Warum zeigen Betriebsräte bei Arbeitsschutz kein Interesse?

Dienstag, 17. Mai 2011 - 22:23

Ist das so? Die Frage wurde (per Suchmaschine) an dieses Blog gestellt, warum Betriebsräte beim Arbeitsschutz kein Interesse zeigen.

Ich glaube, dass viele Betriebsräte sehr wohl Interesse haben, sich aber oft nicht so richtig trauen, das Thema anzugehen. Das ist eine Gemeinsamkeit mit Personalern.

Der technische Arbeitsschutz ist eigentlich recht einfach zu handhaben, zumindest hinsichtlich seiner Klarheit. Damit sind Betriebsräte doch recht gut vertraut. Aber “jetzt” (seit 1996) kommt das Thema der psychischen Belastungen dazu. Das ist ein “weicheres” Thema – und ein hartes zugleich: Menschen, die sich professionell mit Psychologie befassen, lernen sich dabei auch selbst kennen. Sie lernen deswegen (mehr oder minder gut) in ihrer Ausbildung, wie sie mit dieser Selbsterkenntnis umgehen müssen, um sich nicht selbst zu schaden. Laien (Arbeitnehmervertreter und die Mehrheit der Personaler) sind hier nicht so gut vorbereitet, aber ahnen vielleicht doch, dass es manchmal schon recht hart werden kann, sich mit “Psycho-Themen” auseinanderzusetzen.

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung mag sein, dass Betriebsratsmitglieder in vielen Betrieben genauso wie ihre Klienten einerseits und die Arbeitgeber andererseits “psychische Probleme” immer noch zuerst beim Individuum verorten. Das erschwert auch das Gespräch mit den Klienten (der Belegschaft) und der Arbeitgeberseite.

Noch eine Hürde könnte der beträchtliche Kompetenzaufbau sein, der beim Thema der psychischen Belastung nötig ist. Das ist gerade für nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder ein Problem. Das Thema der Arbeitsbelastung kann selbst eine große zusätzliche Arbeitsbelastung sein, wenn man es ernst nimmt. Die Grundlagen von Unternehmenskulturen sind hier auf dem Prüfstand und Veränderungen gehen ans Eingemachte. Dank für erfolgreiche Arbeit gibt es (wenn überhaupt) hier vielleicht erst viele Jahre später, nachdem der Betriebsrat das Thema aufgegriffen hat.

Trotz der Berührungsängste sind es häufig aber doch die Betriebsräte, die in den Unternehmen den ganzheitlichen Arbeitsschutz vorantreiben. Also kann man eben nicht so allgemein sagen, dass Betriebsräte kein Interesse hätten.

Praxistip: Arbeitnehmervertretungen und Personaler, die psychisch wirksame Belastungen in den Arbeitsschutz integrieren wollen, sollten sich unbedingt von externen Fachleuten beraten lassen. Es geht dabei anfangs erst einmal darum, die Prioritäten zu verstehen und einen Überblick über den Umfang der Arbeit zu bekommen, die auf Arbeitnehmervertretungen und Personaler zukommen wird.


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