durch das BMG sieht so aus, als ob sie vom Arbeitgeberverband geschrieben worden wäre, dessen Mitglieder seit 1996 in ihrer Mehrheit die Forderungen des ganzheitlichen Arbeitsschutz ignorieren. Dass denen das so nachhaltig gelingt, zeigt, wie Anarchie heute aussieht. Sie ist von der Straße in die komfortableren Umgebungen der Führungsetagen von Wirtschaft und Politik umgezogen: Unternehmen können sich heute anscheinend nach Lust und Laune aussuchen, ob sie Schutzbestimmungen einhalten möchten oder auch nicht. Dabei werden von dem Bundesgesundheitsminister und der Arbeitsministerin auch noch unterstützt.

“Eigenverantwortung” ist der zeitgemäße Code für “selber zahlen”. Soll damit die “zweit Säule” der Krankheitskostenfinanzierung legitimiert werden, die die Arbeitgeber aus deren Verantwortung entlässt? Von den Versicherten Eigenverantwortung zu fordern und gleichzeitig den Verursachern von Erkrankungsrisiken billigend bei der Umgehung des Arbeitsschutzes zuzusehen, zeigt, was “mitfühlender Liberalismus” tatsächlich bedeutet: Frechheit siegt. Ich hoffe, dass die nächsten Bundestagswahlen dem ein Ende setzen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Götz Kluge

 


http://www.tagesschau.de/inland/citybkk114.html, 2011-05-19:
Kassen versprechen Besserung – Die Tricksereien, mit denen Krankenkassen versucht haben, Versicherte der City BKK abzuwimmeln, verstoßen gegen das Verbraucherrecht. Das Ultimatum von Gesundheitsminister Bahr und die Drohung der Union, notfalls die Vorstände haften zu lassen, zeigen nun Wirkung. …

Mit was für einem Stil berichtet hier die Tagesschau? Viel Wind um “Tricksereien” der Kassen, aber wo bleibt die journalistische Neugier? Die Mehrheit der Unternehmen missachtet seit Jahren den Arbeitsschutz und belastet damit die Kassen und somit ebenfalls die Gemeinschaft der Versicherten. Warum fragt die Tagesschau nicht, warum der Minister und die Union einerseits rechtswidriges Verhalten der Kassen so schnell abstellen können, aber andererseits das rechtswidrige Verhalten von Unternehmen, die diese Kassen belasten, hinnehmen?

 


Die FDP kann’s mit kompetenten Leuten in Berlin aber auch besser:
http://blog.psybel.de/kompetente-fragen-der-fdp/


Kommentare sind geschlossen.